Im Jahr 1662 gab es frohe Kunde am Hof des bayerischen Kurfürsten Ferdinand Maria. Endlich, nach zehn Jahren hatte seine Frau Adelheid von Savoyen einen Sohn zur Welt gebracht. Er erhielt den Namen Max Emanuel. Aus Dankbarkeit, so heißt es, kaufte Ferdinand Maria westlich von München ein Grundstück für seine Frau, auf dem das Schloss und der dazugehörige Park Nymphenburg entstanden.
Der Name Nymphenburg war kein spontaner Einfall der Kurfürstin. Er geht auf eine Sage zurück, wonach einer ihrer Vorfahren einst einen Ring von einer Nymphe, der eigentlichen Herrin des Landes, erhalten hat. Seit der Antike gibt es die Vorstellung von Nymphen, verführerischen Naturgeistern, die ihre Seelen in bestimmten Elementen der Natur versenken, in Bergen und Bäumen, Quellen oder Seen.
Steinerne Figur des Halbgottes Pan
Gemeinsam mit Doris Fuchsberger, Albrecht Vorherr und Neven Denhauser, alle drei Kunsthistoriker und Mitglieder der Bürgerinitiative "Gemeinsam für Nymphenburg", streife ich durch den Park, um den Geheimnissen von Nymphenburg auf die Spur zu kommen.
"Jetzt hören wir es schon rauschen. Die Quelle, die vermeintliche Quelle."
Albrecht Vorherr, der jahrzehntelang Kastellan in Nymphenburg war, steht vor einer künstlichen Quelle im Nymphenburger Schlosspark und zeigt auf zwei steinerne Figuren im Halbdunkel der Nadelgehölze. Auf einem Felsmassiv lagert der antike Gott Pan, halb Bock, halb Mensch, und spielt die Flöte. Neben ihm ein Ziegenbock, der irgendwann im Lauf der letzten 200 Jahre die Hörner eingebüßt hat. Vorherr erläutert:
"Er ist der Gott der Hirten, der will zur Mittagszeit seine Ruhe haben, und wenn man ihn stört, dann wird er grantig und versetzt den Störer in panischen Schrecken. Und weil er Hörner hat, Geißenhörner, hat man im frühen Christentum gesagt: ‚Das ist der Teufel. Den betet ihr nicht mehr an!‘ Ja, das ist auch ein sexuell Hochentwickelter. Wir wollen uns da ein bisserl gezähmter verhalten und so wurde der da als Teufel verdammt."
"Jetzt hören wir es schon rauschen. Die Quelle, die vermeintliche Quelle."
Albrecht Vorherr, der jahrzehntelang Kastellan in Nymphenburg war, steht vor einer künstlichen Quelle im Nymphenburger Schlosspark und zeigt auf zwei steinerne Figuren im Halbdunkel der Nadelgehölze. Auf einem Felsmassiv lagert der antike Gott Pan, halb Bock, halb Mensch, und spielt die Flöte. Neben ihm ein Ziegenbock, der irgendwann im Lauf der letzten 200 Jahre die Hörner eingebüßt hat. Vorherr erläutert:
"Er ist der Gott der Hirten, der will zur Mittagszeit seine Ruhe haben, und wenn man ihn stört, dann wird er grantig und versetzt den Störer in panischen Schrecken. Und weil er Hörner hat, Geißenhörner, hat man im frühen Christentum gesagt: ‚Das ist der Teufel. Den betet ihr nicht mehr an!‘ Ja, das ist auch ein sexuell Hochentwickelter. Wir wollen uns da ein bisserl gezähmter verhalten und so wurde der da als Teufel verdammt."
Göttlich beseelte Landschaft
Schon in der Antike galt Pan als schillernde Figur. Selbst die Herkunft des stets lüsternen Halbgotts war nur ungefähr bekannt. Als Gott der Schafe und des Viehs, der Hirten und Jäger schweifte er frei durch die Berge, so der Mythos. Und als Vorsteher der Nymphen spielte er abends auf der Flöte, während die Nymphen den Reigen tanzten.
