Während die Boote im Golfo dei Poeti Richtung Portovenere von Touristen überfüllt sind, warten ausschließlich Einheimische an einem Bootsanleger in der Mitte der steinernen, von Palmen gesäumten Hafenmole von La Spezia. Diese Schifffahrt ist nirgendwo ausgewiesen. Man weiß, dass dieses Boot nur einmal im Jahr, am 13. September hier ablegt. Zur verbotenen Insel Tino:
" Wir gehen zu dem Fest von Sankt Venerius, ich war noch nie dort und bin aufgeregt ...
(Frau) Wir besuchen das Fest unseres Heiligen. Die Insel ist ja sonst gesperrt, weil sie Militärzone ist.
(Mann) Es ist ein schöner Ausflug. Man besucht die Kirche und ist in Gesellschaft."
Über eine Treppe geht es ins das weiße Ausflugsschiff. Der Besuch der Insel, die sonst militärisches Sperrgebiet ist, gleicht mehr einem Sonntagsausflug als der Pilgerfahrt zu den Gebeinen eines Heiligen. San Venerio wird auf der Insel geehrt. Er hat im 7. Jahrhundert auf Tino als Eremit gelebt und ist Schutzpatron des Golfes.
Etwa eine halbe Stunde braucht das Boot, zieht vorbei an der Insel Palmaria, die Sonne gleißt auf dem Wasser, Wind ist kaum zu spüren... Die Fahrt nach Tino - für einige Familien jährliche Tradition:
"(Frau) Mir gefällt die Insel. Jedes Jahr gibt es diese Neugierde ,man muss einfach dorthin fahren und schauen.."
Von Heiligkeit ist auch nach dem Anlegen nicht viel zu spüren, Kinder nehmen ein Bad an dem sonst verbotenen Strand, der Kai ist wenige Minuten später von Fischern überfüllt, dutzende Angeln dümpeln im Wasser.
"(Mann) Ich fische Schwertfisch, Dorade und viele andere Fische aus der Tiefe für den Verzehr. Ich fische oft. Aber heute macht es mir besonders viel Spaß, denn die Insel ist nur einmal im Jahr zugänglich, deshalb haben die Fische ganz besonders viel Hunger... "
Die Insel wird von Soldaten täglich bewacht. Auch heute sind einige da. Ihre Freundinnen sind zu Besuch. Gemütlich sitzen sie vor dem kleinen Kontrollhaus aus Beton mit Meerblick und Seeterasse. Bei Espresso und Schwätzchen müssen ihre Männer die Insel heute nicht vor unfreiwilligen Besuchern verteidigen. Wie manchmal, wenn doch jemand versucht, den einsamen Strand für sich zu nutzen oder am Golfo dei Poeti ein Zelt aufzuschlagen.
"(Mann) Einige Leute wollen einfach nur ein bisschen an den Strand gehen. Wir schicken sie weg. Manche tun sogar so, als wüssten sie nicht, dass die Insel verboten ist. Sie dürfen hier nicht baden, nein! Nur vom Boot aus dürfen sie ins Wasser.."
15 Uhr, Zeit den heiligen Venerius zu ehren. Die Besucher haben sich schon einen Platz in der kleinen Kirche auf Tino gesucht oder sitzen draußen auf einem kleinen Mäuerchen vor der Kirche. Manche spazieren im kleinen Kreuzgang nebenan und atmen die Atmosphäre der Vergangenheit ein. Einige sind noch unterwegs auf dem breiten Wanderweg durch die Pinienbäume, genießen die interessanten Blicke durch die Bäume auf das Festland. Das Kirchlein aus graubeigen dicken Natursteinen wurde zu Ehren des Heiligen im 7. Jahrhundert auf seinem Grab erbaut und im 11. Jahrhundert restauriert, als Abtei, die jetzt verlassen ist.
Die Reliquie von Sankt Venerius, Knochen unter einem Gipsabdruck des Gesichtes in einer goldumrandeten Glaslaterne wird geweiht. Das Weihwasser kommt übrigens aus einem Plastikfläschchen, dass der Pfarrer extra vom Festland mitgebracht hat.
"(Mann) Wie erklärt man das Leben von Sankt Venerius? Er hatte Mut und hat sich das Leben als Eremit ausgesucht.."
