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Null Bock auf Politik?

Junge Leute in Deutschland interessieren sich nicht für Politik? Um sie dazu zu animieren, muss der Bundespräsident einen Wettbewerb ausschreiben: "Jugend debattiert"? Und die Bund-Länder-Kommission muss ein Programm auflegen "Demokratie lernen & leben"?

Moderation: Mirko Smiljanic |
    Vielleicht interessieren sich Jugendliche bloß nicht für politischen Parteien und Zeitungskolumnen. Aber wenn Zehntausende Schüler auf die Straße gehen, um gegen den Krieg im Irak zu protestieren, so kann man von einer "unpolitischen" Generation nicht länger sprechen; und auch in andere Vorurteilsschemata passen diese jungen Leute nicht: Weder sind sie - wie weiland die 68er - gegen die Regierung: sie bekräftigen ja Schröders Kurs! noch sind sie antiamerikanisch: es macht ihnen gar nichts aus, nach der Demo zu McDonalds zu gehen und sich Made in USA zu kleiden. Sie sind schlicht und einfach gegen den Krieg. Kein Wunder, schließlich lieferte ihre Generation die Soldaten. Ein Wunder ist es allerdings, dass sich viele ihrer Lehrer nicht freuen über das politische Engagement, sondern es misstrauisch beobachten: Dass die Schüler nicht nach Unterrichtsschluss auf die Straße gehen, sondern sich selbst "Freistunden" genehmigen, veranlasst nicht wenige Pädagogen und Schulbürokraten zu drastischen Erziehungsmaßnahmen. Als ob die Schule nicht wegen geringerer Anlässe schon ausgefallen wäre... Immerhin begrüßen Lehrergewerkschaften das politische Interesse der jungen Leute, und die nordrhein-westfälische Kultusministerin - zum Beispiel - mahnt, einerseits bitte nachmittags zu demonstrieren, andrerseits die politische Bildung wieder stärker im Unterricht zu verankern. Mag sein, dass die Disziplinierungsmaßnahmen gegen die Demonstranten - Einträge wegen "unentschuldigten Fehlens" - dem Wunsch der Ministerin gerade entgegenwirken.

    Gesprächspartner:

    Dr. Uta Starke, Soziologin und Jugendforscherin, Uni Leipzig

    Schüler und Schülerinnen, Lehrer und Eltern des Elisabeth-vonThüringen-Gymnasiums in Köln

    Literatur zum Thema:

    Jonas Lanig et al.: Krieg ist keine Lösung. Unterrichtsmaterialien zum IRAK-Konflikt Verlag an der Ruhr

    William Rivers Pitt mit Scott Ridder: Krieg gegen den Irak. KiWi

    Norman Solomon, Reese Erlich: Angriffsziel Irak. Wie die Medien uns den Krieg verkaufen. Goldmann

    Jürgen Todtenhöfer: Wer weint schon um Abdul und Tanaya? Herder

    Peter Scholl-Latour: Kampf dem Terror-Kampf dem Islam? Propyläen

    Michael Moore: Stupid White Man. Eine Abrechnung mit dem Amerika des George W. Bush. Piper

    Susanne Leinemann: Aufgewacht. Mauer weg! DVA

    Good Bye Lenin! Das Buch zum Film. Schwarzkopf und Schwarzkopf, Berlin

    Wilhelm Heitmeyer: Jugend, Staat, Gewalt Juventa

    Hans Boldt : Schülerduden, Politik und Gesellschaft Bibliogr. Institut

    Walter Hornstein: Jugendforschung und Jugendpolitik Juventa

    Klaus Hurrelmann, Mathias Albert: Jugend 2002. 14. Shell Jugendstudie Fischer

    Elisabeth M. Mars: Münster 2002. Lokale Agenda live! Junge Visionen Unrast

    Karsten Rudolf, Melanie Zeller: Wie entsteht politisches Engagement? Wochenschau Schwalbach

    Links zum Thema:

    Materialien zum Irak-Krieg zum Einsatz im Unterricht

    Informationen und Materialien zum Irak-Konflikt

    Programm "Demokratie lernen und leben" der Bund-Länder-Kommission unter:

    www.blk-demokratie.de www.lernen-aus-der-geschichte.de www.jugend-debattiert.ghst.de/

    Ihre Fragen und Meinungen erwarten wir während der Sendung unter: Hörertelefon: 00800 44 64 44 64 Hörerfaxnummer: 00800 44 64 44 65 E-Mail: forumpisa@dradio.de

    Die nächste Sendung: Was lernen deutsche Grundschüler wirklich? (Auswertung der IGLU-Studie) Moderation: Eva-Maria Götz

    Von allen Sendungen können Sie einen Kassettenmitschnitt bestellen. Senden Sie einen Verrechnungsscheck über EUR 10,- an: DeutschlandRadio Marketing und Service GmbH Raderberggürtel 40 50968 Köln