"Wir sind jetzt hier an der Nugat-Produktionsstraße, hier ist alles geprägt von großen Tankanlagen."
Führung über das Werksgelände der Sächsischen und Dresdner Back- und Süßwaren. Das Tor zur Halle öffnet sich und plötzlich wird es warm und es riecht nach Haselnuss. Der Seniorchef K.-H. Hartmann führt durch die Produktion:
"Kakaopulver, Zucker, Haselnüsse, alles wird befüllt, alles andere macht der Computer."
Im weißen Kittel begutachtet Hartmann die Nussmasse.
"Wie lange dauert das denn, bis das Nugat fertig ist?
"Bis es fertig ist, dauert eine Tonne Nugat rund anderthalb Stunden."
"Bis es fertig ist, dauert eine Tonne Nugat rund anderthalb Stunden."
Die Produktionsstraße mischt die Zutaten und schickt sie dann mehrfach durch eine Kugelmühle, um sie zu einer möglichst feinen Masse zu zermahlen. Im weißen Kittel steht Hartmann in der Produktion, begutachtet die Nussmasse.
Zwei, drei Tage muss das Nugat dann reifen und abkühlen. Neben Nudossi wird hier auch Kalter Hund und Dresdner Christstollen produziert: "Wir haben ungefähr eine Leistung von sechs Tonnen pro Schicht."
Pro Jahr kommen rund 1200 Tonnen Nugatcreme zusammen. Eine Menge. Und doch: Wer Nudossi in Supermarktregalen in den alten Bundesländern sucht, wird oft enttäuscht. Die Schwierigkeit: bei den Handelsketten im Westen Fuß zu fassen und gelistet zu werden. Hartmann erlebt noch immer eine deutsch-deutsche Nugat-Grenze: "Bei Nudossi ist ganz prägnant, dass wir flächendeckend den Osten abdecken. Aber nur zu 25 Prozent den Westen."
Feinkost mit langer Tradition
35 feste Mitarbeiter und etwa noch einmal so viele Saisonkräfte arbeiten in Hartmanns Firma. Der Umsatz der Süßwarenfirma liegt seit Jahren relativ konstant bei sieben bis acht Millionen Euro.
Der Mittelständler aus Radebeul bei Dresden kann sich aufwendige Werbeaktionen für den Handel nicht leisten. Diese Kleinteiligkeit der Unternehmensstruktur ist typisch für viele Betriebe in Sachsen, nicht nur in der Lebensmittelbranche. Das birgt vielerorts Probleme für Vertrieb und Export.
Die Süßwarenfirma ist ein Traditionsunternehmen, wurde 1923 als Keksfabrik gegründet. Zu DDR-Zeiten fand sich die süße Creme Nudossi in den Delikat-Feinkost-Geschäften: "Der damals in der DDR ein Bück-Dich-Artikel war, also unter der Ladentafel der prägt sich natürlich anders ein, als ein Konsum oder ein HO-Artikel."
Nach der deutschen Einheit lag der Betrieb brach, denn mit den Delikat-Geschäften verschwand auch die Vertriebsstruktur. Erst 1997 später wurde der Betrieb wieder belebt. Hartmann und sein Sohn kauften den stillgelegten Süßwarenbetrieb und die Rechte an der Marke Nudossi.
"Die Marke ist erst 1997 wieder zum Leben erweckt worden. Und dann kam die Welle der Ostalgie wieder hoch. Das hat dazu geführt, dass wir ganz andere Absatzzahlen erreichen. Da war der Riesen-Bedarf entstanden, wieder Heimat zu essen."
2005: Rettung aus der Insolvenz
Auch die jüngere Firmengeschichte ist durchaus wechselvoll: 2005 musste Hartmann Insolvenz anmelden. Der Betrieb war unkontrolliert gewachsen und konnte vor dem Weihnachtsgeschäft seine Rohstoffe für die Weihnachtsprodukte nicht mehr bezahlen. Doch durch einen stillen Teilhaber, so Hartmann, überlebte die Firma.
Denn obwohl viele Produkte, die den Mauerfall überstanden haben wie Knusperflocken oder Nudossi als Teil der lebendigen Erinnerungskultur gelten, hat auch auf Konsumentenseite ein Generationswechsel stattgefunden. Wie sollen sich die Produkte aus Dresden, Magdeburg auf dem Markt, in der Werbung positionieren? Denn gerade bei Lebensmitteln geht es ja neben der Qualität auch viel um Image und Gefühl.
Niels von Haken von der MDR-Werbung untersucht seit Jahren zusammen mit einem Erfurter Marktforschungsinstitut die Wahrnehmung von Produkten aus dem Osten. Die neue Studie, die frisch veröffentlicht wurde, stellt fest: "Ostalgie ist kein Verkaufsargument. Was aber durchaus die Marken tun müssen aus dem Osten, sie müssen ihre Regionalität hervorheben. Das ist keine Frage des Ostens."
Die Produkte würden zwar, so die Studie, als kultig, sympathisch und vor allem ehrlich wahrgenommen. Dennoch: Der reine Patriotismus für Ost-Marken wachse sich unter den Jüngeren aus. Von Haken sieht einen deutlichen Wandel: Ende der 90er-Jahre bis in die Nuller-Jahre hinein habe es eine deutliche Ostalgie-Welle gegeben. Die bekannten Produkte waren für viele ein emotionaler Ankerpunkt in einer sich schnell wandelnden Zeit. Doch heute, 25 Jahre nach Mauerfall, verblasse dieses Gefühl, dieses Bedürfnis mehr und mehr.
Ost oder West? Hauptsache viel Nuss
Zurück zur Nugat-Produktionsstraße in Radebeul. Noch mehr als die Frage, ob er ein Ost- oder ein Westprodukt ist, treibt Seniorchef Hartmann die Frage um, wie er an genügend Haselnüsse kommt, die immerhin 36 Prozent der Creme ausmachen. Bei Nutella sind es laut Angaben auf dem Glas nur 13 Prozent.
Seine Haselnüsse, von denen er über 300 Tonnen im Jahr verarbeitet, bezieht er vor allem aus der Türkei, doch er sieht sich starken Preisschwankungen gegenüber:
"Preise gingen utopisch nach oben. Das Kilo hat dieses Jahr 10,90 gekostet, voriges Jahr waren es 5,20 Euro."
Da die DDR zu wenige Aroma-Stoffe hatte, sagt Hartmann, musste man halt zum Original, zu echten Haselnüssen greifen. Der Nuss-Anteil ist ein altes Erbe aus den Tagen vor der deutschen Einheit. Und Erbe verpflichtet eben.