Sankt Venerius ist der Heilige der italienischen Schiffslotsen und der Erfinder des Leuchtfeuers, so glauben es die Italiener. Er zündete Feuer an, um Booten den Weg zu weisen, rettete sie auf ihren Fahrten bei Wind und Wetter.
"(Mann) Sankt Venerius ist einer von den bekannteren Heiligen. Aber er ist anders, vielleicht ein sogar bisschen exotisch... Sankt Venerius ist ein ganz besonderer Heiliger."
Ein anderer Priester wandelt während der Pilgermesse alleine durch das Buschwerk der Insel Tino, schreitet bedächtig vor sich hin, meditiert... auf den Spuren des Eremiten.
"(Mann) Sankt Venerius hat auf dieser Insel als Eremit gelebt und ist hier gestorben. Gemäß seiner christlichen Berufung war er vor vielen hundert Jahren hier auf Tino..."
Die Messe ist zu Ende, alles strömt auf den höchsten Punkt der Insel zu, zum gemütlichen Beisammensein. Nach der Messe wird auf einer lichten Ebene oben auf der Insel. gefeiert, mit Rundumblick auf den Golfo dei Poeti. Weinreben sind auf Schnüre geflochten, Tische gedeckt, der asphaltierte Platz mit Steingeländer füllt sich binnen kurzen mit Menschen. Es gibt typische pane frittato, ein einfaches Fettgebäck mit Zucker und natürlich Weißwein aus der Region.
Im kleinen Museum nebenan, von der Größe eines kleinen Einfamilienhauses wird die Geschichte des Heiligen in Bildern und Zeichnungen erzählt. Reste seiner Kleider, einer Mönchskutte sind in Vitrinen untergebracht, Keramik und Münzen aus seiner Zeit ausgestellt. Außen an der Mauer hängt heute und nur heute ein Briefkasten der Poste Italiane. Davor steht Signor Euro an einem Stehtisch und verkauft Postkarten mit dem Poststempel von Tino für einen Gruß der verbotenen Insel nach Hause!
"(Mann) Nur heute kann man hier Postkarten verschicken, zum Fest des heiligen Venerius. Sie tragen den Poststempel der Insel Tino und sind deshalb sehr begehrt...
(Frau) Das ist was besonders, sehen Sie? Hier ist der Poststempel von Tino mit dem Datum vom 13. September. Ich werfe die Karte jetzt in den Briefkasten."
Der Heilige ist auf den Postkarten abgebildet beim Schüren eines Leuchtfeuers. Bevor wir Tino verlassen, verrät mir ein Soldat beim Schwätzchen und Wein dass die Insel gar nicht so gut bewacht wird, wie alle denken:
"(Mann) Nachts ist hier keiner, wir kommen nur hin und wieder zu Stichproben hierher...."
Ähnlich wie der heilige Venerius, zweihundert Kilometer von Tino entfernt, führen 3 Menschen im tiefsten Hinterland Liguriens ebenfalls ein Eremitenleben. In Porciorasco. Das Dorf kennt kaum ein Einheimischer. Eine asphaltierte Straße dorthin gibt es nicht. Wer hier hinkommt, könnte meinen, die Zeit wäre stehengeblieben. Es gibt keinerlei Lärm und uraltes Steinwerk. Alle Häuser sind mindestens 300 Jahre alt.
Manuele Albere kommt nur am Wochenende, fabriziert hier seinen eigenen Grappa und bewacht die Schlüssel der Kirche aus dem 17. Jahrhundert.
" (Mann) Meine Frau hat keine Lust mit hier hin zu kommen. Hier habe ich meine Ruhe. Niemand stört mich, oder geht mir auf die Nerven. Ich gehe schlafen wann ich will, ich stehe auf wann ich will ... ich bin der Techniker für die Kirche."
Blaue und gelbe Fresken säumen die Kirchenwände, die Beichtstühle aus dunkelbraunem Holz zeigen wertvolle Schnitzereien. Ganze 4 Steinhäuser säumen den Kirchplatz mit einer dicken Eiche vor dem Kirchentor. Sie sind alle aus dem 16. Jahrhundert, das beweisen die Inschriften auf den Türen, die kunstvoll in Stein in die Türstürze gemeißelt sind. Direkt neben der Kirche liegt das Haus von Elisabetha Megazini di Laurentis und ihrem Lebensgefährten. Zwei Künstler, die mit Ausblick in die einsame Bergwelt des Hinterlandes malen, abgeschieden von jeglicher Zivilisation.
