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NRW-Wirtschaftsminister: Opel soll Beschäftigungsgarantie geben

Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin hat vom Opel-Mutterkonzern General Motors eine Beschäftigungsgarantie für die Arbeiter am Standort Bochum gefordert. Niemand dürfe in die Arbeitslosigkeit gehen, auch nicht nach 2016, sagte der SPD-Politiker.

Garrelt Duin im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 11.12.2012
    Tobias Armbrüster: Schönen guten Morgen, Herr Duin!

    Garrelt Duin: Schönen guten Morgen, Herr Armbrüster!

    Armbrüster: Herr Duin, mit dieser Entscheidung gestern, ist der Opel-Standort in Bochum damit endgültig am Ende?

    Duin: Davon gehe ich nicht aus. Wir haben die Meldungen natürlich gehört, dass keine Autos mehr produziert werden sollen, aber gleichwohl die Option da ist, Teile zu produzieren. Und wir wollen alles dafür tun, dass wir diese Arbeitsplätze dort an dem Standort erhalten. Unsere Forderung ist ganz klar: Niemand von den Beschäftigten darf in die Arbeitslosigkeit gehen, auch nicht nach 2016.

    Armbrüster: Was kann die Regierung in Nordrhein-Westfalen denn tun?

    Duin: Wir sind dabei, einen Prozess aufzusetzen, der mit der Stadt gemeinsam und dem Unternehmen – das Unternehmen muss dabei in der Verantwortung bleiben – dafür sorgt, dass auf den Flächen, die in Bochum zur Verfügung stehen, auch auf dem Werksgelände zur Verfügung stehen, sich neue Unternehmen ansiedeln, damit dort eine wirkliche Perspektive auch für industrielle Produktion und Beschäftigung entstehen kann. Ich bin in Gesprächen mit vielen auch hochrangigen Vertretern aus der Wirtschaft aus der Region, um das zu machen. Aber was bisher fehlt, ist ein klares Bekenntnis von GM, in diesen Prozess auch wirklich verlässlich mit einzusteigen.

    Armbrüster: Wie viel Geld können Sie denn da in die Hand nehmen?

    Duin: Wir wollen gar kein Geld in die Hand nehmen, sondern Opel muss das Geld in die Hand nehmen. Opel kann sich aussuchen, ob sie einen sehr teueren Sozialplan machen oder ob sie uns dabei helfen, solche Industrieansiedlungen zu realisieren. Aber dann müssen sie zum Beispiel mit den Flächen in eine solche gemeinsame Gesellschaft auch hineingehen, dann hat das Ganze Hand und Fuß. Zu diesem Bekenntnis ist es bisher nicht wirklich gekommen. Es gibt Absichtserklärungen, aber auf das finale Ja-Sagen warten wir noch.

    Armbrüster: Sind Sie da denn in ständigem Kontakt mit Rüsselsheim und mit der Konzernzentrale in Detroit?

    Duin: Wir sind in ständigem Kontakt, in der Tat. Es hat Gespräche mit den Managern aus Detroit gegeben, ich bin selbst in Rüsselsheim gewesen. Wir sind vor allen Dingen in enger Abstimmung auch mit der Gewerkschaft, mit der IG Metall, mit dem Betriebsrat, auch dem Gesamtbetriebsrat, weil eben wir das gemeinsame Interesse daran haben, dass niemand in die Arbeitslosigkeit entlassen werden darf. Bochum ist eine so gebeutelte Stadt – ich sage noch mal das Stichwort Nokia -, dass sich so etwas nicht wiederholen darf und wir eine klare Perspektive geben müssen. Wir haben in Nordrhein-Westfalen Tausende von Zulieferern, die auch natürlich davon abhängig sind, dass es künftig weiter Produktion gibt. Und wenn dann dort eben keine Autos, aber dann vielleicht Motoren und Getriebe hergestellt werden können, so ist das zwar nicht optimal, aber immerhin eine Perspektive für die Menschen.

    Armbrüster: Sie haben das Stichwort Nokia genannt. Erst Nokia, jetzt Opel. Zeigt sich hier, dass der Strukturwandel im Ruhrgebiet nicht richtig funktioniert?

