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Nutzer fragt, Google antwortet

Das Suchmaschinen-Unternehmen Google plant semantische Funktionen. Dadurch soll die Verweildauer der Nutzer auf der Seite verlängert und damit die Werbeeinnahmen erhöht werden, sagt der Wissenschaftsjournalist Marcus Schuler.

Marcus Schuler im Gespräch mit Manfred Kloiber |
    Manfred Kloiber: Google will seine Suche anscheinend sehr umfangreich umbauen. Das berichtet das Wall Street Journal. Eine offizielle Bestätigung des kalifornischen Unternehmens gibt es aber nicht. Wichtigste Neuerung: Die Google-Suche soll semantisch werden. Der Umbau dürfte sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, von mindestens einem Jahr ist die Rede. Marcus Schuler, was bedeutet es, wenn die Suchergebnisse nun "semantisch” werden sollen?

    Marcus Schuler:
    Das bedeutet, dass einzelne Fragen direkt auf der Suchergebnisseite beantwortet werden. Gebe ich zum Beispiel das Wort "Neckar” ein, wird mir künftig vermutlich angezeigt werden, wie lange der Fluss ist, wo er entsteht, welche Wassergüte er hat, wo die wichtigsten Häfen liegen und dass er in den Rhein auf 95 Metern Meereshöhe mündet. Es wird also nicht, wie bislang üblich, auf andere Internetseiten verlinkt, auf denen diese Angaben dann zu finden sind. Vorstellbar wäre auch, dass man, so wie bei Wolfram Alpha, der ersten semantischen Suchemaschine, ganze stellen kann. Zum Beispiel der Gestalt - "Was sind die fünf größten Flüsse in Deutschland?” und man dann anstelle von Links, direkt die richtige Antwort erhält.

    Kloiber: Die jetzige Schlagwort-Suche bleibt aber dennoch bestehen...?

    Schuler: Sie soll der wichtigste Bestandteil bleiben. Man kombiniert aber wohl beide Suchtypen miteinander. Die "Ur-Funktionalität”, auf der das Suchmaschinen-Unternehmen seinen Erfolg begründet, dem Page Rank, benannt nach Firmenboss Larry Page, der bleibt bestehen. Er beruht ja darauf, dass die Wichtigkeit einer Internetseite unter anderem danach beurteilt wird, wie viele andere Seiten beispielsweise auf diese verlinken oder ob es eine Häufung einzelner Worte gibt.

    Kloiber: Wie will Google diese semantische Funktionalität realisieren? Die Daten aus dem Page-Rank dürften da vermutlich kaum weiterhelfen?

    Schuler: In der Tat. In den vergangenen zwei Jahren muss das Unternehmen wohl eine riesige Entitäten-Datenbank aufgebaut haben, in der hunderte von Millionen von "Dinglichkeiten”, also Menschen oder Orten gespeichert sind. Erst damit ist es möglich, unterschiedliche Worte miteinander in Beziehung zu setzen. Möglich auch deshalb, weil sich Google Suchbegriffe aus vorhergehenden Suchanfragen merkt: Wenn ich zum Beispiel häufig nach "Wildkatzen” in der Vergangenheit gesucht habe und den Begriff "Jaguar” eingebe, wird mir das Unternehmen zuerst Ergebnisse zu der Katzenart ausliefern als zu dem Auto.

    Kloiber: Welche Motive stecken hinter diesem Umbau, was bezweckt das Unternehmen?

    Schuler: Wenn man zusätzlich semantische Ergebnisse ausliefert, direkt beantwortet, wird die Verweildauer der Nutzer länger sein. Man muss nicht auf die Links zu anderen Seiten klicken und ist dann quasi fort. Dadurch schaut man vermutlich die eingeblendeten Werbeanzeigen länger an. Außerdem gibt es ja immer mehr Sparten-Suchmaschinen, die sich zum Beispiel auf die Suche nach Produkten spezialisiert haben. Zum anderen will Mountain View auch Gegengewicht zu Facebook sein. Das soziale Netzwerk hat eine riesige Datenbank mit Informationen über Menschen, Dinge und Orte. Einzig: Facebook hat es noch nicht geschafft, damit eine vernünftige Suchmaschine zu bauen. Hier will man bei Google eine Funktionalität entgegensetzen, die Facebook noch nicht realisiert hat.

    Kloiber: Eine ganze Industrie lebt von der Optimierung von Internetseiten, damit sie in der Suchmaschine möglichst weit oben angezeigt werden. Was bedeutet das für die Suchmaschinen-Optimierer?

    Schuler: Es kommt darauf an, wie viel Raum den semantischen Ergebnissen gegeben wird. Je größer deren Umfang, umso stärker sinkt die Bedeutung der bisherigen Ergebnisse. Andererseits: Bei vielen Anfragen machen semantische Ergebnisse keinen Sinn. Von daher dürfte sich für diese Profession kaum etwas ändern.