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NSA-Untersuchungsausschuss
"Snowden ist nicht der entscheidende Zeuge"

Die Bundesregierung hat eine Vernehmung von Edward Snowden in Deutschland abgelehnt. Diese Entscheidung müsse der NSA-Untersuchungsausschuss so akzeptieren, sagte der Vorsitzende Patrick Sensburg (CDU) im DLF. Zudem sei Snowden auch nur ein Zeuge und ein Beweismittel unter vielen. Der Ausschuss werde zunächst "intensiv in die Akten-Analyse einsteigen".

Patrick Sensburg im Gespräch mit Bettina Klein |
    Patrick Sensburg (CDU), Vorsitzender des NSA-Untersuchungsausschusses
    "Wir stellen nicht unsere deutschen Dienste infrage", betonte Patrick Sensburg (CDU), Vorsitzender des NSA-Untersuchungsausschusses. (dpa / picture-alliance / Maurizio Gambarini)
    Derzeit bestehe keine Möglichkeit, Edward Snowden im NSA-Untersuchungsausschuss zu vernehmen, sagte Sensburg, da die Bundesregierung ihm keinen Aufenthaltstitel gewähre. Er betonte: "Die Bundesregierung trifft die Entscheidung, nicht das Parlament, nicht der Untersuchungsausschuss."
    Eine Vernehmung schließt er aber für die Zukunft nicht gänzlich aus. Nach der anstehenden "intensiven Akten-Analyse" müsste geschaut werden, ob zu einem späteren Zeitpunkt eine Vernehmung möglich sei, das liege aber auch an Snowden. Neben Snowden gäbe es viele andere Möglichkeiten für den NSA-Untersuchungsausschuss, Beweise zu erheben. Durch ihn sei der Skandal losgetreten worden, aber Snowden sei nicht der entscheidende Zeuge.
    Deutsche Geheimdienste
    Im Zuge der Arbeit des Ausschusses würden auch die deutschen Geheimdienste in den Blick genommen. Der NSU-Untersuchungsausschuss stelle diese, so Sensburg, zwar nicht infrage, aber es sei zu überprüfen, ob der BND im Rahmen seiner gesetzlichen Möglichkeiten handelt.

    Das Interview in voller Länge:
    Bettina Klein: Am Wochenende wurde er mit gleich zwei Preisen ausgezeichnet: Edward Snowden erhielt den Fritz-Bauer-Preis der Humanistischen Union und den eigens für ihn geschaffenen Berliner Preis für Zivilcourage 2014. Gleichzeitig wurde bekannt, dass Snowden nicht damit einverstanden ist, in Moskau mit deutschen Vertretern über das ganze Verfahren, seine Vorwürfe gegen die NSA und weitere Dokumente zu sprechen. Politiker der Opposition, die ihn ja gerne in Berlin vernehmen würden, haben Verständnis für die Absage geäußert, etwa der Grünen-Politiker Konstantin von Notz. Der sagte, er wolle sich nicht instrumentalisieren lassen. Auch der SPD-Obmann im Ausschuss, Christian Flisek, bedauerte die Absage Snowdens, aber respektiere dies. – Ich habe vorhin darüber mit Patrick Sensburg gesprochen von der CDU. Er ist Vorsitzender vom NSA-Untersuchungsausschuss. Und ich habe ihn gefragt, ob er dann doch einverstanden sei, Edward Snowden in Deutschland zu hören.
    Patrick Sensburg: Es geht ja nicht alleine um mein Einverständnis. Wir haben derzeit keine Möglichkeit, Herrn Snowden in Deutschland zu vernehmen, weil die Bundesregierung ihm keinen Aufenthaltstitel gewährt, und da hat sie ihre rechtliche Ansicht dargelegt, und von daher müssen wir das als Untersuchungsausschuss auch erst mal hinnehmen.
    Klein: Das heißt, Sie müssen sich damit zufrieden geben, was die Bundesregierung jetzt sagt, und haben Ihrerseits auch als CDU-Politiker keinerlei Einflussmöglichkeiten?
    Sensburg: Die Bundesregierung trifft die Entscheidung, nicht das Parlament, nicht der Untersuchungsausschuss. Aber ich sage, Edward Snowden ist auch nur ein Zeuge, ist auch nur ein Beweismittel von vielen, und wir haben inzwischen ja immerhin zu einem Teil der Unterlagen von Edward Snowden auch Zugang.