"Das ist eine ganz ruhige, idyllische, harmonische Ansicht. Buchenwälder, lichtdurchflossen. Wir stehen jetzt an der Schwelle zwischen diesen Welten Drama und Idyll. Das wird auch kulturgeschichtlich als ein Pan-Idyll bezeichnet."
Im Zeichen der Nymphen und des Pan ließen die bayerischen Herrscher in ihrem Garten den alten Traum von Arkadien, dem Ort, an dem alle Geschöpfe friedlich miteinander leben, wiedererstehen. Sie erschufen eine göttlich beseelte Landschaft, ein Fantasiereich, in dem Müßiggang und Sorglosigkeit herrschen sollten und in dem man sich dem "Divertissement" – dem Spiel, den schönen Künsten, der Jagd oder dem Feiern – hingab.
"Das ist eine ganz ruhige, idyllische, harmonische Ansicht. Buchenwälder, lichtdurchflossen. Wir stehen jetzt an der Schwelle zwischen diesen Welten Drama und Idyll. Das wird auch kulturgeschichtlich als ein Pan-Idyll bezeichnet."
Im Zeichen der Nymphen und des Pan ließen die bayerischen Herrscher in ihrem Garten den alten Traum von Arkadien, dem Ort, an dem alle Geschöpfe friedlich miteinander leben, wiedererstehen. Sie erschufen eine göttlich beseelte Landschaft, ein Fantasiereich, in dem Müßiggang und Sorglosigkeit herrschen sollten und in dem man sich dem "Divertissement" – dem Spiel, den schönen Künsten, der Jagd oder dem Feiern – hingab.
Von geometrischen Strukturen hin zu Landschaftsgemälden
Der Pan-Brunnen, der sich hier so illusionistisch in die umgebende Natur einfügt, entstand 1815 im Rahmen der Umgestaltung des Parks in einen englischen Landschaftsgarten mit zwei Seen, kleinen Hügeln und Tälern, einem Apollo-Tempel – und einer Menge grünem Rasen. Doris Fuchsberger, die mehrere Bücher verfasst hat, weiß, dass die spätere bayerische Königin Karoline den Anstoß gab:
"Dann kam die Karoline 1799 das erste Mal nach Nymphenburg und ihr Mann hat alles getan, dass sie sich wohlfühlt und dann ist sie gekommen und hat sich umgeschaut und hat gesagt: ‚Das ist hier alles so altfränkisch.‘ Und dann gingen bald die Umbaumaßnahmen los, im Schloss und auch im Park."
Und Neven Denhauser fügt hinzu:
"Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts hatte man eine gewisse Ablehnung entwickelt gegen die Gärten, die man mit dem Absolutismus verbunden hat. Sckell wandelt jetzt diese geometrischen Strukturen des Gartens um in eine Reihung von dreidimensionalen Landschaftsgemälden. Diese kann man nur erfahren, wenn man als Spaziergänger innerhalb des Wegenetzes geht. Es ist wie in einem Theater, wie in einem Bühnenbild."
Der Landschaftsgestalter Friedrich Ludwig Sckell, der auch den Englischen Garten in München kreierte, orientierte sich dabei an den idyllisch-arkadischen Gemälden von Claude Lorrain. Doch in der symmetrischen Anlage des Parks mit dem Mittelkanal – oder dem Bereich direkt hinter dem Schloss – sind noch Rudimente des französischen Gartens erkennbar, den Max Emanuel, der barocke Kurfürst, vor rund 300 Jahren hat anlegen lassen, als er Schloss und Park auf die heutigen Ausmaße erweiterte.
