Archiv

NSA-Untersuchungsausschuss
"Snowden als Zeugen laden"

Ein Dreivierteljahr nach Beginn der Affäre nimmt der NSA-Untersuchungsausschuss im Bundestag nun seine Arbeit auf. "Wir werden beantragen, dass Snowden als Zeuge geladen wird", sagte der Grünen-Netzpolitiker Konstantin von Notz im Deutschlandfunk. Er hob die Bedeutung des Gremiums hervor.

Konstantin von Notz im Gespräch mit Peter Kapern |
    Der Grünen-Innenexperte Konstantin von Notz spricht am 19.02.2014 mit Journalisten.
    Snwoden soll in Berlin aussagen, fordert der Grünen-Innenexperte Konstantin von Notz (picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Peter Kapern: Selten ist ein Untersuchungsausschuss schon vor seiner ersten Sitzung mit so viel Skepsis betrachtet worden wie derjenige, der ab heute die Spionage ausländischer Geheimdienste in Deutschland unter die Lupe nehmen soll. Es geht um das Treiben der NSA und des britischen Geheimdienstes GCHQ hierzulande. Die Telefone von Angela Merkel und Gerhard Schröder sind abgehört worden, Millionen von E-Mails und Internet-Verbindungen ganz normaler Bürger wurden ausgespäht. Das haben die Enthüllungen des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden deutlich gemacht. Bislang sind aber alle Versuche der Bundesregierung gescheitert, von Washington oder London irgendwelche substanziellen Auskünfte über die Spionage gegen Deutschland zu erhalten. Das begründet die Skepsis, mit der der Untersuchungsausschuss betrachtet wird.
    Mitgehört hat Konstantin von Notz, der Obmann der Grünen im NSA-Ausschuss. Guten Morgen!
    Konstantin von Notz: Guten Morgen, Herr Kapern.
    Kapern: Herr von Notz, am 11. Juni, am 26. August und am 24. Oktober vergangenen Jahres hat die Bundesregierung Fragenkataloge bei der US-Regierung abgeliefert, und sie hat bis heute nicht eine einzige Antwort erhalten. Warum glauben Sie, dass der NSA-Ausschuss angesichts dieser Tatsachen überhaupt wird irgendetwas herausfinden können?
    von Notz: Der Untersuchungsausschuss oder ein Untersuchungsausschuss ist das schärfste Schwert des Parlaments, um etwas parlamentarisch aufklären zu lassen, und deswegen ist das wichtig, dass man unterscheidet zwischen den Bestrebungen, die die Bundesregierung hat oder vorgibt zu haben, und dem Aufklärungsinteresse, das der Deutsche Bundestag selbst hat. Wir können Beweise erheben, Zeugen laden, Gutachten in Auftrag geben, und ich glaube, es gibt hier eine Vielzahl von Möglichkeiten, Informationen zu beschaffen. Natürlich wäre es super, wenn man die Snowden-Unterlagen bekäme. Das wollen wir mal sehen, wie das sich entwickelt. Wir haben ja ein bisschen Zeit. Aber jetzt am Anfang so tief zu stapeln und defätistisch zu sagen, es hätte sowieso alles keinen Sinn, ist die gänzlich falsche Haltung.
    "Eine ziemlich genaue Grundlage"
    Kapern: Aber haben Sie denn überhaupt irgendeine Hoffnung, dass die britische oder die US-Regierung irgendetwas beisteuern wird, irgendetwas beisteuern will zur Aufklärung?
    von Notz: Zunächst mal haben wir ja Informationen. Darüber wird ja seit einem dreiviertel Jahr intensiv berichtet. Nicht ein Papier von Edward Snowden ist bezüglich des Wahrheitsgehalts angegriffen worden, sondern man kann sagen, dass die Dinge so, wie sie dargestellt sind, tatsächlich passieren. Insofern haben wir eine ziemlich genaue Grundlage bezüglich vieler Programme, die schon in der Öffentlichkeit sind. Und dass die Bundesregierung keine Antwort erhält, liegt natürlich auch an dem "blame game", das da gespielt wird. Die Haltung der Kanzlerin gerade während des Wahlkampfs, als diese Geschichte hochkam, war ja, dass Deutschland hier nur armes Opfer ist, die deutschen Dienste sozusagen ganz ahnungslos sind und die Amerikaner ganz, ganz böse.
    Tatsächlich steht aber der Verdacht im Raum, dass es sich hier um eine Form des internationalen Ringtausches von Informationen handelt, dass amerikanische Dienste im Ausland Informationen sammeln, unter anderem in Deutschland, und die dann an deutsche Sicherheitsbehörden weitergeben, und zum Beispiel der BND umgekehrt in anderen Ländern Informationen sammelt, was da gegen die Verfassung verstoßen würde, und dann diese Informationen weitergibt.
    "Ein Kernproblem für unsere Demokratie"
    Kapern: Sind das mehr als Randphänomene dieser NSA-Affäre?
    von Notz: Das ist ein Kernproblem für unsere Demokratie. Wenn so Geheimdienste international kooperieren, dann ist unsere Verfassung nicht das Papier wert, auf dem sie steht, denn dann haben wir letztlich kein Kommunikationsgeheimnis. Dann ist keine E-Mail, kein Telefonat, keine Kommunikation von Ihnen geheim. Dann liest immer jemand mit. Und ich finde, das ist wirklich den Schweiß des Untersuchungsausschusses wert, sich mit diesem Problem ernsthaft auseinanderzusetzen, und die Bundesregierung hat zur Informationsbeschaffung ja wesentliche Instrumente auch liegen lassen. Man hat ja nicht gedroht, Safe Harbor zu kündigen, den internationalen Datenaustausch, oder irgendwie deutlich gemacht, dass einem das tatsächlich wichtig ist. Man hat Briefe geschrieben, aber klar: das hat zu nichts geführt.
