Ein Besuch bei Philomena Franz in Bergisch-Gladbach. 91 Jahre ist sie alt, doch sie wirkt jünger. Mit federndem Schritt läuft sie durch die Wohnung, der Blick ist wach, die pechschwarzen Haare hat sie sorgfältig im Nacken zusammengebunden. In ihrem Wohnzimmer setzt sie sich an einen kleinen runden Tisch, streicht mit der Hand über die Spitzendecke und erzählt ihre Geschichte. Wie das damals war, als die SS-Männer vor der Tür standen. Über 70 Jahre ist das jetzt her. Es war der 27. März 1943.
"Als sie mich abgeholt haben, dann hab ich zu meiner Mutter gesagt, Mama, pass auf Dich auf. Dann hab ich ihr alles schön hergerichtet, hab ich gesagt Mama, da hast Du Dein Frühstück, hab ihr noch Brote gemacht, und dann hab ich gesagt, ich hab Dir Essen vorgekocht und das steht auf dem Ofen. Jedenfalls sagt meine Mutter, wir werden alle sterben. Die holen uns alle ab. Und dort, wo sie uns hinbringen, da ist Garaus, mein Kind. Und dann habe ich meine Mutter noch mal in den Arm genommen, hab sie gedrückt und hab gesagt, sollte etwas dazwischen kommen, man weiß ja nie, dann wünsche ich Dir alles Gute, Mama."
Sie wird ihre Mutter nicht wiedersehen. Den Vater auch nicht. Tanten und Onkel, Nichten und Neffen, fünf Geschwister – sie alle werden von den Nazis ermordet. Vergast, erschlagen, verbrannt, zu Tode drangsaliert. Sie selbst, die als 21-Jährige nach Auschwitz-Birkenau kam, überlebt, wie durch ein Wunder, übersteht Folter und Zwangsarbeit, entgeht der Gaskammer, schaufelt in Auschwitz die Asche der Ermordeten. Sie sieht es noch immer vor ihrem inneren Auge.
"Ach wissen Sie, da braucht man sich nicht zu erinnern. Dass man sagt: Jetzt muss ich mich mal erinnern, was da und da war. Das ist und bleibt. Verstehen Sie, es war abgrundtief, das Asozialste, was ein Volk imstande war. Das hat Deutschland gemacht."
Auf ihrem linken Unterarm schimmert bläulich-grün ihre Häftlingsnummer: Z 10550. Das Z steht für Zigeuner: Philomena Franz stammt aus einer Sinti-Familie. Es sei eine wohlhabende Musiker-Familie gewesen, mit einem großen Haus in Stuttgart, erzählt Philomena Franz. Nichts davon blieb. Nach dem Krieg heiratete sie und bekam fünf Kinder. Um ihre Entschädigung musste sie in der jungen Bundesrepublik lange kämpfen. Und noch etwas hat sie schon damals wütend gemacht: dass viele NS-Verbrecher und auch ihre willigen Helfershelfer, die die große Mordmaschinerie am Laufen hielten, nie zur Rechenschaft gezogen wurden.
"Denn das, was damals geschehen ist, das ist in der ganzen Menschheitsgeschichte noch nicht geschehen. Dass Menschen wie im industriellen Verfahren verbrannt werden. Ich bin jetzt ein bisschen aufgeregt, da kann ich nicht so gut artikulieren. Aber das regt mich dann auf. Und dann denke ich immer, viele standen ja unter Zwang, aber viele haben ja auch mitgemacht."
Staatsanwälte prüfen mögliche Anklage gegen mutmaßliche NS-Verbrecher
Einige von denen, die damals mitgemacht haben, die sich am Massenmord beteiligt haben, müssen sich möglicherweise bald vor Gericht verantworten: Staatsanwälte in ganz Deutschland prüfen, ob sie in einigen neuen Fällen noch Anklage gegen mutmaßliche NS-Verbrecher erheben. Es handelt sich um Frauen und Männer, die als Aufseher im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau eingesetzt waren, wo zwischen 1941 und 1945 mehr als eine Million Menschen ermordet wurden. Die Verbrechen sind rund 70 Jahre her, doch Mord verjährt nicht. Recherchiert wurden die neuen Fälle im schwäbischen Ludwigsburg.