"Dann kam die Karoline 1799 das erste Mal nach Nymphenburg und ihr Mann hat alles getan, dass sie sich wohlfühlt und dann ist sie gekommen und hat sich umgeschaut und hat gesagt: ‚Das ist hier alles so altfränkisch.‘ Und dann gingen bald die Umbaumaßnahmen los, im Schloss und auch im Park."
Und Neven Denhauser fügt hinzu:
"Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts hatte man eine gewisse Ablehnung entwickelt gegen die Gärten, die man mit dem Absolutismus verbunden hat. Sckell wandelt jetzt diese geometrischen Strukturen des Gartens um in eine Reihung von dreidimensionalen Landschaftsgemälden. Diese kann man nur erfahren, wenn man als Spaziergänger innerhalb des Wegenetzes geht. Es ist wie in einem Theater, wie in einem Bühnenbild."
Der Landschaftsgestalter Friedrich Ludwig Sckell, der auch den Englischen Garten in München kreierte, orientierte sich dabei an den idyllisch-arkadischen Gemälden von Claude Lorrain. Doch in der symmetrischen Anlage des Parks mit dem Mittelkanal – oder dem Bereich direkt hinter dem Schloss – sind noch Rudimente des französischen Gartens erkennbar, den Max Emanuel, der barocke Kurfürst, vor rund 300 Jahren hat anlegen lassen, als er Schloss und Park auf die heutigen Ausmaße erweiterte.
Gigantisches Wasserbauprojekt
Wir stehen vor dem Grünen Brunnhaus im sogenannten Dörfchen. Hinter den Fassaden eines inszenierten Bauerndorfs aus dem 18. Jahrhundert verbirgt sich die historische Technikzentrale für die Wasserspiele im Park. Der Technikhistoriker Michael Eckert hat das gigantische Wasserbauprojekt erforscht, mit dem Max Emanuels Gartenbau begann.
"Das Vorbild für diese Anlage war Versailles. Das Schloss des Sonnenkönigs, der Park des Sonnenkönigs. Das galt für viele Monarchen im 18. Jahrhundert als Vorbild. Entsprechend hat man auch versucht, die Vielzahl der Wasserspiele am Vorbild von Versailles einzurichten."
Geplant war ein riesiges Kanalsystem, das mehrere neue Schlösser des Kurfürsten mit der Münchner Residenz verbinden sollte. Nicht alles wurde realisiert, aber in und um Nymphenburg entstand unter der Leitung eines Schülers des Versailler Gartenarchitekten André Le Nôtre ein ganzes Netz von Kanälen. Entscheidend war die exakte Vermessung des Terrains:
"Auch in Nymphenburg kam es darauf an, bei dem flachen Gelände in der Münchner Schotterebene, die Kanäle so zu legen, dass das Wasser auch wirklich fließt, bei geringstem Höhenunterschied."
"Das Vorbild für diese Anlage war Versailles. Das Schloss des Sonnenkönigs, der Park des Sonnenkönigs. Das galt für viele Monarchen im 18. Jahrhundert als Vorbild. Entsprechend hat man auch versucht, die Vielzahl der Wasserspiele am Vorbild von Versailles einzurichten."
Geplant war ein riesiges Kanalsystem, das mehrere neue Schlösser des Kurfürsten mit der Münchner Residenz verbinden sollte. Nicht alles wurde realisiert, aber in und um Nymphenburg entstand unter der Leitung eines Schülers des Versailler Gartenarchitekten André Le Nôtre ein ganzes Netz von Kanälen. Entscheidend war die exakte Vermessung des Terrains:
"Auch in Nymphenburg kam es darauf an, bei dem flachen Gelände in der Münchner Schotterebene, die Kanäle so zu legen, dass das Wasser auch wirklich fließt, bei geringstem Höhenunterschied."
Den nötigen Druck für die mehr als 600 Fontänen des Parks erzeugten unter anderem zwei Wassertürme am Grünen Brunnhaus. Der ehrgeizige Kurfürst konnte zufrieden sein: Zwar hatte man zahlenmäßig weniger "springende Wasser" als Versailles, diese funktionierten aber – anders als in Frankreich – rund um die Uhr, einzigartig in Europa.