"(Frau) Hier gibt es nur das Geräusch des Windes und einiger Vögel. Es herrscht eine Art antiker Frieden, die uralten Gebäude verbreiten diese Atmosphäre. (564) Hier gibt es keine Zeit und keine Hektik. Ich schaue nie auf die Uhr, weil das hier nicht vonnöten ist. Ich bin verzaubert von diesem Ort. Es ist ein eigene kleine Welt. Ich zeichne hier und male."
Elisabetha ist nach Porciorasco gezogen damit der Ort nicht verwaist, als die letzte Einheimische vor einem Jahr starb, die Mutter vom Grappamacher Manuele Albere. ihr Atelier ist die ehemalige Vorratskammer des Hauses, 400 Jahre alt, lichtdurchflutet, mit getrockneten Heilkräutern, die von der Decke hängen. Wasser für die Farben und Wasser zum Trinken kommt aus den Bergen.
"(Frau) Wasser gibt es immer. Es kommt aus einer Quelle oben aus den Bergen und versorgt das ganze Dorf."
Mit einer Elektropumpe und einem Schlauch hat sie den alten Brunnen vor dem Haus wieder zum Plätschern gebracht.
Milch bekommen die 3 Bewohner von Porciorasco von 3 Kühen, die in einem kleinen Stall ebenfalls aus dem 16. Jahrhundert untergebracht sind. Manuele Albere kennt sich mit den Tieren gut aus:
"(Mann) Meine Mutter hatte schon immer zwei Kühe. Schon vor zwölf Jahren hat sie Milch und Käse gemacht. Von ihr habe ich das gelernt und mache auch Milch und Käse."
Nur alle paar Wochen fährt er oder der Lebensgefährte von Elisabetha der 3. Einwohner in Porciorasco, in das 15 Kilometer entfernte Varese Ligure um Lebensmittel zu kaufen. Ein Ort, den unlängst die EU entdeckt hat - und mit ihren Geldern als EU-Juwel unterstützt. Von hier stammen die originalen Croxetti. Handgemachte Nudeln, die ihren eigenen Stempel aufgedrückt bekommen.
"(Mann) Diese Nudelart ist sehr, sehr alt. Ich habe das recherchiert und ein Dokument gefunden. Darin habe ich entdeckt, das bereits im 15. Jahrhundert von den Nudelstempeln gesprochen wird. Die ältesten Muster stammen wahrscheinlich aus dem Mittelalter, ich habe welche aus dem 16. 17. und 18. Jahrhundert gefunden und mich in die Stempel verliebt."
Pietro Picetti beherrscht das Handwerk der Nudelstempel, er besitzt eine kleine Werkstatt mit Laden, dem Nudelstempelladen. Die Handwerkskunst hat er von seinen Großeltern gelernt. Die Stempel fertigt er vom groben Ast bis hin zum filigranen Kunstwerk im Durchmesser von 6 Zentimeteren aus Ebenholz, Walnußholz, Eiche, oder was ihm so in die Hände kommt. Liebevoll entwirft er die Muster.
" (Mann) Zuerst mache zeichne ich einen Entwurf des Musters auf den Stempel und langsam, ganz langsam entsteht unter meinen Händen die Form."
In der Werkstatt kann man den Werdegang der Stempel genau verfolgen. Vom Holzscheit über gehobelte Quadratblöcke schnitzt Pietro Picetti mit einem winzigen Hobel ganz individuelle Muster. Die Stempelnudeln werden nur zu ganz festlichen Anlässen gegessen. Zur Hochzeit, zur Kommunion.