    Kapern: Aber noch mal zurück zur Kooperation deutscher Geheimdienste mit den amerikanischen und den englischen Diensten, die Sie da angedeutet oder belegt haben. Wenn es diese Kooperation, die Sie unterstellen, nicht gegeben hätte, hätte dies doch an der NSA-Affäre erst mal nichts geändert, oder hätte dann die NSA oder der GCHQ, hätten die dann in Deutschland nicht Deutsche ausspioniert?
    von Notz: Ja, das ist die entscheidende Frage. Das kann ich Ihnen nicht beantworten, weil wir nicht wissen, was für genaue Absprachen es gibt. Aber natürlich hat die Haltung der USA und das Schulterzucken und nicht antworten damit zu tun, dass man findet, dass die Deutschen selbstgerecht sind und die falsche Geschichte in der Öffentlichkeit erzählen, und wenn Edward Snowden sagt, die Dienste liegen miteinander im Bett, würde ich sagen, vieles spricht dafür, dass das so ist, und das ist ein Umstand, den wir aufklären wollen.
    Aus der "massenhaften und anlasslosen Überwachungskultur" rauskommen
    Kapern: Der Fraktionsvize der Linken im Bundestag wirft der Bundesregierung in diesem Zusammenhang Komplizenschaft vor. Ist das der treffende Ausdruck auch Ihrer Meinung nach?
    von Notz: Nein. Das finde ich im Grunde zu harsch. Man muss gucken, ob es hier über die Jahre eine immer weitergehende Fehlentwicklung gegeben hat und inwieweit das zu korrigieren ist. Natürlich kann man das nicht nur in einem Land machen, man muss darüber mit Partnerländern sprechen. Und wenn Sie in die USA gucken: Es gibt in den USA eine harsche Debatte darüber, ob diese massenhafte anlasslose Überwachung - und nur um die geht es -, anlasslos und massenhaft die normalen Menschen zu bespitzeln, dass das mit freiheitlichen Rechtsstaaten nicht zu vereinbaren ist. Darüber brauchen wir eine Diskussion und sie wird in den USA geführt und wir müssen sie in Deutschland führen. Dann gibt es Gott sei Dank in Demokratien die Möglichkeit, über Gesetze bestimmte Entwicklungen auch zurückzudrängen, und das muss das Ziel unseres Ausschusses sein, aus dieser massenhaften und anlasslosen Überwachungskultur, die da offensichtlich Einzug gehalten hat, rauszukommen, denn auch Verfassungsdienste, klar: sie arbeiten im geheimen, aber sie müssen sich an Recht und Gesetz und unsere Verfassung halten, und dafür müssen wir als Parlamentarier sorgen.
    Edward Snowdens Lage bleibt weiter unklar.
    Nach dem Willen von Konstantin von Notz soll Edward Snowden in Berlin aussagen. (afp / Wikileaks)
    Kapern: Herr von Notz, muss Edward Snowden vor dem Ausschuss aussagen?
    von Notz: Es wäre sehr, sehr gut, wenn er aussagen würde. Wir werden heute beantragen, dass er aussagt, dass wir ihn als Zeugen laden. Er ist ein wichtiger Zeuge. Er ist nicht der einzige Zeuge, aber sicherlich ein ganz wichtiger. Und es wäre, glaube ich, gut, wenn er nicht mehr in irgendeiner Wohnung in Moskau hocken müsste, sondern wenn er seine Auffassung, seine Meinung hier vor einem Untersuchungsausschuss in Deutschland frei sagen könnte.
    Kapern: Das heißt, er sollte auch in Berlin aussagen?
    von Notz: Das wäre das Allerbeste.
    "So viele Sitzungen wie es geht transparent und öffentlich zu machen"
    Kapern: Ganz kurz noch, Herr von Notz. Die Bundesregierung hat Anfragen abblitzen lassen nach den Inhalten ihrer Anfragen in Washington mit dem Verweis auf das Staatswohl. Ist das etwas, was Sie in Ihrem Ausschuss jetzt regelmäßig zu hören bekommen?
    von Notz: Das wollen wir nicht hoffen und wir haben ja den festen Willen, so viele Sitzungen wie es geht transparent und öffentlich zu machen. Das ist von allen Fraktionen gesagt worden und wir werden sehr darauf gucken, dass es dann alle auch tatsächlich so halten wollen. Aber es besteht natürlich die Möglichkeit, bei bestimmten Fragen - es gibt natürlich Sachverhalte, die mit gutem Argument geheim bleiben sollen. Das kann man immer anbieten. Ansonsten wird man dem Untersuchungsausschuss solche Informationen nicht vorenthalten können, kann ich nur sagen. Wo kommen wir denn da hin, wenn die Bundesregierung noch nicht mal den Inhalt ihrer Anfragen einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss sagt. Ich glaube, in solche Sachverhalte kriegt man auf jeden Fall Transparenz. Und insofern: Natürlich ist der Untersuchungsauftrag eine große Herausforderung. Das ist unbestritten so. Aber ich finde, wenn man sich klar macht, um was es hier im Kern geht, dann ist es das wert, und wir müssen es auf jeden Fall versuchen, diese Probleme, die hier durch Edward Snowden bekannt geworden sind, zurückzudrängen.
    Kapern: Konstantin von Notz, der Obmann der Grünen im NSA-Untersuchungsausschuss, der heute in Berlin seine Arbeit aufnimmt. Herr von Notz, vielen Dank für das Gespräch, schönen Tag noch und auf Wiederhören!
    von Notz: Ich danke Ihnen. Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.