Schorndorfer Straße 58, ein Altbau hinter hohen Mauern: Ganz früher war das ein Frauengefängnis. Seit 1958 hat hier die "Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen" ihren Sitz; im Behördendeutsch heißt sie nur "Zentrale Stelle".
Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen
Die Ludwigsburger Beamten tragen Informationen über nationalsozialistische Verbrechen und mutmaßliche Täter zusammen. Die Ergebnisse ihrer Vorermittlungen geben sie dann an die örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften – mit dem Ziel, auch heute noch, fast 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, möglichst viele NS-Täter vor Gericht zu bringen und Verbrechen aufzuklären. Seit ihrer Gründung vor 55 Jahren hat die Zentrale Stelle etwa 7500 Vorermittlungssachen an Staatsanwaltschaften weitergeleitet. Den Raum zur Zentralkartei betritt Behördenleiter Kurt Schrimm durch eine schwere Panzertüre.
Diese Sicherheitsvorkehrungen seien heute eigentlich nicht mehr notwendig. Früher aber habe es durchaus Leute gegeben, die dieses Archiv mit Informationen über Personen und Tatorte gerne vernichtet hätten.
"Hier stehen Sie im Herzstück unserer Behörde. Hier sind circa 1,7 Millionen Karteikarten, wir ermitteln ja nicht nur selbst, sondern wir verstehen uns auch als Dienstleister für die Staatsanwaltschaften. Also ohne diese Karteikarten wären wir hilflos."
Seit 13 Jahren leitet der Oberstaatsanwalt Kurt Schrimm die Zentrale Stelle in Ludwigsburg. Dass er und seine Kollegen in den Medien manchmal als Nazi-Jäger bezeichnet werden, hört er nicht gern:
"Zum einen jagen wir nicht. Das klingt so nach Sport, nach Halali, das tun wir nicht. Wir ermitteln, wir klären Sachverhalte auf und suchen Tatverdächtige. Und das zweite ist auch falsch. Wir suchen keine Nazis. Es ist uns völlig egal, ob die Männer oder Frauen damals Nazis waren, ob sie der Partei angehörten, ob sie der SS angehörten. Wir suchen Mörder."
Und vielleicht haben sie jetzt wieder welche gefunden:
"Es waren ursprünglich 49 Fälle, die von uns ermittelt wurden. Es handelt sich dabei ausschließlich um Aufseher oder Aufseherinnen des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz. Von 49 sind zwischenzeitlich neun verstorben, zwei konnten nicht weiter ermittelt werden, etliche leben im Ausland."
30 Fälle waren es schließlich, mit denen die Zentrale Stelle im September für Schlagzeilen sorgte und die sie vor einigen Wochen an die zuständigen Staatsanwaltschaften in den Bundesländern abgegeben hat. Mindestens eine verdächtige Person ist mittlerweile ebenfalls gestorben. In den übrigen Fällen müssen die Staatsanwälte nun prüfen, ob der Anfangsverdacht ausreicht, ob weitere Ermittlungen nötig sind und ob sie Anklage erheben werden wegen Beihilfe zum Mord. Fast 70 Jahre nach dem Holocaust und 50 Jahre nach dem ersten großen Auschwitz-Prozess in Frankfurt am Main könnte es also bald eine Reihe neuer Prozesse geben. Es stellt sich allerdings die Frage: Warum erst jetzt? Immerhin sind alle Verdächtigen mittlerweile über 90 Jahre alt – das macht Gerichtsverfahren und Verurteilungen mitunter schwierig bis unmöglich.
Über Jahrzehnte war auch die Rechtsprechung in der Bundesrepublik ein Hindernis für die Verfolgung von NS-Verbrechern
Es gibt vielfältige Gründe für diese Verzögerung. Der einfachste: Manch ein Name konnte erst in den letzten Jahren recherchiert werden, nachdem Archive etwa in Russland, Weißrussland und der Ukraine für deutsche Juristen zugänglich wurden. Doch auch die Rechtsprechung in der Bundesrepublik war über Jahrzehnte hinweg ein Hindernis für die Verfolgung von NS-Verbrechern.