    Keine Vernehmung von Snowden: "Das liegt auch an ihm"
    Klein: Das ist schon klar, er ist nur ein Zeuge. Aber dennoch ist ja über Monate der Eindruck entstanden, dass es möglicherweise doch ganz wünschenswert wäre, ihn direkt befragen zu können, denn ob er noch mehr mitzuteilen hat oder nicht, wird man erst sehen, wenn er sich den Fragen des Ausschusses zum Beispiel stellen wird. Das heißt, das Thema ist jetzt vollkommen vom Tisch, die Bundesregierung sagt nein zur Vernehmung in Deutschland und in Moskau möchte Herr Snowden nicht vernommen werden. Damit wird es nirgendwo eine Befragung geben? Verstehen wir das richtig?
    Sensburg: Derzeit gibt es keine Befragung von Edward Snowden, weder in Deutschland, noch in Moskau, noch an einem dritten Ort. Aber das muss ja nicht für immer gelten. Ich denke, wir werden jetzt intensiv in die Aktenanalyse einsteigen. Wir haben fast 300 Aktenordner von der Bundesregierung bekommen. Und dann müssen wir schauen, ob vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt noch eine Vernehmung von Edward Snowden möglich ist. Das liegt aber auch an ihm.
    Klein: Und wo dann?
    Sensburg: Das muss Edward Snowden sagen. Er hat bisher nicht erklärt, unter welchen Voraussetzungen er für eine Zeugenaussage zur Verfügung steht. In Deutschland geht es derzeit anscheinend nicht. Ich bin mir aber auch nicht sicher, ob Edward Snowden überhaupt nach Deutschland kommen würde, wenn ihm ein sicherer Aufenthalt garantiert würde.
    Klein: Schauen wir noch mal auf die Argumentation, die dahinter steht, ihn nicht hierzulande zu befragen. Natürlich würde möglicherweise die Gefahr für ihn dann drohen, dass er ausgeliefert werden müsste. Halten Sie das für das Kernargument und den Kerngrund dafür, dass die Bundesregierung sagt, sie möchte ihn hier nicht sehen?
    Sensburg: Es ist ein Argument von mehreren. Ich höre nur, dass derzeit Edward Snowden intensiv mit der amerikanischen Regierung verhandelt, einen sogenannten Deal zu machen, dass er wieder nach Amerika kann, und von daher, glaube ich, ist es gar nicht sein zentrales Interesse derzeit, nach Deutschland zu kommen, und das geht auch aus dem Schreiben seines Anwalts hervor.
    Klein: Man könnte ja auch fragen, stehen im transatlantischen Verhältnis gegenwärtig vielleicht ganz andere Fragen im Vordergrund, Konfliktherde in aller Welt, bei denen Abstimmung oder sogar Zusammenarbeit vonnöten ist? Kann man denn da wirklich keine Befragung Snowdens riskieren, jetzt ein Jahr, nachdem die Dokumente veröffentlicht wurden?
    Sensburg: Wie gesagt, das ist ein weiterer Grund für die Entscheidung der Bundesregierung. Aber die Bundesregierung macht ihre Entscheidung nicht ausschließlich auf den transatlantischen Beziehungen fest. Es ist schon wichtig, einen Untersuchungsausschuss zu unterstützen, aber wir haben neben Edward Snowden viele, viele andere Möglichkeiten, Beweise zu erheben, und von daher ist Edward Snowden – ich sage es mal ganz deutlich – zwar der entscheidende Punkt, an dem dieser Skandal losgetreten wurde, aber er ist nicht der entscheidende Zeuge.
    Klein: Ich frage Sie noch mal als CDU-Abgeordneten. Sie kritisieren diese Entscheidung der Bundesregierung oder nicht?
    Sensburg: Es geht nicht um eine Kritik an der Entscheidung der Bundesregierung. Die Bundesregierung hat ihre Meinung dezidiert dargelegt. Sie hat die rechtlichen Gründe dargelegt.
    Klein: Aber Sie haben eine andere Meinung, das verstehen wir richtig?
    Sensburg: Und jetzt kann man anderer Meinung sein oder nicht. Aber als Ausschussvorsitzender muss ich erst mal diese Entscheidung hinnehmen, genauso wie ich die Entscheidung von Edward Snowden hinnehmen muss, mit uns nicht mal ein informelles Gespräch in Moskau zu führen.
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Edward Snowden ist von Beruf Computer-Techniker (Bild: picture alliance / dpa) (picture alliance / dpa)
    "Wir werden jetzt intensiv in die Aktenanalyse einsteigen"
    Klein: Sind Sie denn anderer Meinung, Herr Sensburg?
    Sensburg: Ich nehme diese Ansicht der Bundesregierung hin. Sie hat das rechtlich dargelegt, sehr intensiv die Gründe dargelegt, und von daher muss ich jetzt schauen, dass wir weiter die Möglichkeit haben, Beweise zu erhalten und intensiv in die Aktenanalyse einzusteigen.