"(Mann) Das Gute an den Croxetti ist: Zum einen die Schönheit, zum zweiten die Eigenschaft, dass sie sehr gut die Sauce aufnehmen ... "
Von Tourismus ist in Varese Ligure nichts zu spüren. Der Ort im Magra-Tal ist zu weit vom Meer entfernt. Bunt bemalte Häuser schmiegen sich in einem Kreis um den Dorfplatz. Gassen und Torbögen werden zur Zeit noch mit Geldern der EU restauriert. Richtung Meer tummeln sich ausländische Besucher zu Hauf in den Cinque Terre: Die fünf Dörfer, die berühmt für ihre märchenhafte Schönheit und den köstlichen Wein sind. Die edlen Tropfen bekommen Pauschaltouristen aber gar nicht erst zu probieren. Den besten Wein stellen ambitionierte Winzer ausschließlich für die Familie her. Wie zum Beispiel Andrea Raffellini, der seine Cantina mit den 2 Meter dicken Mauern nach einem Schwätzchen am Dorfplatz in Riomaggiore öffnet. Neben Wein keltern beherrscht er viele Sprachen, auch Deutsch:
" Das ist eine Familientradition, weil wir haben nicht nur Blut in unseren Adern sondern auch Wein (lacht). Kann man kosten aber nicht kaufen, weil unseren Schweiß verkaufen wir nicht, unsere Mühe, unsere Liebe, weil es ist sonst zu teuer ist zu kaufen. "
Geradezu umbringen für ihren Wein tun sich die Menschen in Vezzane Ligure.
An diesem Sonntag platzt der Ort, dessen Häuser sich um die Spitze eines Hügels gruppieren aus allen Nähten. La festa di uva, das Weinfest ist der Höhepunkt der Saison Ende September. Der ganze Ort ist von Weinreben und bunten Bändern geschmückt. An den zahlreichen Ständen kann man probieren und am Abend einem ungewöhnlichen Wettkampf zusehen. 2 Mädchen im Trachtenlook müssen auf einem Fußballplatz unter den Augen der Besuchermassen durch einen Eisenring klettern, dabei Körbe mit Weintrauben balancieren und in ein altes Weinfaß kippen.
Ihre Mitstreiter müssen innerhalb kürzester Zeit die Trauben mit Hilfe ihrer Füße zu Rebensaft zertrampeln. Welcher der zwei Gruppen den meisten Wein dabei erstellt, gewinnt.
Das Ergebnis: Gleichstand. Das Fest kann friedlich weitergehen. Auf der Insel Tino zu Füßen von Vezzane Ligure ist inzwischen wieder Ruhe eingekehrt. Das letzte Schiff hat in der Abenddämmerung wieder im Hafen von La Spezia festgemacht. Wer auf die verbotene Insel will muss warten: auf den 13. September im nächsten Jahr.
" Wir gehen zu dem Fest von Sankt Venerius, ich war noch nie dort und bin aufgeregt ...
(Frau) Wir besuchen das Fest unseres Heiligen. Die Insel ist ja sonst gesperrt, weil sie Militärzone ist.
(Mann) Es ist ein schöner Ausflug. Man besucht die Kirche und ist in Gesellschaft."
Über eine Treppe geht es ins das weiße Ausflugsschiff. Der Besuch der Insel, die sonst militärisches Sperrgebiet ist, gleicht mehr einem Sonntagsausflug als der Pilgerfahrt zu den Gebeinen eines Heiligen. San Venerio wird auf der Insel geehrt. Er hat im 7. Jahrhundert auf Tino als Eremit gelebt und ist Schutzpatron des Golfes.
Etwa eine halbe Stunde braucht das Boot, zieht vorbei an der Insel Palmaria, die Sonne gleißt auf dem Wasser, Wind ist kaum zu spüren... Die Fahrt nach Tino - für einige Familien jährliche Tradition:
"(Frau) Mir gefällt die Insel. Jedes Jahr gibt es diese Neugierde ,man muss einfach dorthin fahren und schauen.."
Von Heiligkeit ist auch nach dem Anlegen nicht viel zu spüren, Kinder nehmen ein Bad an dem sonst verbotenen Strand, der Kai ist wenige Minuten später von Fischern überfüllt, dutzende Angeln dümpeln im Wasser.
"(Mann) Ich fische Schwertfisch, Dorade und viele andere Fische aus der Tiefe für den Verzehr. Ich fische oft. Aber heute macht es mir besonders viel Spaß, denn die Insel ist nur einmal im Jahr zugänglich, deshalb haben die Fische ganz besonders viel Hunger... "
Die Insel wird von Soldaten täglich bewacht. Auch heute sind einige da. Ihre Freundinnen sind zu Besuch. Gemütlich sitzen sie vor dem kleinen Kontrollhaus aus Beton mit Meerblick und Seeterasse. Bei Espresso und Schwätzchen müssen ihre Männer die Insel heute nicht vor unfreiwilligen Besuchern verteidigen. Wie manchmal, wenn doch jemand versucht, den einsamen Strand für sich zu nutzen oder am Golfo dei Poeti ein Zelt aufzuschlagen.
