Der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses, der CDU-Politiker Clemens Binninger, sagte zu den Enthüllungen: "Wenn es sich als wahr herausstellen sollte, dass Mundlos für einen V-Mann gearbeitet hat - in der Zeit, als die Morde des NSU begannen - dann hätte das eine völlig neue Dimension." Binninger betonte, im Ausschuss habe es zur Person Ralf Marschner schon früher verschiedene Hinweise gegegen - auch den, dass das NSU-Mitglied Zschäpe in einem seiner Läden gesehen wurde.
Die Grünen-Obfrau im NSU-Untersuchungsausschuss, Irene Mihalic, sagte der Deutschen Presse-Agentur (dpa), sollten sich die Hinweise erhärten, "dann bekäme der Skandal für das Bundesamt noch einmal eine neue Qualität. Der Staat wäre dann im Zusammenhang mit dem Untertauchen des NSU nicht nur Mitwisser, sondern auch Mittäter." Es spreche immer mehr für die These, dass Neonazis ihre V-Mann-Tätigkeit dazu genutzt hätten, eine Terrorzelle wie den NSU vor dem Zugriff der Sicherheitsbehörden zu schützen und logistisch zu unterstützen. "Das würde den Aufbau unserer Sicherheitsarchitektur grundsätzlich infrage stellen," so Mihalic. Der NSU-Ausschuss werde nun schnell die Akten zu dem V-Mann anfordern und das Thema umfassend behandeln.
BfV: "Keine Anhaltspunkte, dass es so war"
Zschäpe und Mundlos sollen während ihrer Zeit im Untergrund in Firmen gearbeitet haben, die von dem Neonazi Ralf Marschner betrieben wurden. Marschner war unter dem Tarnnamen "Primus" als Informant für das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) tätig. So soll Mundlos laut der Zeitung "Die Welt" unter einer Tarnidentität in den Jahren 2000 bis 2002 als Vorarbeiter eines Bauunternehmens im sächsischen Zwickau eingesetzt worden sein. Inhaber der Firma war Marschner. BfV-Präsident Hand-Georg Maaßen dementiert das: "Nach unserer Erkenntnislage und nach den Auskünften der damals dafür zuständigen Mitarbeiter haben wir keine Anhaltspunkte dafür, dass es so war," sagte er der "Welt". Die Journalisten der Zeitung berufen sich auf Dokumente und Zeugenaussagen.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) hat Zschäpe dann einige Jahre später in einer anderen Firma Marschners gearbeitet. Ein früherer Partner Marschners bestätigte der Agentur auf Anfrage, er habe dieses Geschäft finanziert. Es habe sich dabei um einen Szeneladen mit dem Namen 'Heaven and Hell' gehandelt. Das Geschäft habe nach seiner Erinnerung in der Zeit zwischen 2008 und 2011 existiert. Später erklärte er, das Geschäft sei bereits 2004 gegründet worden. Er habe alle Mitarbeiter gekannt. Auf die Frage, ob auch Zschäpe unter den Mitarbeitern war, wollte er zunächst nicht antworten, erklärte dann aber: "Ich habe nicht nein gesagt."
ARD-Reporterpool: Keine Belege für Zschäpes Beschäftigung
Die dpa führt außerdem ein ihr vorliegendes Vernehmungsprotokoll eines anderen Zwickauer Neonazis aus dem Jahr 2012 an. Demnach sollen die Behörden von Zschäpes Beschäftigung in dem Geschäft gewusst haben. So habe ein Beamter in der Vernehmung den Neonazi mit folgender Aussage konfrontiert: "Es liegen Erkenntnisse vor, dass die Beate Zschäpe im Ladengeschäft "Heaven and Hell" gearbeitet oder wenigstens ausgeholfen hat."
Aus dem ARD-Reporterpool heißt es dagegen, Zschäpes Tätigkeit für das Geschäft lasse sich zur Zeit nicht verifizieren. Entsprechende Gerüchte gebe es seit 2012. Umfangreiche Vernehmungen des BKA im Umfeld des Ladens hätten aber in den vergangenen rund vier Jahren keinen Beleg für eine Berufstätigkeit von Beate Zschäpe dort ergeben. Außerdem sei Marschner zu dem Zeitpunkt, als Zschäpe in dem Zwickauer Geschäft gearbeitet haben soll, nicht mehr V-Mann gewesen. Offenbar entließ ihn das Bundesamt für Verfassungsschutz 2002 aus dieser Tätigkeit - Jahre vor der in Frage stehenden Beschäftigung von Zschäpe. Es gelte lediglich als sicher, dass sie als Kundin in dem Laden gesehen worden ist.
(cvo/kis)