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"Nur durch den Druck kommt eigentlich eine Einsicht"

Der Runde Tisch soll's richten. Heute setzt sich in Berlin die Delegation zusammen, die Misshandlungen in Schulen und Vereinen in Zukunft verhindern will. Miguel Abrantes Ostrowski ist Autor des Buches "Sacro Pop – Ein Schuljungen-Report" und sagt, dass der Druck der Medien auf die Kirche absolut notwendig sei.

Miguel Abrantes Ostrowski im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: In Berlin setzen sich heute erstmals die Persönlichkeiten um den Runden Tisch, die Misshandlungen in Einrichtungen vor allem der Katholischen Kirche, weltlichen Schulen und Sportvereinen aufarbeiten wollen und natürlich Vorschläge entwickeln, um solche Straftaten künftig zu verhindern und so weit wie möglich zu erschweren. Der Runde Tisch ist ein symbolisches Möbelstück, im genannten Fall auch ein sehr großes, denn 61 Personen werden Platz nehmen. Der Schauspieler Miguel Abrantes Ostrowski war in den 80er- und Anfang der 90er-Jahre Schüler des von Jesuiten geführten Gymnasiums Aloisiuskolleg in Bonn. Er hat seine Erfahrungen 2004 in einem Buch mit dem Titel "Sacro Pop" beschrieben. Guten Morgen!

    Miguel Abrantes Ostrowski: Guten Morgen, hallo.

    Heinemann: Herr Abrantes, was erwarten Sie vom Runden Tisch?

    Abrantes: Das ist natürlich in ein paar Sätzen schwierig zu sagen. Ich glaube, auf jeden Fall muss irgendwie diese Arroganz der Täter aufhören. Es muss ein Bewusstsein geschaffen werden, dass, finde ich, irgendwie die Opfer im Mittelpunkt stehen. Wenn man jetzt diese Riesen Runde von 61 Leuten ansieht, wo wirklich Feministen, Heimkinderbund, Weißer Ring, Anwälte, Kinderschutzbund, Olympisches Komitee, irgendwie alles vertreten ist, kann ich mir kaum vorstellen, dass da irgendetwas auf den Punkt gebracht wird. Das erscheint mir jetzt ziemlich verwässert und ich bin da ein bisschen skeptisch.

    Heinemann: Entschuldigen, Entschädigen, wie sollte sich die Kirche verhalten?

    Abrantes: Ich finde, Entschuldigen ist ja das allererste, was ja auch nichts kostet. Warum das noch nicht wirklich auch jetzt von meiner Schule vonstatten gegangen ist, wundert mich. Ich habe zum Beispiel von zwei Leuten, die haben mich besucht, die so ein bisschen diese Vorfälle aufarbeiten, die waren bei mir am Theater und mit denen habe ich gesprochen, aber die saßen da wie zwei kleine Schuljungs und von einer Entschuldigung habe ich da auch nichts gehört. Entschädigen? – Natürlich! Ich selber habe irgendwie nicht einen großen Schaden genommen, dass ich nicht auf eigenen Beinen mehr stehen kann, brauche auch keine große Therapie. Ich selber würde jetzt für mich kein Geld in Anspruch nehmen wollen. Aber es gibt wirklich Leute, zu denen ich Kontakt habe, die sind wirklich schwer geschädigt und die brauchen auf jeden Fall finanzielle Unterstützung. Warum das auch so ewig dauert, dass man jetzt eigentlich seit zweieinhalb Monaten immer nur ein bisschen redet und dass nicht mal eine Geste kommt, dass mal ein Fonds irgendwie bereitgestellt wird, meinetwegen jetzt gar nicht mal nur vom Staat, einfach nur vielleicht vom Jesuitenorden intern für diese drei Schulen oder so, dass das so schwierig ist, das kann ich auch nicht verstehen.

    Heinemann: Herr Abrantes, empfinden Sie wenigstens eine gewisse Genugtuung darüber, dass mit Pater Klaus Mertes ein ehemaliger Schüler Ihrer Schule, des Bonner Aloisiuskollegs, der dann später in den gleichen Orden eingetreten ist, dem Ihr Peiniger angehörte, dass also der Jesuitenpater Klaus Mertes den Stein ins Rollen gebracht hat?

    Abrantes: Ja! Ich muss sagen, ich bin ein großer Fan von Pater Mertes. Ich habe ja damals das Buch geschrieben. Vor sieben Jahren, als das herauskam, da habe ich ja relativ wenig Resonanz darauf bekommen. Das wurde zwar innerhalb von Köln und Bonn so ein bisschen verkauft, es gab Leute, die sich ein bisschen lustig gemacht haben, oder welche, die sich amüsiert haben, aber es hat nicht wirklich die Welle losgerockt, die Pater Mertes natürlich geschafft hat. Ich konnte mich noch mal dranhängen an diesen wirklichen Tsunami, der da losgegangen ist, der Presse-Tsunami. Ohne Pater Mertes würden wir gar nicht telefonieren, glaube ich jetzt. Natürlich dieser Druck, den man irgendwie auf die Medien ausübt, das hat ja auf der ersten Stufe gesehen immer einen negativen Beigeschmack. Mir haben auch viele gesagt: Muss man da zur Bildzeitung gehen? Muss man da irgendwie in jedem Journal sitzen? Ich finde aber, wenn der Druck nicht ausgeübt wird über die Medien, dann würde natürlich wieder eigentlich nichts geschehen, weil natürlich erst durch den Druck, den man irgendwie verschärft, treten ja so Leute zurück, meinetwegen wie das auch jetzt mit dem Bischof passiert ist, dass da irgendwie auf Druck von Zollitsch und Marx etwas bewirkt wird. Wenn wir den Druck nicht ausüben in den Medien, es macht kein anderer, und nur durch den Druck kommt eigentlich eine Einsicht.

    Heinemann: Herr Abrantes, Christine Bergmann ist die Missbrauchsbeauftragte. Sie hört Ihnen gerade zu, wir sprechen gleich mit ihr. Was kann die Politik leisten, was möchten Sie Frau Bergmann sagen?

    Abrantes: Ich würde mir wirklich wünschen, dass man, finde ich, auf jeden Fall nicht mehr das Kirchenrecht über das Staatsrecht stellt. Das ist die allererste Stufe, die sofort geklärt sein muss. Es kann nicht sein, dass da immer noch in den eigenen Reihen so dermaßen vertuscht wird. Ich wünsche mir auch bei meiner Schule jetzt, beim Aloisiuskolleg in Bonn: da ist es wirklich so, dass die seit zweieinhalb Monaten versuchen, selber Aufklärungsarbeit zu leisten, sehr engagiert, die weltlichen Lehrer, und vom Jesuitenorden wird permanent eigentlich ausgebremst und unterbunden. Auch Pater Schneider, der zurückgetreten ist, der damalige Rektor, der würde auch gerne eine Stellungnahme abgeben und hat sich auch schon etwas zurechtgelegt. Das wird dann vom Jesuitenorden verboten, weil man nicht will, dass er dumme Sachen äußert oder irgendwie blöd dasteht. Solange diese Vertuscherei immer noch möglich ist, finde ich es wahnsinnig unglaubwürdig, auch so ein Runder Tisch, weil man eigentlich den zweiten Schritt vor dem ersten macht.

    Heinemann: Der Schauspieler und frühere Jesuitenschüler Miguel Abrantes Ostrowski. Dankeschön für das Gespräch und auf Wiederhören. Das heißt, wenn Sie möchten, können Sie am Telefon bleiben und sich das Gespräch mit Christine Bergmann anhören.