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NRW-Wahl
Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Kraft und Laschet erwartet

Am Sonntag wählt Nordrhein-Westfalen einen neuen Landtag. Aus einem komfortablen Vorsprung der SPD unter Hannelore Kraft ist auf den letzten Metern Umfragen zufolge ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit CDU Herausforderer Armin Laschet geworden. Rückblick auf einen Wahlkampf im bevölkerungsreichsten Bundesland.

Von Moritz Küpper |
    Wahlplakate der SPD und CDU Spitzenkandidaten für die kommende Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, Kraft und Laschet, hängen am 15.04.2017 in Rhede (Nordrhein-Westfalen). Am 02.05. treffen beide Kandidaten im TV-Duell aufeinander.
    Kraft vs. Laschet: Am 14. Mai wird in NRW der Landtag neu gewählt. (dpa / Martin Gerten)
    Armin Laschet, der CDU-Spitzenkandidat, steht auf der Landesgartenschau in Bad Lippspringe, Ostwestfalen. Gerade hat er eine Ess-Kastanie gepflanzt, will nun – zum Abschied an der Drehtür – ein paar lobende Wort finden:
    "Die Idee, Wald und Garten zu verbinden…"
    "Hat Frau Kraft schon gesagt."
    "Hat sie gesagt?"
    "Ja. Da war sie schneller."
    "Da habe ich ja schon den richtigen Sprech drauf. Nein, aber das finde ich wirklich etwas Besonderes…"
    Laschet grinst.
    "Es gibt so Sachen, die ich an ihm einfach gut finde, weil er kann über sich selber lachen. Das finde ich, ist eine wichtige Eigenschaft."
    Mit Humor, das findet auch NRWs Ministerpräsidentin Hannelore Kraft von der SPD, lässt sich eben Vieles besser ertragen. Auch der Wahlkampf, in NRW, Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland, der manchmal etwas von einer Schnitzeljagd hat: Bus-Touren, Zelt-Auftritte, der Rundgang durch die Fußgängerzone – oder Bäume pflanzen, wie auf der Landesgartenschau.
    Kraft, die Kümmerin
    "Was für ein Auftakt für die Landesgartenschau hier in Bad Lippspringe, aber, ich muss gestehen, meine Damen und Herren, die Ereignisse gestern Abend gehen mir eigentlich noch nicht aus dem Kopf. Und Ihnen wahrscheinlich auch nicht."
    Der Anschlag auf den Dortmunder Mannschaftsbus wenige Stunden zuvor. Kraft steht, im Anorak, auf der Bühne:
    "… der Mannschaft und vor allen Dingen den Verletzten, Marc Batra, dem Spieler, und dem Kollegen von der Polizei, von hier aus wünschen wir alles Gute."
    Kraft, die Landesmutter. Am Abend fährt sie auch zum neu angesetzten Spiel. Kraft, die Kümmerin. Das ist die Rolle, die sie stark gemacht hat, in der sie sich selber sieht. "Kein Kind zurücklassen", so ein Projekt ihres – wie sie oft betont – vorbeugenden Politikansatzes. Doch ihre Regierungsbilanz ist eher durchwachsen: Armutsbekämpfung, Innere Sicherheit, Bildung und Verkehr, die Wahrnehmung ist negativ:
    "Politisch finde ich, dass sie nicht genug macht und engagiert ist und Dinge wirklich bewegt. Sympathisch, wenn sie irgendwo auftaucht. Persönlich kann ja gut mir ihr."
    Sagt Armin Laschet im Wahlkampfbus. Doch bei aller gegenseitigen Sympathie, bei allen Gemeinsamkeiten, beide sind Jahrgang 1961, beide sind Arbeiterkinder, beide überzeugte Europäer, kommt es am Sonntag – das sagen alle Umfragen – zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen: SPD gegen CDU, Frau gegen Mann, Kraft, das Kind des Ruhrgebiets, gegen Laschet, den Rheinländer. Und dass es so eng wird, kann Laschet schon einmal als Erfolg verbuchen:
    "Mein Gefühl ist, wir sind als CDU zusammengewachsen. Selbst, wenn es mal schwierig und hart wird, steht man zusammen. Und ich sage ihnen: Ich bin dazu bereit. Ich will Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen werden."
    Armin Laschet - ein politischer Werdegang mit Höhen und Tiefen
    Der Beifall der oft zerstrittenen NRW-CDU ist hart erkämpft. Mehrfach musste sich Laschet, studierter Jurist, Vater von drei Kindern, politisch hinten anstellen: Nach einer Legislaturperiode im Bundestag verliert Laschet 1998 sein Mandat an die SPD, arbeitet dann sechs Jahre lang als Europa-Abgeordneter in Brüssel, bevor er 2005 als Landesminister unter anderem für Integration nach NRW kommt. "Türken-Armin", so sein damaliger, abfälliger Spitzname in der CDU. Nach der Wahlniederlage wird er erst über Umweg 2012 Landesvorsitzender, ein Jahr später Fraktionschef in NRW.
    Kraft - amtsmüde?
    "So ein Ergebnis haut mich wirklich um, danke."
    Kann dagegen Kraft sagen. Mit 100 Prozent wurde die Mutter eines Sohnes zur Spitzenkandidatin gekürt, als Parteichefin erhielt sie regelmäßig Ergebnisse im Bereich der oberen 90er-Prozentzahlen, obwohl sie erst im Alter von 35 Jahren in die SPD eintrat und sieben Jahre später schon NRW-Europaministerin wurde:
    "Es ist so klasse, mit Euch zusammenzuarbeiten. Und ich möchte das in jedem Fall weiter."
    Seit 2010 regiert sie das Land. Erst in einer Minderheitsregierung, dann – ab 2012 – mit Rot-Grün. Nie, nie, nie, werde sie nach Berlin gehen, hatte sie den Genossen an Rhein und Ruhr damals versichert – und galt, medial, auf einmal als ambitionslos. Doch die vielfach beschriebene Amtsmüdigkeit inmitten dieser Legislaturperiode, die gereizte Stimmung, auch und gerade nach der Kölner Silvesternacht, oder die Auseinandersetzungen im Landtag…
    "Sie haben gesagt, der Arbeitsmarkt ist schlechter geworden. Geben Sie Daten und Fakten und dann kann man sich darüber auseinandersetzen und nicht auf so eine Bla-Bla-Ebene…"
    … sind im Wahlkampf wie weggeblasen.
    "…bin überrascht, welche Fragen so kommen."
    "Ich möchte nur eine Unterschrift von Ihnen und ein Foto mit Ihnen."
    "Wunderbar, wer macht denn das Foto?"
    "Mein Mann."
    "Wo ist er denn?"
    "Da vorne."
    "Er guckt so angespannt, ich weiß nicht, ob das klappt."
    "Och, der kennt das."
    Kraft oder Laschet, SPD oder CDU. Das ist die Frage am Sonntag, hat Strahlkraft für den Bund. Doch letztendlich könnte es in NRW auch eine Große Koalition geben, dann könnte es heißen: Kraft und Laschet.
    "Wenn man was bespricht, gilt das auch."
    "Also, wir können miteinander gut einen Kaffee trinken."
    Wirklich gewünscht ist das aber nicht für den Ausgang dieses Duells.