Dirk-Oliver Heckmann: Heute beginnt in Hannover die Nutzfahrzeugmesse IAA. Das ist die weltweit größte Messe für die Transportbranche, für Lkw-Bauer, Spediteure und Zulieferer. Mehr als 2.100 Aussteller aus rund 50 Ländern werden erwartet. Klemens Kindermann aus unserer Wirtschaftsredaktion: Gibt es so etwas wie eine Überschrift für die diesjährige Messe, ein Top-Thema?
Klemens Kindermann: Ja, das gibt es: Die Überschrift lautet: Alles wird elektrisch und digital. Und eben auch die Lastwagen, Transporter und Busse. Aber, Herr Heckmann, gestern haben wir durch den Bericht der Experten an die Bundeskanzlerin gelernt: Das mit den Elektroautos, das geht alles nicht so schnell. Und genauso ist es mit den Nutzfahrzeugen. Noch ist zum Beispiel ein Elektrobus noch gut doppelt so teuer wie einer mit Verbrennungsmotor. Der Chef des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Bernhard Mattes, erklärt das so:
"Nach wie vor ist die Batteriezelle und damit die gesamte Batterie das Teuerste am Elektroantrieb aufgrund der sehr hochwertigen Rohstoffe, die hier verbaut werden, aber auch der kostenintensiven Herstellung der Batteriezellen."
Da müssen die deutschen Hersteller aufpassen, dass sie nicht vom Ausland überholt werden, etwa von China. In der Stadt Shenzhen – zwölf Millionen Einwohner - fahren schon 16.000 E-Busse des Autobauers BYD.
Kommunen brauchen dringend Elektrobusse
Heckmann: In den Städten drohen Fahrverbote für Diesel – steigern diese drohenden Verbote das Interesse an elektrischen Bussen und Lkw?
Kindermann: Absolut! Die Elektrobusse spielen bei allen Anstrengungen der Kommunen, die Luftqualität zu verbessern, eine zentrale Rolle. Die Bundesregierung hat mit dem "Sofortprogramm für saubere Luft" besonders auf Elektrobusse zur Abgasminderung abgezielt. Die deutschen Autobauer holen da mächtig auf, aber gebraucht werden die Busse aktuell und dringend. Die Berliner Verkehrsbetriebe BVG etwa haben jetzt im Sommer auch Elektrobusse vom polnischen Hersteller Solaris bestellt.
Und die Lastwagen-Bauer müssen wegen der geplanten schärferen Grenzwerte der EU für den Schadstoffausstoß umsteuern. Erstmals soll der CO2-Ausstoß bei schweren Nutzfahrzeugen geregelt werden: von 2019 bis 2025 soll er um 15 Prozent sinken, bis 2030 sogar um 30 Prozent.
Lkw-Fahrer dringend gesucht
Heckmann: Vorgestern haben Sie hier im Wirtschaftsgespräch über fehlende Lokführer gesprochen – wie sieht es denn bei den Lkw-Fahrern aus?
Kindermann: Auch nicht viel besser. Lkw-Fahrer sind gesucht wie selten. Der Online-Handel boomt, der Güterverkehr nimmt zu – aber das Personal fehlt. Mehr als eine halbe Million Lkw-Fahrer gibt es noch in Deutschland, davon gehen viele aber in den kommenden Jahren in Rente. Für junge Leute ist der Beruf offenbar nicht mehr sehr attraktiv: Tage- und wochenlange Abwesenheit von der Familie, die ziemlich dürftige Infrastruktur auf den überfüllten Autobahn-Parkplätzen und die immer noch nicht so tolle Bezahlung – das schreckt viele ab.
Und, wie bei den Lokführern, die Sorge, nicht mehr gebraucht zu werden, wenn irgendwann alles autonom fährt. Da müssen die Spediteure dringend junge Leute gewinnen, auch junge Frauen. Heute sind nur zwei Prozent der Lkw-Fahrer Frauen. Da droht - sozusagen - der deutschen Wirtschaft der fahrbare Untersatz verloren zu gehen. Mehr Kraftfahrer - das ist eine ökonomische Notwendigkeit, auch wenn die Romantik der "Kapitäne der Landstraße" vielleicht wirklich vorbei ist.