    Duin: Bochum ist die Geschichte, die den Strukturwandel, den ersten überhaupt, möglich gemacht hat. Es waren damals bis zu 20.000 Menschen dort beschäftigt, die vorher im Bergbau tätig waren. Das ist ja ein Ergebnis dieses Strukturwandels gewesen. Jetzt muss es sozusagen eine neue Etappe geben. Die Automobilwirtschaft insgesamt ist in einer europaweiten, ja fast weltweiten Krise. Deswegen muss man auch hier nach Alternativen suchen. Aber meine Gespräche, die ich bisher geführt habe, zeigen, dass es in der ganzen Region ein klares Selbstverständnis davon gibt, hier wirklich anzupacken. Und die Bereitschaft auch aus anderen Unternehmen heraus, hier zu helfen, ist gigantisch. Wenn das klare Bekenntnis von Opel zu dieser Perspektive kommt, dann können wir da etwas schaffen.

    Armbrüster: Man kann ja, wenn man sich diesen Konzern General Motors ansieht, durchaus den Eindruck haben, dass die Opel-Mutter ihre deutsche Tochter sozusagen am ausgestreckten Arm verhungern lässt. GM verbietet Opel den Verkauf von Autos in Asien. Können Sie so etwas nachvollziehen?

    Duin: Nein, das ist eine Strategie, die habe ich schon vor Jahren nicht verstanden, warum man natürlich Chevrolets hier anbietet, aber umgekehrt den Opel nicht in aller Welt kaufen kann. Damit ist immer ein Klotz am Bein in der gesamten Strategie gewesen. Dann kommen hinzu ständige Personalwechsel. Ich weiß nicht, mit wie vielen Vorstandsvorsitzenden und Mitgliedern des Vorstandes man dort in den letzten Jahren schon geredet hat. Das ist keine vernünftige Geschäftspolitik und unterscheidet sich leider auch dramatisch von dem Vorgehen in anderen Automobilkonzernen. Deswegen ist das auch ein eigenes Versagen im Management. Und wir erleben immer wieder, dass Entscheidungen dann am Ende gar nicht in Rüsselsheim getroffen werden können, sondern alles aus Detroit gesteuert wird. Und denen ist Bochum natürlich völlig egal. Die wissen wahrscheinlich nicht mal, wo das ist, und haben überhaupt keinen Blick dafür, welche Historie – wir feiern diese Woche, in der nächsten Woche am Samstag, das 50-jährige Bestehen dieses Werkes. Das scheint dort alles überhaupt gar keine Rolle zu spielen.

    Armbrüster: Wenn Sie im Gespräch sind mit den Managern in Detroit, was kriegen Sie denn von denen zu hören?

    Duin: Viele nackte Zahlen und wenig Verständnis dafür, dass man anders als in Amerika nicht einfach so einen Standort schließen kann. Das kann man in Amerika möglicherweise machen. Hier würden dadurch riesige Verpflichtungen ja auch auf das Unternehmen zukommen – Stichwort Sozialpläne und solche Dinge -, das haben die überhaupt nicht im Blick, sondern die gucken sich nur an, wo kann ich ein Werk schließen, wo bietet sich das gerade an von den Zahlen. Und selbst da machen sie noch Fehler, denn Bochum ist ein sehr ausgelastetes Werk mit hervorragenden Produkten, die sich ja auch gut verkaufen. Der Zafira ist nun wirklich eher ein Flaggschiff der Marke, als dass es hinterhertröpfelt. Und deswegen ist es eben so unverständlich, dass dort in Detroit eine solche Entscheidung so auch kalt vorbereitet wurde.

    Armbrüster: Ein Sprecher der Bundesregierung, Herr Duin, hat gestern gesagt, auch das Land Nordrhein-Westfalen und die Stadt Bochum müssten jetzt ausloten, welche Möglichkeiten es für die Beschäftigten gebe. Was sagen Sie denn der Bundeskanzlerin, welche Möglichkeiten sehen Sie?

    Duin: Also die Bundesregierung macht es sich natürlich leicht, wenn sie die Verantwortung auf andere versucht zu schieben. Aber wir brauchen solche Ratschläge nicht, wir arbeiten seit Monaten sehr intensiv mit der Stadt und dem Unternehmen daran, eine solche Perspektive zu entwickeln. Wir können nicht ein Gesetz machen oder ganz viel Geld in die Hand nehmen, um das zu machen. Das Geld muss von Opel kommen. Die sind in der Verantwortung, die müssen dafür sorgen, dass die Menschen nicht in die Arbeitslosigkeit kommen, sondern eine Perspektive auch in industrieller Beschäftigung weiter haben.