"Es wurde seit Jahrzehnten in Sachen Auschwitz nicht weiter ermittelt, weil die deutschen Staatsanwälte davon ausgingen, dass der Komplex Auschwitz abgeschlossen sei."
Denn der Bundesgerichtshof hatte in den 60er-Jahren entschieden, dass die bloße Anwesenheit als Aufseher in einem Konzentrationslager für eine Verurteilung nicht ausreicht, sondern dass eine konkrete Tatbeteiligung nachgewiesen werden muss. Jahrzehntelang hielt sich die deutsche Justiz an diese Rechtsauffassung und ließ unzählige KZ-Aufseher ungestraft davonkommen. Es habe auch am politischen Willen gefehlt, diese mutmaßlichen Täter zu verfolgen, sagt Helmut König, Professor für Politikwissenschaft an der Hochschule Aachen. Sein Fachgebiet: Vergangenheitsbewältigung.
"Im Blick auf die strafrechtliche Aufarbeitung dieser Verbrechen hat es eben in der Bundesrepublik diese Versäumnisse gegeben, weil die Juristen und weil die politischen Instanzen sich vor dem Thema gedrückt haben, auch deswegen, weil das emotional eine enorm aufwühlende Sache ist, weil es den eigenen Stand betrifft, weil es in unendlich vielen Familien die eigenen Väter, die eigenen Elterngenerationen betrifft. Gerade bei den Juristen ist es ja so, dass wir wissen, sie sind zutiefst, auch als Stand, in das NS-Verbrechersystem integriert gewesen, und haben da skandalös reibungslos funktioniert."
Verurteilung des gebürtigen Ukrainers John Demjanjuk wegen Beihilfe zum Mord
Dann aber passierte etwas, was es in der Geschichte der bundesdeutschen Justiz zuvor noch nicht gegeben hatte.
12. Mai 2011. Das Landgericht München verurteilt den gebürtigen Ukrainer John Demjanjuk wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 28.060 Fällen zu fünf Jahren Haft. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass Demjanjuk als Wachmann im Vernichtungslager Sobibor im südöstlichen Polen war. Eine individuelle Tatbeteiligung kann ihm nicht nachgewiesen werden. Doch den Richtern reicht seine bloße Anwesenheit in Sobibor für das Urteil aus – und sie weichen damit ab von der bis dahin üblichen deutschen Rechtspraxis. Strafbar war für sie bereits die sogenannte funktionelle Täterschaft, da Demjanjuk als Hilfswilliger der SS „Teil der Vernichtungsmaschinerie“ gewesen sei. Helmut König:
"Und diese Maschine insgesamt war darauf aus – ich sage das so zynisch – Leichen zu erzeugen. Und sie war angewiesen darauf, dass eine unendliche Fülle von Rädchen in solchen Lagern sich beteiligten und funktionierten. Und vor Gericht wird nun – mit diesem Argument der funktionellen Täterschaft - jedes einzelne Rädchen in ein Subjekt verwandelt, das verantwortlich ist für das, was es getan hat. Und dann ist eben auch ein Wächter, ein Wärter oder ein Koch in einem Lager Teil dieser Maschine und deshalb verantwortlich für das, was insgesamt in dieser Maschine als Vernichtung herausgekommen ist."