    Klein: Ich habe noch nicht verstanden, ob Sie diese Haltung jetzt mittragen oder nicht. Dann schauen wir auf den nächsten Punkt. Sie haben gesagt, Snowden ist nur einer der Zeugen, die befragt werden würden. Wie geht es jetzt weiter im NSA-Ausschuss? Wen werden Sie als nächstes befragen? Was ist Ihr nächstes Ziel dabei?
    Sensburg: Erstens werden wir in die Aktenanalyse einsteigen und eine Vielzahl von Dokumenten, die uns die Bundesregierung zur Verfügung gestellt hat, überprüfen. Wir haben die Gelegenheit, jetzt auch die ersten Unterlagen von Edward Snowden, die im Internet zur Verfügung gestellt worden sind, mit diesen Akten zu vergleichen. Wir haben also die Möglichkeit, zum Beispiel zu hinterfragen, was hat der Bundesnachrichtendienst in Bad Aibling genau gemacht.
    Klein: Wird das jetzt sozusagen Ihr Hauptfokus sein, die Zusammenarbeit der Geheimdienste, des BND etwa mit der NSA?
    Sensburg: Ich könnte mir vorstellen, dass wir in einem ersten großen Themenkomplex genau diesen Bereich untersuchen, was haben deutsche Dienste gemacht, auch in Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten, und war das alles rechtmäßig, wobei ich sehr hoffe, dass das alles rechtmäßig war.
    "Wir stellen nicht unsere deutschen Dienste infrage"
    Klein: Wir sind immer wieder ja bei dem Punkt, alle Geheimdienste spionieren überall und sie machen sich überall dort weltweit strafbar. Noch mal nachgefragt: Inwiefern muss möglicherweise da auch eine Diskussion darüber einsetzen, was auch die deutschen Geheimdienste andernorts tun, denn wir hatten keinen Edward Snowden, der entlaufen ist mit Dokumenten, so dass wir nicht genau wissen, was eigentlich deutsche Geheimdienste tun in ihrer Arbeit, ähnlich wie wir das von den amerikanischen Geheimdiensten jetzt wissen?
    Sensburg: Wir haben ein Parlamentarisches Kontrollgremium, das genau überwacht, was die deutschen Dienste machen, und auch einzelne Maßnahmen der deutschen Dienste sogar genehmigen muss. Von daher haben wir eine Kontrolle der deutschen Dienste und es ist ja nicht richtig, dass da, wo spioniert wird, die Dienste immer alles rechtswidrig betreiben. Der Bundesnachrichtendienst handelt nach deutschem Recht rechtmäßig. Wenn er natürlich in Syrien beispielsweise aufgegriffen wird, werden das die Syrer anders sehen. Aber es ist natürlich vonnöten, sage ich mal, und es ist sehr, sehr wünschenswert, dass wir Erkenntnisse auch vom Ausland erhalten, dass wir wissen, da wo deutsche Soldaten zum Beispiel im Einsatz sind, wie sind die Rahmenbedingungen. Also wir stellen nicht unsere deutschen Dienste infrage.
    Klein: Um abschließend darauf zu blicken: Wir hatten jetzt den Bericht des Verfassungsschutzes, wo von steigender Gefahr durch Islamisten die Rede ist. Wird das jetzt einen Einfluss auf diese ganze Debatte haben Ihrer Meinung nach, dass man sagt, ihr seht ja, wozu wir Geheimdienste möglicherweise brauchen, das hat der Verfassungsschutz jetzt herausgefunden, dass da sozusagen die Luft rausgenommen wird und man wieder die Wichtigkeit der Geheimdiensttätigkeit auch in Deutschland hier unter Beweis gestellt werden soll?
    Sensburg: Ich hatte bisher keine Zweifel, dass wir unsere Dienste brauchen. Das ist jetzt ein konkretes Beispiel, das sich aus dem Verfassungsschutzbericht ergibt. Wir haben zu überprüfen, ob unsere Dienste im Rahmen der gesetzlichen Voraussetzungen gehandelt haben. Dass wir sie brauchen, ist, glaube ich, für die meisten eigentlich selbstverständlich, dass wir Erkenntnisse unserer Dienste brauchen, aber sie müssen in den Voraussetzungen handeln, die der Deutsche Bundestag durch Gesetze ihnen ermöglicht.
    Klein: Patrick Sensburg (CDU), der Vorsitzende vom NSA-Untersuchungsausschuss. Das Gespräch haben wir heute Morgen aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.