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Missbrauch im US-Frauenfußball
Die NWSL will wieder durchstarten

Die Frauenfußball-Liga NWSL in den Vereinigen Staaten hat modellhaft die Altlasten eines massiven Missbrauchsskandals abgearbeitet. Nun schauen die Verantwortlichen und die Spielerinnen wieder optimistisch in die Zukunft. Aus gutem Grund.

Von Jürgen Kalwa | 14.01.2023
Das Logo der US-Frauenfußball-Liga NWSL auf dem Ärmel einer Schiedsrichterin.
Das Logo der US-Frauenfußball-Liga NWSL auf dem Ärmel einer Schiedsrichterin. (imago images / ZUMA Wire / Robin Alam)
Donnerstag dieser Woche in Philadelphia: Die amerikanische Frauenfußballliga richtet ihre jährliche Nachwuchs-Draft aus.  Die Stimmung ist bestens. Wie erwartet wird die hoch eingeschätzte 18-jährige Stürmerin Alyssa Thompson, seit September im Kader der Nationalauswahl, als erste gezogen. Sie landet bei ihrem Wunschverein. Beim Angel City FC in ihrer Heimatstadt Los Angeles.
Am Ende des Abends haben alle zwölf Klubs mehrmals zugegriffen. Für 48 junge Sportlerinnen beginnt deshalb in ein paar Wochen der Ernst des Lebens. Die neue Saison startet Ende März.

Medien deckten Missbrauch auf

Die Atmosphäre stand im starken Kontrast zur Gemengelage der letzten Monate. Man erinnere sich an den Oktober 2021, als erste Medienberichte alltäglichen sexuellen und anderen Missbrauch aufdeckten. Und an die erboste Parole von Megan Rapinoe, derprominentesten Fußballerin des Landes, die in Seattle für OL Reign spielt: “Brennt das Ganze komplett nieder. Lasst all ihre Köpfe rollen.”
Oder an jenen Moment vor ein paar Wochen, als der Untersuchungsbericht des amerikanischen Fußballverbandes die Übergriffe und Vertuschungsaktionen in all ihren hässlichen Details beschrieb.
Die ehemalige Justizministerin Sally Yates leitete die Ermittlungen: "Mit am irritierendsten war, dass Leute gesagt haben, nachdem alles herauskam: ‘Die Spielerinnen hätten sich beschweren sollen.’ Nun, sie haben sich auf verschiedene Weise beschwert, bei Umfragen, bei Teambesitzern, bei der Liga, beim Verband. Nur wurden sie entweder völlig ignoriert. Oder es gab Personen, insbesondere Klub-Eigentümer, die den Spielerinnen unredliche Motive unterstellt haben."

Bericht in Zusammenarbeit mit Spielerinnengewerkschaft

Im Dezember legte die Liga ihren eigenen Bericht vor. Die Besonderheit daran: Er war in Zusammenarbeit mit der Spielerinnengewerkschaft entstanden. Deren Anwältin Arianna Scavetti betonte bei einer Pressekonferenz: “Während unserer Untersuchung haben wir gehört, dass das Unbehagen der Spielerinnen ständig zugenommen hat. Sie wussten nicht, ob sie der Liga überhaupt vertrauen können. Natürlich hilft der Untersuchungsbericht auch in anderen Bereichen. Besonders wenn es darum geht, Personen zur Rechenschaft zu ziehen und Transparenz zu schaffen.”
Anfang der Woche wurden die Konsequenzen bekanntgegeben. Die vier bereits öffentlich belasteten Cheftrainer wurden auf Lebenszeit ausgeschlossen. Zehn weitere Trainer, darunter vier Frauen, teilweise mit kürzeren Sperren belegt.
Die Strafmaßnahmen hatte Jessica Berman getroffen, die neue Geschäftsführerin der Liga, offizieller Titel: “Commissioner”. Sie unterstrich in ihrer Pressekonferenz am Donnerstag: "Unser Untersuchungsbericht und der von Sally Yates zusammen, erarbeitet von insgesamt drei unterschiedlichen Anwaltskanzleien, sind im Wesentlichen zum selben Ergebnis gekommen. Deshalb stehen wir zu unserer Entscheidung."

Berman will NWSL-Marke präsenter machen

Ihre Vorgängerin hatte keine rühmliche Rolle gespielt und kurz nach dem Bekanntwerden der Beschuldigungen gekündigt. Berman, gelernte Anwältin mit dem Spezialgebiet Arbeitsrecht, brachte viel Erfahrung  von ihren Stationen in mehreren Sportligen mit. Die will sie nun vor allem in die Zukunft der Liga einbringen. Es gibt schließlich viel zu tun. "Wir haben bereits das Jahr 2024 im Visier, um unsere Marke präsenter zu machen. Wir wollen das Logo neu gestalten. Aber das Augenmerk ebenso stärker auf das Spiel und unsere Spielerinnen legen. Auf den Unterhaltungswert und darauf, das zu feiern, was die NWSL im Frauensport zu schaffen in der Lage ist."
NWSL-Geschäftsführerin Jessica Berman.
NWSL-Geschäftsführerin Jessica Berman. (IMAGO / USA TODAY Network / IMAGO / Kyle Ross)
Optimismus ist berechtigt. So ergab eine Umfrage im November, dass die wachsende Bereitschaft amerikanischer Fernsehsender, Frauensport auszustrahlen, positive Resultate produziert: Die Publikumsgunst wächst im gleichen Takt. Und das nicht nur bei den Unter-30-Jährigen, sondern in allen Altersgruppen.
Was ebenfalls nicht zu unterschätzen ist: Das finanzielle Engagement von berühmten männlichen Sportlern im Frauenfußball. Schon seit einer Weile engagiert: die prominenten NBA-Basketballer James Harden bei den Houston Dash und Kevin Durant beim Gotham FC in New York. Am Dienstag gab Football-Quarterback Patrick Mahomes bekannt, dass er zusätzlich zu seiner bereits involvierten Frau Brittany in das NWSL-Team Kansas City Current investiert. Das Geld soll – auch das ein Schritt mit Signalwirkung – unter anderem in den Bau eines klubeigenen Stadions fließen.