Vor 200 Jahren ersetzte man die Wassertürme durch ein neues System, das der Ingenieur Joseph Baader aus England mitgebracht hatte. Die beiden Fontänen aus dieser Zeit werden heute nur noch stundenweise betrieben. Zweimal am Tag kommt ein Angestellter der Bayerischen Schlösserverwaltung und setzt die Fontäne hinter dem Schloss in Gang.
"Ich bin der Herr Hinterseer. Ich hab‘ diese Woche die Brunnwarttätigkeit."
"Ich öffne immer zuerst das große Wasserrad, langsam, dann geh‘ ich rüber zum zweiten Wasserrad und dann geb‘ ich richtig Gas."
Vergnügungs-Schiffahrt auf den Kanälen
Langsam und immer schneller laufen die Räder an, die die Kurbelwelle antreiben. Die Pumpenkolben schwingen auf und ab. Der in den gusseisernen Windkesseln aufgebaute Druck wird über Rohre in Richtung Fontäne gepresst. Doch das Nymphenburger Wassersystem birgt noch mehr Überraschungen. Nur wenige Meter vom Dörfchen entfernt braust es in der Tiefe. Eine Schleuse unterbricht den ruhigen Fluss des Seitenkanals. Doris Fuchsberger blickt nach unten.
"Da tost das Wasser sicher drei Meter runter. Und diese Treppen, die schaun ein bisserl aus wie ein Bauwerk von den Azteken oder Mayas. Das ist aber genau die Breite, die der Kavalier gebraucht hat, um seine Dame mit dem ausladenden Reifrock galant hier herunter zu geleiten oder herauf."
Tatsächlich stammt die Schleuse aus dem Jahr 1722. Das Kanalsystem im Park diente nämlich auch der Vergnügungs-Schifffahrt. An Schleusen wie dieser musste die Hofgesellschaft aussteigen und warten, bis ihr Schiff passiert hatte. Die Höhepunkte des geselligen Treibens jedoch spielten sich im großen Nymphenburger Kanal ab:
"Da waren ja Gondeln und auch relativ große Schiffe. Auf einem hat man speisen und tanzen können. Das war die sogenannte Große Maschine. Also man ist da den großen Kanal raufgefahren bis zur Kaskade und wieder runter, teilweise ist auch getreidelt worden, mit Pferden gezogen worden. Da san Anlegestellen."
Eine Ansicht des venezianischen Malers Canaletto von 1761 zeigt die Parkseite des Schlosses. Im Vordergrund des Barock-Gartens mit seinen geometrischen Formen, Blumenrabatten und Fontänen sieht man eine Gesellschaft, die sich auf prächtigen Gondeln und Barken amüsiert.
Max Emanuel war ein weitgereister Mann – was in der Gestaltung des Parks und besonders der Parkburgen, kleinen Lustschlösschen, die wildesten Blüten trieb. Fünf Jahre lang kämpfte er als Feldherr an der Seite des Habsburger Kaisers gegen die Türken, war dann Statthalter in den Habsburgischen Niederlanden. Um Kaiser zu werden, verbündete er sich mit Ludwig XIV., was ihm fast zehn Jahre Reichsacht einbrachte. 1715 kehrte er nach Bayern zurück und nahm seine Bauvorhaben wieder auf.
"Da tost das Wasser sicher drei Meter runter. Und diese Treppen, die schaun ein bisserl aus wie ein Bauwerk von den Azteken oder Mayas. Das ist aber genau die Breite, die der Kavalier gebraucht hat, um seine Dame mit dem ausladenden Reifrock galant hier herunter zu geleiten oder herauf."
