Wie ein nobler Graf Dracula sieht er nicht gerade aus, der blutsüchtige Lord Ruthven. Die Maskenbildnerei der Komischen Oper hat ihn zu einem frankensteinartigen Zombie hergerichtet. In langen Unterhosen und mit entblößtem Oberkörper zerrt er sich sein Opfer aus der ersten Zuschauerreihe auf den Steg vor dem Orchestergraben. Erst zieht er dem laut aufheulenden Mädchen die Haut vom Gesicht, dann reißt er ihm mit seiner Monsterpranke die Gedärme aus dem Leib. Damit ist ruckzuck die erste von drei Jungfrauen erledigt, die der Vampir binnen Tagesfrist totbeißen muss, um noch ein weiteres Jahr unter den Lebenden weilen zu dürfen.
Der Vampir hat keine Zeit. Schon bei Marschner nicht, aber erst recht nicht in der Inszenierung von Antú Romero Nunes. Denn der hat die knappe drei Stunden dauernde Originalpartitur auf knackige 80 Minuten zusammengekürzt. Das klingt grausamer, als es ist. Denn weggefallen sind vor allem die ermüdenden Dialoge und eben jene Nebenhandlung, die um den Tod der ersten Jungfrau kreist, die hier ohne weiteres Vorgeplänkel gleich zur Strecke gebracht wird. Auch der Chor der Hexen und Geister, mit dem die Oper beginnt, wurde gestrichen. Ein gewisses Vorwissen über die Vampir- und Zombieszene könne man im Zeitalter der Horror- und Splatterfilme immerhin voraussetzen, mag sich Nunes gedacht haben.
Der Vampir hat keine Zeit. Schon bei Marschner nicht, aber erst recht nicht in der Inszenierung von Antú Romero Nunes. Denn der hat die knappe drei Stunden dauernde Originalpartitur auf knackige 80 Minuten zusammengekürzt. Das klingt grausamer, als es ist. Denn weggefallen sind vor allem die ermüdenden Dialoge und eben jene Nebenhandlung, die um den Tod der ersten Jungfrau kreist, die hier ohne weiteres Vorgeplänkel gleich zur Strecke gebracht wird. Auch der Chor der Hexen und Geister, mit dem die Oper beginnt, wurde gestrichen. Ein gewisses Vorwissen über die Vampir- und Zombieszene könne man im Zeitalter der Horror- und Splatterfilme immerhin voraussetzen, mag sich Nunes gedacht haben.
Nunes orientiert sich an Horrorfilmgenre
Von diesem Genre hat er sich inspirieren lassen zu einer schrillen Gruselparodie, die mit ihren Geisterbahneffekten, mit derben Klamauk und anzüglicher Drastik gut zum Stil der Komischen Oper passt. Da fliegen Frösche ins Publikum, es seilt sich eine dicke Spinne vom Kronleuchter herab, oder der Dirigent wird mit einem Messer gemeuchelt und bleibt minutenlang regungslos auf der Rampe liegen. Ein bisschen "Tanz der Vampire" ist auch dabei. Das hat alles Witz und Tempo, dank fähiger Darsteller, die gleichwohl noch anständig singen. Vor allem die Titelpartie ist mit dem Bariton Heiko Trinsinger vokal prächtig besetzt. Maria Fiselier erfüllt die Partie der Emmy mit warmem Mezzosopran-Timbre. Ihre Ballade vom "bleichen Mann" hat der vampiristische Richard Wagner später recht wörtlich für jene der Senta in seinem "Fliegenden Holländer" abgekupfert.
Eine tragende Rolle spielt wieder der fabelhafte Chor der Komischen Oper, der auch in Zwischenmusiken zum Einsatz kommt, die Johannes Hofmann hinzu komponiert hat. Als Meute von Untoten treibt er sein Unwesen. Auch in den Trink- und Tanzszenen können die Ballkostüme nur vorübergehend die wahre Natur dieser höchst unfeinen Gesellschaft bemänteln. Dann bricht die Blutrunst wieder durch. Die Vampire wohnen mitten unter uns.
Musik deutet in den Abgrund
Hofmanns kurze Übergangsmusiken wachsen bisweilen nahtlos aus der originalen Marschner-Partitur heraus und treten an die Stelle der gestrichenen Dialoge. Von einzelnen plakativen Schockeffekten abgesehen, deuten sie den Abgrund, über dem sich Marschners Musik bewegt, in atmosphärischen Liegeklängen mit leise flirrenden Streicherläufen meist eher an-, statt ihn eigenmächtig auszupinseln. Insgesamt fügt sich das Spiel mit disparaten Stilebenen gut ins Gesamtbild dieser Oper.
Denn schon bei Marschner kippt die Musik immer wieder von der biedermeierlichen Gemütlichkeit in den Horror und umgekehrt. Auch darin und nicht allein in den zahlreichen Anklängen an die "Wolfsschlucht" erscheint sie wie ein radikalisierter "Freischütz". Die Zwischentöne gehen am Premierenabend leider ein wenig unter, da der Dirigent Antony Hermus das Orchester der Komischen Oper wie von der Tarantel gestochen durch die Partitur jagt. Und bei aller Kurzweil hätte man sich auch in der Inszenierung etwas mehr Doppelbödigkeit vorstellen können. So bleibt es beim kurzweiligen Grusel-Schocker.