Historiker und Juristen unterscheiden allerdings reine Vernichtungslager wie Sobibor, Treblinka oder Belzec von Konzentrationslagern wie Auschwitz, das sowohl Arbeits- als auch Vernichtungslager war. In den neu recherchierten Fällen, bei denen es allesamt um Auschwitz-Birkenau geht, dürften Anklagen und eventuelle spätere Urteile also möglicherweise schwieriger zu begründen sein. Hinzu kommt der sogenannte Befehlsnotstand, auf den sich angeklagte NS-Verbrecher und insbesondere KZ-Aufseher in der Vergangenheit immer wieder berufen haben. In ihrer Zwangslage hätten sie – so das Argument – gar nicht anders handeln können, ohne ihr eigenes Leben zu gefährden. Kurt Schrimm von der Zentralen Stelle in Ludwigsburg:
"Das ist eine heikle Frage und das beschäftigt die Gerichte immer wieder seit 50 Jahren. Hier in der Behörde wurden langwierige Untersuchungen durchgeführt, und es wurde kein einziger Fall festgestellt, dass ein Aufseher oder ein Befehlsempfänger sein Leben verloren hätte, weil er sich geweigert hat, einen Häftling zu erschießen oder in die Gaskammer zu bringen. Zweifellos hätte er Nachteile erlitten, das ist ganz klar. Er wäre vielleicht von dem relativ ruhigen Posten im Lager möglicherweise an die Front geschickt worden. Also er hätte sicherlich Nachteile erlitten."
Nachteile, die ein Beschuldigter nach Auffassung des Oberstaatsanwalts und vieler anderer Juristen aber hätte in Kauf nehmen können, sogar müssen, um sich nicht am Mord zu beteiligen. So sieht es im Mai 2011 auch das Münchner Landgericht, das John Demjanjuk verurteilt: Es lässt den Befehlsnotstand nicht gelten und bewertet allein die funktionelle Täterschaft schon als strafbar. Für die Ermittler in Ludwigsburg war das Urteil gegen John Demjanjuk ein Ansporn, noch einmal zu prüfen, ob nach dieser neuen Rechtsauffassung weitere ehemalige KZ-Aufseher angeklagt werden können. Das Urteil gegen John Demjanjuk wurde allerdings nie rechtskräftig, weil er vor dem Revisionsverfahren starb. Sollte es bei einigen der neu ermittelten Fälle nun also zu Prozessen kommen, bleibt ungewiss, ob sich die Rechtsauffassung der Münchner Richter durchsetzen wird.
Kritik am Vorhaben, noch heute NS-Verbrecher vor Gericht zu bringen
Ohnehin gibt es auch Kritik an dem Vorhaben, noch heute NS-Verbrecher vor Gericht zu bringen. Der Historiker Michael Wolffsohn, selbst Sohn und Enkel jüdischer Holocaust-Überlebender, spricht gar von – Zitat - Alibi-Veranstaltungen:
"Ich halte das für töricht, es ist reiner Aktionismus, in den man sich hat drängen lassen, um gute Gesinnung zu zeigen."
Wolffsohn befürchtet einen Märtyrer-Effekt: Die greisen Männer und Frauen, die da angeklagt werden sollen, würden in der Öffentlichkeit Mitleid erregen. So sei es auch bei John Demjanjuk gewesen, der die meiste Zeit im Gerichtssaal vor sich hin dämmernd auf einem Krankenbett verbrachte.
"Ich fürchte, dass viele Juristen nicht über ihren Tellerrand hinaussehen, auch viele Politiker, auch viele Wissenschaftler nicht. Weil viele das Gefühl haben, Mensch Meier, da müssen wir doch endlich nach so vielen Jahrzehnten etwas machen. Stimmt. Aber jetzt ist es zu spät, und es ist die falsche Vorgehensweise. Hier schafft man Mitleidseffekte mit Verbrechern, und um Gottes Willen, bitte macht das nicht!"
"Mord verjährt nicht"
Andreas Brendel hat für diese Argumentation nichts übrig. Der Jurist leitet die Zentralstelle für die Bearbeitung nationalsozialistischer Massenverbrechen bei der Staatsanwaltschaft in Dortmund. Nordrhein-Westfalen ist das einzige Bundesland, das sich eine auf NS-Verbrechen spezialisierte Schwerpunktstaatsanwaltschaft leistet. Andreas Brendel ist für drei der in Ludwigsburg vorermittelten Fälle zuständig, weil die Personen in Nordrhein-Westfalen leben. Brendel hat bereits Ermittlungsverfahren eingeleitet. Natürlich wird geprüft, ob die Verdächtigen überhaupt vernehmungsfähig sind. Das Alter allerdings darf generell keine Rolle spielen. Denn: Es gilt das Legalitätsprinzip. Das heißt: Wenn es einen begründeten Verdacht für eine Straftat gibt, dann muss ermittelt werden. Alles andere wäre Rechtsbeugung.