Tatsächlich stammt die Schleuse aus dem Jahr 1722. Das Kanalsystem im Park diente nämlich auch der Vergnügungs-Schifffahrt. An Schleusen wie dieser musste die Hofgesellschaft aussteigen und warten, bis ihr Schiff passiert hatte. Die Höhepunkte des geselligen Treibens jedoch spielten sich im großen Nymphenburger Kanal ab:
"Da waren ja Gondeln und auch relativ große Schiffe. Auf einem hat man speisen und tanzen können. Das war die sogenannte Große Maschine. Also man ist da den großen Kanal raufgefahren bis zur Kaskade und wieder runter, teilweise ist auch getreidelt worden, mit Pferden gezogen worden. Da san Anlegestellen."
Eine Ansicht des venezianischen Malers Canaletto von 1761 zeigt die Parkseite des Schlosses. Im Vordergrund des Barock-Gartens mit seinen geometrischen Formen, Blumenrabatten und Fontänen sieht man eine Gesellschaft, die sich auf prächtigen Gondeln und Barken amüsiert.
Max Emanuel war ein weitgereister Mann – was in der Gestaltung des Parks und besonders der Parkburgen, kleinen Lustschlösschen, die wildesten Blüten trieb. Fünf Jahre lang kämpfte er als Feldherr an der Seite des Habsburger Kaisers gegen die Türken, war dann Statthalter in den Habsburgischen Niederlanden. Um Kaiser zu werden, verbündete er sich mit Ludwig XIV., was ihm fast zehn Jahre Reichsacht einbrachte. 1715 kehrte er nach Bayern zurück und nahm seine Bauvorhaben wieder auf.
Die Badenburg - der größte fürstliche Swimmingpool seiner Zeit
Einen Steinwurf vom Pan-Brunnen liegt die Badenburg am dazugehörigen See. Insgesamt vier Parkburgen ließen sich Max Emanuel und nach ihm sein Sohn Karl Albrecht zwischen 1716 und 1739 bauen. Um die meisten von ihnen tröpfelten und plätscherten damals Wasserspiele. Drei dieser Lustschlösschen wurden von Joseph Effner entworfen. Nur Karl Albrechts Amalienburg, eine Perle des Rokoko, wurde von François de Cuvilliés geschaffen, der bei Effner gelernt hatte. Eine Freitreppe führt in die Badenburg. An den Wänden des großen marmornen Festsaals mythische Wesen wie Drachen und Sphinxen, aber auch nackte Menschen beim Müßiggang. Darüber die Büsten römischer Cäsaren.
Albrecht Vorherr steht auf der Empore über dem leeren Schwimmbecken, dem größten fürstlichen Swimming-Pool seiner Zeit. An der Decke ein Gemälde mit Wassernymphen, die sich neckisch im Schilf verstecken, dazwischen Eroten. Hier badete der Hochadel – in baumwollenen Leibchen.
"Hinter den Ochsenaugen geht eine Treppe runter und da kann man sich auf eine Marmorbank setzen. Oder man kann schwimmen. Die Männer können schwimmen, vom Militär haben die das gelernt. Frauen konnten damals überhaupt nicht schwimmen. Und das war natürlich großes Gaudium, denen dann ein bisschen unter die Arme zu greifen."
Die bayerische Bevölkerung vermutete hier die wildesten sexuellen Ausschweifungen.
"Geschichten gehen so, dass hier oben blinde Musiker ihre Instrumente gespielt und gesungen haben, während da unten sich die Badeorgie abgespielt hat."
Ein Fake. Kein Fake ist jedoch, dass das Bad vom Orient inspiriert ist.
"Sieben Badewannen waren da aus Marmor mit Heißbad, Kaltraum. Das hat ganz klar türkische Vorbilder, da war Max Emanuel ja unterwegs in den Kriegen gegen das Osmanische Reich. Auf dem Balkan war er ja, in Ungarn, und hat solche Hamams kennengelernt."