"(Mann) Einige Leute wollen einfach nur ein bisschen an den Strand gehen. Wir schicken sie weg. Manche tun sogar so, als wüssten sie nicht, dass die Insel verboten ist. Sie dürfen hier nicht baden, nein! Nur vom Boot aus dürfen sie ins Wasser.."
15 Uhr, Zeit den heiligen Venerius zu ehren. Die Besucher haben sich schon einen Platz in der kleinen Kirche auf Tino gesucht oder sitzen draußen auf einem kleinen Mäuerchen vor der Kirche. Manche spazieren im kleinen Kreuzgang nebenan und atmen die Atmosphäre der Vergangenheit ein. Einige sind noch unterwegs auf dem breiten Wanderweg durch die Pinienbäume, genießen die interessanten Blicke durch die Bäume auf das Festland. Das Kirchlein aus graubeigen dicken Natursteinen wurde zu Ehren des Heiligen im 7. Jahrhundert auf seinem Grab erbaut und im 11. Jahrhundert restauriert, als Abtei, die jetzt verlassen ist.
Die Reliquie von Sankt Venerius, Knochen unter einem Gipsabdruck des Gesichtes in einer goldumrandeten Glaslaterne wird geweiht. Das Weihwasser kommt übrigens aus einem Plastikfläschchen, dass der Pfarrer extra vom Festland mitgebracht hat.
"(Mann) Wie erklärt man das Leben von Sankt Venerius? Er hatte Mut und hat sich das Leben als Eremit ausgesucht.."
Sankt Venerius ist der Heilige der italienischen Schiffslotsen und der Erfinder des Leuchtfeuers, so glauben es die Italiener. Er zündete Feuer an, um Booten den Weg zu weisen, rettete sie auf ihren Fahrten bei Wind und Wetter.
"(Mann) Sankt Venerius ist einer von den bekannteren Heiligen. Aber er ist anders, vielleicht ein sogar bisschen exotisch... Sankt Venerius ist ein ganz besonderer Heiliger."
Ein anderer Priester wandelt während der Pilgermesse alleine durch das Buschwerk der Insel Tino, schreitet bedächtig vor sich hin, meditiert... auf den Spuren des Eremiten.
"(Mann) Sankt Venerius hat auf dieser Insel als Eremit gelebt und ist hier gestorben. Gemäß seiner christlichen Berufung war er vor vielen hundert Jahren hier auf Tino..."
Die Messe ist zu Ende, alles strömt auf den höchsten Punkt der Insel zu, zum gemütlichen Beisammensein. Nach der Messe wird auf einer lichten Ebene oben auf der Insel. gefeiert, mit Rundumblick auf den Golfo dei Poeti. Weinreben sind auf Schnüre geflochten, Tische gedeckt, der asphaltierte Platz mit Steingeländer füllt sich binnen kurzen mit Menschen. Es gibt typische pane frittato, ein einfaches Fettgebäck mit Zucker und natürlich Weißwein aus der Region.
Im kleinen Museum nebenan, von der Größe eines kleinen Einfamilienhauses wird die Geschichte des Heiligen in Bildern und Zeichnungen erzählt. Reste seiner Kleider, einer Mönchskutte sind in Vitrinen untergebracht, Keramik und Münzen aus seiner Zeit ausgestellt. Außen an der Mauer hängt heute und nur heute ein Briefkasten der Poste Italiane. Davor steht Signor Euro an einem Stehtisch und verkauft Postkarten mit dem Poststempel von Tino für einen Gruß der verbotenen Insel nach Hause!
"(Mann) Nur heute kann man hier Postkarten verschicken, zum Fest des heiligen Venerius. Sie tragen den Poststempel der Insel Tino und sind deshalb sehr begehrt...
(Frau) Das ist was besonders, sehen Sie? Hier ist der Poststempel von Tino mit dem Datum vom 13. September. Ich werfe die Karte jetzt in den Briefkasten."