"Der nächste Aspekt ist: Mord verjährt nicht. Und daher bin ich auch 70 Jahre nach Kriegsende als Staatsanwalt noch verpflichtet, diesen Dingen nachzugehen."
Doch Brendel sieht nicht nur die juristische Pflicht, sondern auch eine moralische Verantwortung:
"Man muss sich immer die Frage stellen: Wie denken denn eigentlich die Angehörigen der Opfer? Was denken die denn eigentlich darüber, wenn die Strafverfolgungsbehörden sagen, pah, 70 Jahre nach Kriegsende, wir machen dann einfach nichts mehr. Ich glaube schon, wir sind es den Angehörigen der Opfer und auch den Überlebenden und vielleicht auch den Getöteten schuldig, dass wir die Täter, diejenigen die sich schuldig gemacht haben des Mordes, auch noch weiterhin verfolgen."
Ein Wettlauf gegen die Zeit
Das allerdings ist ein Wettlauf gegen die Zeit, weil manche der ermittelten KZ-Aufseher möglicherweise nicht mehr vernehmungs- oder verhandlungsfähig sind. So war es kürzlich auch bei Hans Lipschis, der im Mai dieses Jahres verhaftet wurde. Ihm wird Beihilfe zum Mord in 9000 Fällen vorgeworfen. Auch Lipschis war Aufseher in Auschwitz-Birkenau. Die Zentrale Stelle hatte ihre Vorermittlungen in seinem Fall in den 80er-Jahren zunächst eingestellt – weil man der Ansicht war, für ein Verfahren würde seine Anwesenheit in Auschwitz nicht reichen. Heute sieht man es anders. Doch jetzt gilt Lipschis als dement und verhandlungsunfähig; im Dezember wurde der 94-Jährige aus der Untersuchungshaft entlassen. Kurt Schrimm, Leiter der Zentralen Stelle in Ludwigsburg, hofft bei den neuen Fällen trotzdem noch auf Anklagen und Urteile:
"Jeder, der seinen Beruf mit Engagement ausübt, sieht am Ende gern einen Erfolg. Und ein Erfolg ist bei einer Strafverfolgung eben ein Urteil. Aber wir sehen einen Erfolg unserer Arbeit auch schon darin, wenn wir sagen können, wir haben aus unserer Sicht einen Fall aufgeklärt, was ist geschehen? Und wir haben einen Tatverdächtigen ermittelt."
Auch der Politikwissenschaftler Helmut König hält die juristische Aufarbeitung der NS-Verbrechen für einen wichtigen Teil der Vergangenheitsbewältigung:
"Das ist deshalb ein so zentrales Element, weil hier klar gemacht wird, dass Unrecht, das im Namen des damals gültigen Rechts und Gesetzes begangen worden ist, trotzdem vor Gericht geahndet werden kann. Dass man also so etwas wie staatlich befohlenes Unrecht dennoch vor Gericht ahnden kann und bestrafen kann und diese Täter hinter die Gitter bringen kann. Aber wir wissen, dass über kurz oder lang es keine Möglichkeit mehr geben wird, Täter vor Gericht zu stellen, einfach weil sie nicht mehr leben."
Doch so lange sie leben, sollten sie gesucht und auch verurteilt werden für das, was sie getan haben. So sieht es auch die Auschwitz-Überlebende Philomena Franz. Dass diejenigen, die möglicherweise bald angeklagt werden, schon über 90 sind, spielt für sie keine Rolle:
"Sehen Sie, ich bin 91. Ich kann mich auch noch gut erinnern. Und das können die ganz bestimmt auch, an ihre Taten, die sie begangen haben, an die Menschen, an das Unrecht, da können sie sich bestimmt auch noch dran erinnern."