Albrecht Vorherr steht auf der Empore über dem leeren Schwimmbecken, dem größten fürstlichen Swimming-Pool seiner Zeit. An der Decke ein Gemälde mit Wassernymphen, die sich neckisch im Schilf verstecken, dazwischen Eroten. Hier badete der Hochadel – in baumwollenen Leibchen.
"Hinter den Ochsenaugen geht eine Treppe runter und da kann man sich auf eine Marmorbank setzen. Oder man kann schwimmen. Die Männer können schwimmen, vom Militär haben die das gelernt. Frauen konnten damals überhaupt nicht schwimmen. Und das war natürlich großes Gaudium, denen dann ein bisschen unter die Arme zu greifen."
Die bayerische Bevölkerung vermutete hier die wildesten sexuellen Ausschweifungen.
"Geschichten gehen so, dass hier oben blinde Musiker ihre Instrumente gespielt und gesungen haben, während da unten sich die Badeorgie abgespielt hat."
Ein Fake. Kein Fake ist jedoch, dass das Bad vom Orient inspiriert ist.
"Sieben Badewannen waren da aus Marmor mit Heißbad, Kaltraum. Das hat ganz klar türkische Vorbilder, da war Max Emanuel ja unterwegs in den Kriegen gegen das Osmanische Reich. Auf dem Balkan war er ja, in Ungarn, und hat solche Hamams kennengelernt."
Exotisches Flair in der Pagodenburg
Analog zur Badenburg steht an dem anderen großen See des Parks die Pagodenburg, die durch ihr exotisches Flair besticht. Vorbild hierfür war der Bagdad-Kiosk im Topkapi-Serail in Istanbul. Über dem Eingang: ein Faunskopf mit spitzen Ohren.
Albrecht Vorherr erklärt, während im Hintergrund die Klimaanlage brummt:
"Wir stehen in einem ebenerdigen Salon und sehen da viele Delfter Fliesen in blau und weiß, ganz typisch mit Landschaftsmotiven und Schifffahrteimotiven aus Holland. Porzellan gab es noch nicht und man hat sich mit Delfter Fliesen beholfen. Und deshalb in derselben Blau-Weiß-Malerei die Chinoiserien mit einem Mandarin, der einen Turban aufhat mit einer Feder."
Im Obergeschoss müssen wir erst einen Fensterladen öffnen, damit Licht auf das wertvolle Interieur fällt: Tapeten und Mobiliar mit Papageien, Seeschlangen und Drachen, Nymphen und Faunen. Exotik und Phantastik. Erträumte Welten, vor allem aus China und dem Orient. Von den Fenstern aus konnte die Herrscherfamilie auf ein längst verschwundenes Amphitheater schauen, in dem Pantomimen und Theaterstücke stattfanden. Und vor der Pagodenburg spielte man Maille, das Minigolf des Adels, oder tanzte.
Albrecht Vorherr erklärt, während im Hintergrund die Klimaanlage brummt:
"Wir stehen in einem ebenerdigen Salon und sehen da viele Delfter Fliesen in blau und weiß, ganz typisch mit Landschaftsmotiven und Schifffahrteimotiven aus Holland. Porzellan gab es noch nicht und man hat sich mit Delfter Fliesen beholfen. Und deshalb in derselben Blau-Weiß-Malerei die Chinoiserien mit einem Mandarin, der einen Turban aufhat mit einer Feder."
Im Obergeschoss müssen wir erst einen Fensterladen öffnen, damit Licht auf das wertvolle Interieur fällt: Tapeten und Mobiliar mit Papageien, Seeschlangen und Drachen, Nymphen und Faunen. Exotik und Phantastik. Erträumte Welten, vor allem aus China und dem Orient. Von den Fenstern aus konnte die Herrscherfamilie auf ein längst verschwundenes Amphitheater schauen, in dem Pantomimen und Theaterstücke stattfanden. Und vor der Pagodenburg spielte man Maille, das Minigolf des Adels, oder tanzte.