Der Heilige ist auf den Postkarten abgebildet beim Schüren eines Leuchtfeuers. Bevor wir Tino verlassen, verrät mir ein Soldat beim Schwätzchen und Wein dass die Insel gar nicht so gut bewacht wird, wie alle denken:
"(Mann) Nachts ist hier keiner, wir kommen nur hin und wieder zu Stichproben hierher...."
Ähnlich wie der heilige Venerius, zweihundert Kilometer von Tino entfernt, führen 3 Menschen im tiefsten Hinterland Liguriens ebenfalls ein Eremitenleben. In Porciorasco. Das Dorf kennt kaum ein Einheimischer. Eine asphaltierte Straße dorthin gibt es nicht. Wer hier hinkommt, könnte meinen, die Zeit wäre stehengeblieben. Es gibt keinerlei Lärm und uraltes Steinwerk. Alle Häuser sind mindestens 300 Jahre alt.
Manuele Albere kommt nur am Wochenende, fabriziert hier seinen eigenen Grappa und bewacht die Schlüssel der Kirche aus dem 17. Jahrhundert.
" (Mann) Meine Frau hat keine Lust mit hier hin zu kommen. Hier habe ich meine Ruhe. Niemand stört mich, oder geht mir auf die Nerven. Ich gehe schlafen wann ich will, ich stehe auf wann ich will ... ich bin der Techniker für die Kirche."
Blaue und gelbe Fresken säumen die Kirchenwände, die Beichtstühle aus dunkelbraunem Holz zeigen wertvolle Schnitzereien. Ganze 4 Steinhäuser säumen den Kirchplatz mit einer dicken Eiche vor dem Kirchentor. Sie sind alle aus dem 16. Jahrhundert, das beweisen die Inschriften auf den Türen, die kunstvoll in Stein in die Türstürze gemeißelt sind. Direkt neben der Kirche liegt das Haus von Elisabetha Megazini di Laurentis und ihrem Lebensgefährten. Zwei Künstler, die mit Ausblick in die einsame Bergwelt des Hinterlandes malen, abgeschieden von jeglicher Zivilisation.
"(Frau) Hier gibt es nur das Geräusch des Windes und einiger Vögel. Es herrscht eine Art antiker Frieden, die uralten Gebäude verbreiten diese Atmosphäre. (564) Hier gibt es keine Zeit und keine Hektik. Ich schaue nie auf die Uhr, weil das hier nicht vonnöten ist. Ich bin verzaubert von diesem Ort. Es ist ein eigene kleine Welt. Ich zeichne hier und male."
Elisabetha ist nach Porciorasco gezogen damit der Ort nicht verwaist, als die letzte Einheimische vor einem Jahr starb, die Mutter vom Grappamacher Manuele Albere. ihr Atelier ist die ehemalige Vorratskammer des Hauses, 400 Jahre alt, lichtdurchflutet, mit getrockneten Heilkräutern, die von der Decke hängen. Wasser für die Farben und Wasser zum Trinken kommt aus den Bergen.
"(Frau) Wasser gibt es immer. Es kommt aus einer Quelle oben aus den Bergen und versorgt das ganze Dorf."
Mit einer Elektropumpe und einem Schlauch hat sie den alten Brunnen vor dem Haus wieder zum Plätschern gebracht.
Milch bekommen die 3 Bewohner von Porciorasco von 3 Kühen, die in einem kleinen Stall ebenfalls aus dem 16. Jahrhundert untergebracht sind. Manuele Albere kennt sich mit den Tieren gut aus:
"(Mann) Meine Mutter hatte schon immer zwei Kühe. Schon vor zwölf Jahren hat sie Milch und Käse gemacht. Von ihr habe ich das gelernt und mache auch Milch und Käse."
Nur alle paar Wochen fährt er oder der Lebensgefährte von Elisabetha der 3. Einwohner in Porciorasco, in das 15 Kilometer entfernte Varese Ligure um Lebensmittel zu kaufen. Ein Ort, den unlängst die EU entdeckt hat - und mit ihren Geldern als EU-Juwel unterstützt. Von hier stammen die originalen Croxetti. Handgemachte Nudeln, die ihren eigenen Stempel aufgedrückt bekommen.
