Mehr als 430 Kernkraftwerke laufen rund um die Welt - plus Hunderte Forschungs- und Schiffsreaktoren. Sie alle produzieren eines: Atommüll. Noch existiert nirgends ein Endlager für den hochradioaktiven Abfall. Und bei der Suche werde ein Aspekt nicht genügend beachtet, urteilt Peter Burns von der University of Notre Dame in Indiana:
"Es ist für ein geologisches Endlager zentral, dass Abfall und Geochemie zusammen passen, sprich: Dass der Abfall unter den Bedingungen im Gestein nicht korrodiert. Es wäre also logisch, die Frage entweder von der Abfallseite her aufzuziehen: Erst zu entscheiden, ob die Abfälle verglast werden oder als zerlegte Brennelemente untergebracht werden und dann das passende Endlager zu suchen. Oder man geht eben umgekehrt vor, bestimmt erst das Lager, dann die Gebinde."
Lagerung hängt von Art des Abfalls ab
Für Brennelemente zum Beispiel wären Tonsteine gut geeignet, in denen das ohnehin kaum vorhandene Porenwasser sauerstofffrei und mit reduzierenden Ionen beladen ist, die Korrosion verhindern. Bei verglasten Abfällen hingegen zählt mehr, dass das Grundwasser gesättigt an Kieselsäure ist, damit das Glas stabil bleibt. Denn:
"Man kann sich bei der Freisetzung der Radionuklide viele katastrophale Ereignisse bis hin zum Meteoriteneinschlag ausdenken. Aber das Wahrscheinlichste ist, dass Wasser die Radionuklide in die Umwelt trägt. Das passiert auf jeden Fall, die Frage ist nur, wie lange es dauert: Jahrzehnte oder Jahrmillionen. "
Die Liste der Faktoren, die dabei eine Rolle spielt, ist lang. Unter anderem können Radionuklide mit organischen Molekülen Komplexverbindungen eingehen - und manche dieser Verbindungen sind im Wasser mobil. Ein anderes Beispiel:
"Elemente wie Plutonium sind an sich kaum wasserlöslich, aber wenn im Grundwasser Bakterien schwimmen oder kleine Mineralbruchstücke, haften sie sich an und werden abtransportiert."
Während die Endlagersuche weltweit laufe, sei der Atommüll kommerzieller Reaktoren derzeit halbwegs gesichert untergebracht, urteilt Peter Burns. Die Abfälle aus der Kernwaffenproduktion bereiten ihm da mehr Kopfschmerzen:
"In den USA sind bis zum Ende des Kalten Kriegs gigantische Mengen an stark strahlendem radioaktivem Abfall entstanden, die nicht sachgemäß gelagert werden. Das gilt ähnlich auch für die Abfälle aus der Kernwaffenproduktion Großbritanniens, Frankreichs, Russlands, Indiens, Pakistans oder Chinas."
In den USA schwappt der größte Teil dieses Atommülls als wasserreicher Schlamm in unterirdischen Tanks. Von denen sind viele leck, ihr Inhalt sickert heraus:
"Diese Abfälle sollen verglast werden. Dieser Prozess ist sehr viel komplizierter als bei Abfällen kommerzieller Reaktoren und wird Jahrzehnte dauern."
Problem Uranabbau
Unter den Nägeln brennt Burns auch der Uranbergbau. Von allen radioaktiven Elementen, die vor dem Abbau im Gestein eingeschlossen waren, bleiben 85 Prozent im Abraum - und die sind dann auf den Halden Wind und Wetter ausgesetzt:
"Durch den Uran-Bergbau ist der Abraum geochemisch instabil. Radionuklide gelangen in einem für den Menschen gefährlichem Tempo in die Umwelt. Die Sanierung dieser Halden ist sehr schwierig. Wenn sie überwachsen sind, können nur Spezialisten sie erkennen - und manchmal leben Menschen darauf. "
Die gesundheitlichen und ökologischen Folgen des Abraums seien kaum erforscht. Als Amerikaner erzählt Peter Burns vom Südwesten der USA. Dort gibt es auf dem Gebiet der Navajo aus der Zeit des Kalten Kriegs rund 700 Uranbergwerke mit mehr als 2000 Tagebauen. Nur 20 oder 30 dieser Standorte seien saniert worden - er hoffe, dass es die schlimmsten waren. Aus allen anderen jedenfalls trügen Sandstürme und Wüstenwinde die Radioaktivität als Staub in die Umwelt - Staub, der sich auf die Pflanzen legt und den Boden, und den Mensch und Tiere einatmen.