Christlich-abendländische Magdalenenklause
Ganz anders dagegen die in einem Parkwinkel versteckte Magdalenenklause mit christlich-abendländischer Symbolik. Innen kontrastiert ein dunkel und streng gehaltener Wohntrakt mit einer Kapelle, die der heiligen Maria Magdalena gewidmet und im Stil einer manieristischen Grotte ausgestaltet ist.
In dieser Eremitage schlüpfte der nun schon betagte Max Emanuel, der die Eröffnung der Klause selbst nicht mehr erlebte, in die Rolle des Büßers. Doch Buße und Einkehr hatten einen doppelten Boden: Unter der Klause war eine Küche. Allein 200 teure venezianische Gläser sollen bei der Einweihungsfeier zu Bruch gegangen sein. Das ruinöse Äußere der Klause führe oft zu Missverständnissen, sagt Doris Fuchsberger.
"Die Leute sagen oft: ‚Jetzt ham’s as immer noch ned herg’richt!‘, weil sie nicht wissen, dass das eine künstliche Ruine ist."
"Die Leute sagen oft: ‚Jetzt ham’s as immer noch ned herg’richt!‘, weil sie nicht wissen, dass das eine künstliche Ruine ist."
Amalienburg - ein Ursprungsort des Rokoko
Im Süden des Parks liegt die liebliche Amalienburg, ein Ursprungsort des Rokoko in Deutschland. Kurfürst Karl Albrecht ließ das Schlösschen bauen, um seine eifersüchtige Ehefrau Amalie, immerhin die Cousine Maria Theresias, günstig zu stimmen. Über dem Eingangsportal ruht die Jagdgöttin Diana. Albrecht Vorherr zeigt auf das Dach. Von dort schoss der Adel auf Vogelvieh, das vorher Hunde und Treiber aufgeschreckt hatten:
"Dann sind die Fasane hochgestiegen und waren direkt vor der Flinte. Die Hofgesellschaft war auf dem Ansitz hinter dem Gitter auf dem Balkon gestanden und hat dann leichtes Spiel gehabt, hier Fasane abzuknallen."
"Dann sind die Fasane hochgestiegen und waren direkt vor der Flinte. Die Hofgesellschaft war auf dem Ansitz hinter dem Gitter auf dem Balkon gestanden und hat dann leichtes Spiel gehabt, hier Fasane abzuknallen."
Wir gehen durch ein weiß-blaues Schrankzimmer mit ebenerdigen Kojen für die Jagdhunde. Wie zur selben Zeit Friedrich der Große liebte auch Amalie Whippets, die britischen Windhunde. In den folgenden Sälen quellen an den Wänden endlose Blumengirlanden aus Füllhörnern, speien ineinander verschlungene Delphine Wasser, räkeln sich – wieder einmal – mit Weinlaub bekränzte Faune und schlangenschwänzige Nixen. Dazwischen: Musikinstrumente. Vorherr schwärmt:
"Hier kommen die Räume erster Ordnung, mit Blattsilber belegt, farblich verklammert in Gelb und Blau. Pastellfarben herrschen hier vor. Keine Knalleffekte. Das soll aus einem Guss wirken. Es ist überzogen, fast überkrustet, von Ornamenten, teilweise bildhaft, die immer wieder auf die Jagd anspielen und andere Ornamente, die diese Rocailles bilden."
Die Rocaille, ein muschelförmiges Ornament, gab dem Rokoko seinen Namen. Die bayerischen Stukkateure, Bildhauer und Freskenmaler, die hier wirkten, darunter Johann Baptist Zimmermann, schufen später auch das Dekor der berühmten Wieskirche. Der letzte Raum beherbergt die Prunkküche der Kurfürstin. Man dürfe sich aber nicht vorstellen, betont Vorherr, dass die Kurfürstin die Grafen bekocht habe. Auch hier liebte man das Spiel mit der Illusion, die Maskerade.