"(Mann) Diese Nudelart ist sehr, sehr alt. Ich habe das recherchiert und ein Dokument gefunden. Darin habe ich entdeckt, das bereits im 15. Jahrhundert von den Nudelstempeln gesprochen wird. Die ältesten Muster stammen wahrscheinlich aus dem Mittelalter, ich habe welche aus dem 16. 17. und 18. Jahrhundert gefunden und mich in die Stempel verliebt."
Pietro Picetti beherrscht das Handwerk der Nudelstempel, er besitzt eine kleine Werkstatt mit Laden, dem Nudelstempelladen. Die Handwerkskunst hat er von seinen Großeltern gelernt. Die Stempel fertigt er vom groben Ast bis hin zum filigranen Kunstwerk im Durchmesser von 6 Zentimeteren aus Ebenholz, Walnußholz, Eiche, oder was ihm so in die Hände kommt. Liebevoll entwirft er die Muster.
" (Mann) Zuerst mache zeichne ich einen Entwurf des Musters auf den Stempel und langsam, ganz langsam entsteht unter meinen Händen die Form."
In der Werkstatt kann man den Werdegang der Stempel genau verfolgen. Vom Holzscheit über gehobelte Quadratblöcke schnitzt Pietro Picetti mit einem winzigen Hobel ganz individuelle Muster. Die Stempelnudeln werden nur zu ganz festlichen Anlässen gegessen. Zur Hochzeit, zur Kommunion.
"(Mann) Das Gute an den Croxetti ist: Zum einen die Schönheit, zum zweiten die Eigenschaft, dass sie sehr gut die Sauce aufnehmen ... "
Von Tourismus ist in Varese Ligure nichts zu spüren. Der Ort im Magra-Tal ist zu weit vom Meer entfernt. Bunt bemalte Häuser schmiegen sich in einem Kreis um den Dorfplatz. Gassen und Torbögen werden zur Zeit noch mit Geldern der EU restauriert. Richtung Meer tummeln sich ausländische Besucher zu Hauf in den Cinque Terre: Die fünf Dörfer, die berühmt für ihre märchenhafte Schönheit und den köstlichen Wein sind. Die edlen Tropfen bekommen Pauschaltouristen aber gar nicht erst zu probieren. Den besten Wein stellen ambitionierte Winzer ausschließlich für die Familie her. Wie zum Beispiel Andrea Raffellini, der seine Cantina mit den 2 Meter dicken Mauern nach einem Schwätzchen am Dorfplatz in Riomaggiore öffnet. Neben Wein keltern beherrscht er viele Sprachen, auch Deutsch:
" Das ist eine Familientradition, weil wir haben nicht nur Blut in unseren Adern sondern auch Wein (lacht). Kann man kosten aber nicht kaufen, weil unseren Schweiß verkaufen wir nicht, unsere Mühe, unsere Liebe, weil es ist sonst zu teuer ist zu kaufen. "
Geradezu umbringen für ihren Wein tun sich die Menschen in Vezzane Ligure.
An diesem Sonntag platzt der Ort, dessen Häuser sich um die Spitze eines Hügels gruppieren aus allen Nähten. La festa di uva, das Weinfest ist der Höhepunkt der Saison Ende September. Der ganze Ort ist von Weinreben und bunten Bändern geschmückt. An den zahlreichen Ständen kann man probieren und am Abend einem ungewöhnlichen Wettkampf zusehen. 2 Mädchen im Trachtenlook müssen auf einem Fußballplatz unter den Augen der Besuchermassen durch einen Eisenring klettern, dabei Körbe mit Weintrauben balancieren und in ein altes Weinfaß kippen.
Ihre Mitstreiter müssen innerhalb kürzester Zeit die Trauben mit Hilfe ihrer Füße zu Rebensaft zertrampeln. Welcher der zwei Gruppen den meisten Wein dabei erstellt, gewinnt.
Das Ergebnis: Gleichstand. Das Fest kann friedlich weitergehen. Auf der Insel Tino zu Füßen von Vezzane Ligure ist inzwischen wieder Ruhe eingekehrt. Das letzte Schiff hat in der Abenddämmerung wieder im Hafen von La Spezia festgemacht. Wer auf die verbotene Insel will muss warten: auf den 13. September im nächsten Jahr.