Ursula Mense: Ein Thema, das hierzulande mit großem Interesse verfolgt werden dürfte. Auch wenn Volvo mit einer halben Million produzierter Autos im Jahr nicht gerade mitmischen kann im Kreis der Autogiganten. Ignorieren dürften VW und Daimler die Kunde nicht von der als "grundlegende Kehrtwende" verkauften neuen Strategie aus Schweden.
Ist sie tatsächlich so spektakulär? Das habe ich den Autoexperten Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch-Gladbach gefragt.
Stefan Bratzel: Das ist schon eine relativ große Kehrtwende, die Volvo jetzt mediengerecht ankündigt und sich da schon positioniert als ein Automobilhersteller, der quasi symbolhaft für den Wandel von der Alten Welt hin zur Neuen Welt steht. Insofern ist das schon eine Thematik, die sicherlich aufhorchen lässt auch bei den deutschen Herstellern, die sicherlich durch eine solche Ankündigung eines etablierten Automobilherstellers stärker unter Druck kommen, ähnlich konsequent vorzugehen.
"Der Preis ist ein ganz wichtiges Thema"
Mense: Volvo selbst spricht ja von einem neuen Kapitel. Das heißt, bis 2025 sollen es eine Million Fahrzeuge sein. Vergleicht man das jetzt mal mit Tesla – die haben angekündigt für 2020 schon eine Million -, muss man dann die Bedeutung relativieren?
Bratzel: Jetzt ist Volvo natürlich kein Massenhersteller wie beispielsweise Volkswagen oder General Motors mit seinen Marken. Aber es ist ein Premium Light Hersteller mit in höheren Segmenten angesiedelten Fahrzeugen, und eine Million Fahrzeuge ist jetzt nicht ganz wenig.
Mense: Volvo-Chef Samuelsson hat selbst gesagt, es seien vor allen Dingen die Kunden, die immer mehr nach Elektroautos fragen würden. Über Preise hat er meines Wissens noch nicht gesprochen. Vielleicht wissen Sie da mehr und auch über mögliche Kaufanreize in Schweden?
Bratzel: Ja gut. Ich glaube, Volvo als globaler Hersteller denkt global und schaut diese globalen Märkte an, namentlich Europa, USA und vor allem China, wo man ja sehr viel stärker werden wird. Und in der Tat ist ja am Ende der Preis für die Elektrofahrzeuge ein ganz wichtiges Thema, weil - auch wenn es Elektrofahrzeuge sind - beispielsweise reine Elektrofahrzeuge wurden ja auch angekündigt, die müssen natürlich auch preislich dann konkurrieren mit entsprechenden Modellen mit reinem Verbrennungsmotor der Konkurrenz, und das wird die große Herausforderung sein. Entsprechend glaube ich, dass man auch genau hinschauen muss. Er hat ja gesagt, dass es elektrifizierte Fahrzeuge sind, und möglicherweise meint er da auch sogenannte Multi-Hybride, also Fahrzeuge, die zwar einen Elektromotor haben, aber dieser Elektromotor nur unterstützend zum Verbrennungsmotor eingesetzt wird. Das wäre dann wesentlich günstiger und auch wesentlich einfacher.
Volvo-Signal "wird den Druck verstärken"
Mense: Das heißt, für die deutschen Hersteller ist damit jetzt wirklich eine sehr große Herausforderung, ein ganz bedeutendes Signal verbunden?
Bratzel: Ja, das ist natürlich schon ein Signal. Das wird wieder weitere Fragen aufwerfen. Das wird den Druck verstärken. Volvo ist dann eine Art Präzedenzfall, wobei man natürlich auch sagen muss, auch die deutschen Hersteller gehen ja 2025 davon aus, dass rund 15 bis 25 Prozent der Fahrzeuge, die sie weltweit absetzen, Elektrofahrzeuge sind, reine Elektrofahrzeuge oder sogenannte Plug-in-Hybride, also Fahrzeuge, die rein elektrisch auch zumindest für 30 bis 50 Kilometer fahren können.
Herausforderungen der Infrastruktur
Mense: Sie haben nun gesagt, es ist wirklich eine Kehrtwende. Warum kriegen denn eigentlich die Deutschen eine solche Kehrtwende nicht hin?
Bratzel: Die deutschen Automobilhersteller arbeiten ja auch seit Kurzem intensiv an dem Thema der reinen Elektromobilität. Man will das ja auch hinkriegen. Man ist sich aber noch nicht sicher, ob und wie schnell sich das Thema Elektromobilität in der Breite durchsetzt, und das ist ja auch in der Tat eine Frage. Wir sehen ja, dass im Moment die Kundennachfrage nach Elektrofahrzeugen weltweit mit einem Anteil von vielleicht 0,7 Prozent an den weltweit abgesetzten Fahrzeugen noch nicht wahnsinnig hoch ist. Entsprechend gibt es natürlich auch einige Herausforderungen für die reine Elektromobilität – denken Sie neben der Reichweite, die noch nicht genügt, an das Thema der Lade-Infrastruktur, Schnell-Lade-Infrastruktur, wenn man Elektrofahrzeuge als Erstfahrzeuge einsetzen muss.
Chinas Elektroquote "wird immer höher werden"
Mense: Na gut. Aber die Fragen müssen sich die Schweden natürlich auch alle stellen.
Bratzel: Das müssen sich die Schweden auch stellen und deswegen werden wahrscheinlich die Plug-in-Hybride, die ja einen Verbrennungsmotor dabei haben, und die Multi-Hybride einen großen Anteil am Ende an den Verkaufszahlen auch 2025 ausmachen.
Mense: Nun gehört Volvo seit ein paar Jahren komplett der chinesischen Geely-Gruppe. Sind das die eigentlichen Treiber dahinter?
Bratzel: Nun, ich glaube, dass Geely Volvo schon die letzten Jahre sehr viele Freiheiten gelassen hat. Insofern glaube ich jetzt nicht, dass Geely Volvo geradezu gezwungen hat, das Thema Elektromobilität voranzutreiben. Aber Geely macht insofern Druck als chinesischer Hersteller, dass Volvo im chinesischen Markt stärker wird, und in China, weiß man, wird das Thema Elektromobilität aus staatlichem Druck, aus Regulationsdruck heraus sehr viel stärker gefordert werden. Es wird ja eine Elektroquote in den nächsten Jahren angesetzt, die jahrein, jahraus immer höher werden wird. Und da man in diesem Markt reüssieren will und viel stärker werden will, denke ich, dass das ein wichtiges Motiv ist, das Thema Elektromobilität voranzutreiben im Volvo-Konzern.
Mense: In den nächsten Jahren werden dann die Volvos vor allen Dingen auch in China laufen?
Bratzel: Das ist sicherlich der Plan und da will man wesentlich stärker werden und der chinesische Markt ist ja jetzt schon der größte globale Automobilmarkt, und wenn man dort stark wird mit den richtigen Modellen und Antrieben, dann ist Volvo nicht mehr aufzuhalten.
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