"Man hat hier so getan, als würde man ein bisschen kochen und köcheln, wenn man sich wieder mal so als Bauer verkleidet hat oder als Fischer und als armer Landmann, dann konnte man hier wirtschaften, so nannte man die Spiele, oder Bauernhochzeiten feiern in dieser wunderschönen Küche."
Über den ganzen Raum verteilt sieht man holländische Kacheln mit Blumengebinden, biblischen Motiven – und Chinoiserien. Dazu weiß-blaue Zeichnungen von Joseph Pascalin Moretti, die ein groteskes China zeigen, das sich in fantastische Ornamentik auflöst.
"Da wird ein Hund geschlachtet, da raucht einer eine Opiumpfeife. Und da, ein Mandarin fährt in einer Rikscha spazieren mit Glöckchen dran. Hier ist fremde Welt gefeiert worden."
Geplantes Naturkundemuseum "Biotopia" als Gefahr
Doch die kunstvolle und kunstsinnige Welt von Nymphenburg ist in Gefahr. Nicht nur durch den Klimawandel oder allfälligen Vandalismus. Um Schloss und Park dauerhaft zu schützen, setzen sich Doris Fuchsberger, Neven Denhauser und Albrecht Vorherr dafür ein, dass Nymphenburg UNESCO-Weltkulturerbe wird.
Die Gefahr ist akut: Für das geplante Naturkundemuseum "Biotopia" soll ein Teil des Nordflügels abgerissen werden. Schon 2021 könnten die Bagger anrücken. Zwar handelt es sich nicht mehr um den Original-Trakt aus dem Jahr 1718, – der wurde von den Nazis zerstört –, aber der aktuelle Architektur-Entwurf würde das Schlossensemble ruinieren, findet Neven Denhauser:
"Es ist geplant, dass es anschließt an den bestehenden Schlosstrakt, mit einer riesengroßen Bogenöffnung, die wesentlich breiter ist als alle anderen Torformate in der Schlossanlage, dann folgen seitlich raumhohe Fenster, die nach den letzten Entwürfen mit goldenem Aluminium umrahmt sind."
Doris Fuchsberger sorgt sich vor allem wegen steigender Besucherzahlen:
"Das Rondell ist jetzt schon komplett zugeparkt. Am schlimmsten ist es an schönen Wochenenden. Der Park ist übernutzt. Und wie soll des gehen, wenn dieses Museum Biotopia dort zwei- bis dreimal so viele Besucher anziehen soll wie jetzt? Wenn sowas in Versailles passieren würde, würde die ganze Welt aufschreien!"
Die Gefahr ist akut: Für das geplante Naturkundemuseum "Biotopia" soll ein Teil des Nordflügels abgerissen werden. Schon 2021 könnten die Bagger anrücken. Zwar handelt es sich nicht mehr um den Original-Trakt aus dem Jahr 1718, – der wurde von den Nazis zerstört –, aber der aktuelle Architektur-Entwurf würde das Schlossensemble ruinieren, findet Neven Denhauser:
"Es ist geplant, dass es anschließt an den bestehenden Schlosstrakt, mit einer riesengroßen Bogenöffnung, die wesentlich breiter ist als alle anderen Torformate in der Schlossanlage, dann folgen seitlich raumhohe Fenster, die nach den letzten Entwürfen mit goldenem Aluminium umrahmt sind."
Doris Fuchsberger sorgt sich vor allem wegen steigender Besucherzahlen:
"Das Rondell ist jetzt schon komplett zugeparkt. Am schlimmsten ist es an schönen Wochenenden. Der Park ist übernutzt. Und wie soll des gehen, wenn dieses Museum Biotopia dort zwei- bis dreimal so viele Besucher anziehen soll wie jetzt? Wenn sowas in Versailles passieren würde, würde die ganze Welt aufschreien!"