    Armbrüster: Aber, Herr Duin, viele unserer Hörer werden sich jetzt daran erinnern, dass vor vier Jahren schon mal alles in Bewegung gesetzt wurde, da waren auch nächtliche Verhandlungsrunden in Berlin dabei, nur um Opel zu retten. Warum jetzt nicht?

    Duin: Das war eine andere Situation, da ging es ja um den Verkauf, um das Ausgliedern von Opel. Da ging es darum, ob man staatliche Bürgschaften geben muss für die Finanzierung durch Kredite. Das ist heute ganz anders. Hier geht es nicht um Bürgschaften oder Kredite, sondern hier geht es darum, dass neue Unternehmen sich in der Stadt ansiedeln. Und da braucht man in der Tat keine Bundesregierung für, sondern das kann man hier vor Ort machen, wenn die Region zusammensteht und Opel seiner Verantwortung nachkommt.

    Armbrüster: Was können das denn eigentlich für Unternehmen sein, die da kommen sollen?

    Duin: Wenn Opel sich entschließt, zum Beispiel Motoren und Getriebe in Bochum fertigen zu lassen, dann können das wiederum andere Zulieferer sein. Von denen gibt es in Nordrhein-Westfalen eine ganze Reihe. Es geht ja auch um das Thema Warenverteilzentrum, also können auch Unternehmen aus der Logistikbranche sich dort ansiedeln. Dort gibt es auch erste Interessensbekundungen, weil wir dort viel freie Fläche haben in Bochum auf dem alten Werksgelände. Und insofern bin ich dort optimistisch, dass wir diese vier Jahre auch wirklich intensiv nutzen, wenn wir die nötigen finanziellen Mittel durch das Unternehmen dafür bekommen.

    Armbrüster: Wie wollen Sie diesen interessierten, diesen möglicherweise interessierten Unternehmen denn entgegen kommmen?

    Duin: Indem wir auch einen Arbeitskreis - das klingt immer so lächerlich, wenn man sagt, einen Arbeitskreis -, indem wir eine Arbeitsgruppe bilden mit sehr prominenten erfahrenen Managern aus dem Land, die nicht von Opel kommen, die aber wissen, wo Unternehmen sind aus der Zulieferer-, aus der Logistikbranche, die nach so etwas suchen und die dann zusammengeführt werden, um ein gemeinsames Konzept zu entwickeln. Wir sind dort eigentlich in den Gesprächen schon sehr weit. Was fehlt ist das Bekenntnis von Opel.

    Armbrüster: Das klingt jetzt alles, Herr Duin, nach einem Politiker, der viel versprechen will, aber vor allem kein Geld in die Hand nehmen will.

    Duin: ..., weil wir weder durch Geld, noch durch irgendeine gesetzliche Maßnahme diese Entscheidung in der Konzernzentrale in Detroit verändern können. Was wir aber machen können ist, von morgens bis abends in enger Abstimmung auch mit der IG Metall, mit dem Betriebsrat uns darum zu kümmern, dass eben niemand arbeitslos wird. Und das tun wir.

    Armbrüster: Herr Duin, zum Schluss eine ganz kurze andere Frage. Der Essener Stahlkonzern Thyssen-Krupp hat einen Milliardenverlust für das vergangene Jahr gemeldet. Entsteht da ein weiterer Krisenherd in der Wirtschaft in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen konkret?

    Duin: Durch diese Zahlen alleine sicher noch nicht. Wir wissen ja alle, dass der Konzern gerade auch radikale personelle Veränderungen vorgenommen hat, also aufräumen will mit den Fehlern der Vergangenheit. Wir haben aber in der Stahlbranche schon jetzt Kurzarbeit und es ist ein gutes Signal, dass die Kurzarbeit auch verlängert wird auf zwölf Monate, vielleicht brauchen wir sogar noch mehr, damit auch dort die Menschen nicht vor die Tür gesetzt werden müssen. Aber ich habe Vertrauen in Dr. Hiesinger, den Vorstandsvorsitzenden, dass er auch seiner sozialen Verantwortung gerecht wird und dort es eben nicht zu jetzt Entlassungen kommt, sondern dass das Unternehmen sich auf einen neuen Weg macht, um mit den Produkten auf dem Weltmarkt erfolgreich zu sein.

    Armbrüster: ..., sagt Garrelt Duin (SPD), der Wirtschaftsminister in Nordrhein-Westfalen. Besten Dank, Herr Duin, für das Gespräch.

    Duin: Vielen Dank.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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