"Ja, meine Damen und Herren, es war heute ein bewegter Tag, sicherlich auch ein historischer Tag."
Ursprünglich war nicht geplant, dass Laschet sich vor der turnusmäßigen Landesvorstandssitzung äußert, doch Merkels Rückzug, die Tatsache, dass es neben der Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer auch mit Friedrich Merz und Jens Spahn zwei ernstzunehmende Kandidaten aus Nordrhein-Westfalen für den CDU-Parteivorsitz gibt sowie das Geraune, dass es womöglich auch Laschet selbst werden könnte, führten zu einer kurzfristigen Einladung:
"Es geht jetzt nicht darum, wer ruft als erster hier, sondern es geht darum, diese Lösung für alle zu finden."
Laschet selbst will nicht kandidieren
Er selbst habe auch Ambitionen, halte sich eine Kandidatur offen, interpretierten es einige Medienhäuser. Zwei Tage später stoppte Laschet diese Interpretationen, schloss eine Kandidatur vorerst aus.
"Ich halte, bei der jetzt geplanten Trennung von Kanzleramt und Parteivorsitz, diese Konstruktion nicht vereinbar mit der Funktion des Regierungschefs im größten Bundesland. Die Koalition von CDU und FDP hier in Nordrhein-Westfalen, versteht sich als Gegenmodell zur Großen Koalition in Berlin. Sowohl im Inhalt als auch im Stil. Und dieses will ich nicht für ein Parteiamt gefährden. Und deshalb habe ich diese Entscheidung getroffen."
Letztendlich ging es Laschet wohl darum, Zeit zu gewinnen…
"Und deshalb will ich selbst, in den nächsten Tagen, Gespräche führen, mit allen Landesvorsitzende der großen Landesverbände der CDU in Deutschland."
… und klar zu machen, dass die Entscheidung nur über ihn und den NRW-Landesverband falle.
"Es ist für Armin Laschet sicherlich eine große Genugtuung für den Bundesvorsitz der CDU gehandelt zu werden. Man darf nicht vergessen, dass noch vor anderthalb Jahren viele angezweifelt haben, ob er das Zeug zum NRW-Ministerpräsidenten hätte. Außerdem wurde er für seine liberale Haltung und für seine Nähe zu den Grünen oft belächelt. Es ist also eine Ansehenskarriere, die ihm schmeichelt", sagt Tobias Blasius, Vorsitzender der Landespressekonferenz in NRW, der Laschets Weg in der Partei seit Jahren journalistisch begleitet.
Ministerpräsidentenamt geht vor
Wäre es Laschets zweite Amtszeit als Ministerpräsident oder ginge es um den Parteivorsitz und Kanzleramt, er wäre wohl gesprungen. Doch es ist gerade einmal 16 Monate her, dass er im nordrhein-westfälischen Landtag erstmalig zum Ministerpräsidenten gewählt wurde:
"Herr Präsident, ich nehme die Wahl an."
Bei der jetzt geplanten Trennung von Kanzleramt und Parteivorsitz sei das Amt des Regierungschefs im größten Bundesland mit dem Vorsitz der Regierungspartei im Bund nicht dauerhaft zu vereinbaren, erklärte Laschet.
"Der Parteivorsitzende muss die Partei organisieren. Muss in den Verhandlungen der Großen Koalition die Position der Partei einbringen und muss diese dann nach Außen vertreten und das würde so viel Zeit beanspruchen, die mit dem Amt des Ministerpräsidenten nicht vereinbar ist."
Blasius sieht das ähnlich:
"Das Amt des Ministerpräsidenten in Nordrhein-Westfalen lässt sich nicht als Teilzeit-Job machen. Außerdem würde er aufbrechen in eine sehr ungewisse Berliner Zukunft."
Laschet als König(in)macher
Zu präsent sind da auch die Beispiele des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck sowie von dessen Parteifreund Matthias Platzeck aus Brandenburg, die beide in der Doppelrolle scheiterten. Stattdessen wird Laschet nun zum Königs- bzw. Königinnenmacher - und steckt damit in einem Dilemma. Denn auf der eine Seite - siehe die Doktrin des bundespolitischen Anspruchs - muss er klar machen, dass er die Strippen zieht, auf der anderen Seite, zwingt ihn die Situation in einen echten Loyalitätskonflikt, meint Journalist Blasius:
"Er fühlt sich inhaltlich sicherlich Annegret Kramp-Karrenbauer am nächsten, andererseits hat er zwei Kandidaten mit Jens Spahn und Friedrich Merz, die aus seinem eigenen Landesverband kommen. Da klug zu moderieren wird nun die Aufgabe der nächsten Tage sein. Denn es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Dinge am Landesvorsitzenden vorbeilaufen."
Zunächst keine Festlegung
Daher lautet Laschets Plan: Erstmal keine Festlegung in NRW und "…, dass wir in der nächsten Woche am 6. November, nach der Vorstandsklausur der Bundes-CDU, noch einmal als nordrhein-westfälische CDU zusammenkommen, um dann etwas mehr Klarheit in dieser außergewöhnlichen Lage zu fassen."
Dass die Situation diffizil ist, gibt Laschet unumwunden zu: "Es ist ja besonders kompliziert, wenn es mindestens zwei sind aus dem Landesverband, die kandidieren."
Es ist daher nicht davon auszugehen, dass sich der Landesverband auf eine Seite schlägt. Sollte dies aber beispielsweise Merz sein – den viele in NRW zur Kandidatur ermuntert hatten - würde Laschet damit indirekt Merkels Kanzlerschaft beenden. Sollte Merz gewinnen, gilt ein Rücktritt Merkels als gesichert. Laschet ist sich seiner Rolle bewusst:
"Es gibt viele, viele Erwartungen, in anderen Landesverbänden, in Niedersachsen, in Baden-Württemberg, in Hessen, in den wirklich großen Landesverbänden, dass Nordrhein-Westfalen auch diese vermittelnde Rolle übernimmt."
Einflussreicher NRW-Landesverband
Denn: Die NRW-CDU stellt nicht nur rund ein Drittel der insgesamt 1001 Delegierten, sondern auch die Vorsitzenden zahlreicher Partei-Vereinigungen, wie der Arbeitnehmerschaft, der Senioren Union, der Jungen Union sowie der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung. Doch Laschet muss aufpassen, dass nicht der Eindruck entsteht, die Sache laufe an ihm vorbei. Friedrich Merz beispielsweise informierte seinen Landesvorsitzenden nicht vorab:
"Sie wissen, dass er unser Brexit-Beauftragter ist und dass er sehr oft bei mir ist und wir über sehr viel sprechen. Auch über die Lage der Union sprechen, aber er hat am heutigen Tag, nicht konkret mir gesagt, dass er seine Kandidatur ankündigt."
Bereits bei Spahns erfolgreicher Kandidatur für das CDU-Präsidium im Jahr 2014 war Laschet übergangen worden und vor der letztendlich erfolgreichen Kandidatur des Ostwestfalen Ralph Brinkhaus für den Vorsitz des CDU/CSU-Bundestagsfraktion, war Laschet – wie alle anderen auch – ebenfalls nicht informiert worden. Nun also die zentrale Frage nach der neuen Parteichefin oder Chef:
"Ich halte nicht für ausgeschlossen, dass noch Kandidaten dazukommen und ich halte auch nicht für ausgeschlossen, dass noch jemand seine Kandidatur zurückzieht."
Angesichts von Laschets Lage, klingt das fast schon ein wenig wie ein Wunsch.