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Obamas letzter Auftritt als Präsident
"Sein Erbe wird zerrieben werden"

US-Präsident Barack Obama scheide mit einer gewissen Traurigkeit aus dem Amt, weil es ihm nicht gelungen sei, wichtige Fragen zu klären, sagte der Politologe Thomas Jäger im DLF. In der Einwanderungspolitik etwa sei er auch kein guter politischer Handwerker gewesen. Unter Trump werde von seinem politischen Erbe wohl nicht viel bleiben.

Thomas Jäger im Gespräch mit Dirk Müller |
    Barack Obama auf seiner letzten Pressekonferenz im Weißen Haus als US-Präsident.
    Der scheidende US-Präsident Barack Obama. Von seinem politischen Erbe wird nicht viel bleiben, meit der Politologe Thomas Jäger. (imago / Xinhua)
    Dirk Müller: Der letzte offizielle Auftritt vor der Presse von Barack Obama als Präsident der Vereinigten Staaten. Acht Jahre Amtszeit im Weißen Haus. Am Freitag folgt dann Donald Trump, der das gesamte politische Erbe von Barack Obama nicht nur infrage stellt, sondern vieles, sehr vieles davon in wenigen Wochen, in Monaten einfach hinwegfegen könnte. Unser Thema mit dem Politikwissenschaftler und USA-Kenner Professor Thomas Jäger von der Universität in Köln. Guten Abend!
    Thomas Jäger: Guten Abend, Herr Müller.
    Müller: Herr Jäger, Sie haben für uns auch diesen Auftritt von Barack Obama verfolgt. Wir haben mit Thilo Kößler über seine Eindrücke gesprochen. Reden wir über Ihre Eindrücke. Wie frustriert muss Barack Obama sein?
    Jäger: Er ist frustriert gewesen und das hat man deutlich gemerkt, dass er eigentlich schweren Herzens jetzt sein Erbe in Hände übergibt, die dieses Erbe zerreiben werden. Nur einmal kam, wenn man so will, ein wenig Hoffnung durch, als er nämlich sagte, da kommt ein neuer Präsident, der hat ein neues Programm. Er ist legitimiert, dieses Programm umzusetzen. Aber vielleicht wird er merken, wenn ihm die Komplexität bestimmter Fragen deutlich wird, dass die Antworten so leicht nicht sind, dass sie vielleicht auch ein wenig so ausfallen, wie ich sie versucht habe zu geben. Das ist eine ziemlich dünne Hoffnung, die er geäußert hat.
    "In den Vereinigten Staaten wurden immer die Antitypen gewählt"
    Müller: Hat es das jemals in der jüngeren Geschichte der USA gegeben, dass eine vermeintliche Zäsur - es ist eine personelle Zäsur, aber reden wir von den inhaltlichen Dingen, von den Auseinandersetzungen, die folgen werden -, dass eine vermeintliche Zäsur so derart radikal ausfällt?
    Jäger: Zumindest in den letzten Jahrzehnten war das nicht der Fall. Es ist ja in den Vereinigten Staaten bei den letzten Malen so gewesen, dass immer die Antitypen gewählt wurden. Das heißt, als Clinton aus dem Amt ging, da kam mit George W. Bush der Anti-Clinton, und Obama ist ja auch als Anti-Bush ins Amt gekommen. Er hat sogar als Anti-Bush den Friedensnobelpreis bekommen. Alle waren froh, dass es nur nicht mehr der frühere Präsident war. Das ist jetzt aus europäischer Sicht ein bisschen anders, aber Donald Trump interpretiert seine Legitimation anders. Insbesondere im Bereich der Außenpolitik fegt er alle Selbstverständlichkeiten vom Tisch und sagt, mal sehen, wenn wir ganz neu anfangen, ob wir nicht bessere Verhandlungen führen können, ob wir nicht mehr für die Vereinigten Staaten herausholen können, und das ist für Barack Obama, der sich dann doch in vielen Punkten auch in die Kontinuität amerikanischer Außenpolitik gestellt hat, auch wenn er das ganz anders interpretiert hat und anders gehandelt hat, ziemlich überraschend.
    "Es ist ihm nämlich nicht gelungen, wichtige Fragen zu klären"
    Müller: Sie haben eben auch das Wort "politisches Erbe" genannt. Das ist jetzt überall zu lesen, das fragen sich viele, wie groß wird dieses Erbe sein, wie belastet ist das im Vorfeld, vor allem was wird übrig bleiben. Wird irgendetwas von Barack Obama übrig bleiben?
    Jäger: Das sieht nicht so aus und das ist eine Art von Traurigkeit, wenn man das so hineininterpretieren will, die er heute in vielen Fragen mitschwingen ließ, dass es ihm nämlich nicht gelungen ist, wichtige Fragen zu klären, dass er etwa insbesondere in der Einwanderungspolitik nicht dafür sorgen konnte, dass die sogenannte Klimageneration in den USA bleiben kann. Es gab nur einmal, wo er sagte, da ist ein Prozess in Gang gesetzt worden, der nicht mehr revidierbar ist, nämlich wenn es darum geht, die Freiheit der Wahl sexueller Orientierung als selbstverständlich anzusehen in einer Gesellschaft, aber er hat gleich einschränkend gesagt, das ist mir nicht zuzuschreiben, das ist ein gesellschaftlicher Prozess gewesen und wir haben eigentlich im Nachhinein nur die Gesetze dazu gemacht. Ansonsten weiß er, dass sein Erbe ziemlich zerrieben wird, und es war auffällig bei der Pressekonferenz auch, dass nicht nur über was gesprochen wurde, sondern über was nicht gesprochen wurde. Jetzt kann man sagen, da hat er die Fragen nicht bekommen, aber viele Großereignisse aus seiner Amtszeit, von denen man noch mal hätte hören wollen, wie interpretiert er das jetzt, wie sieht er das im Rückblick, die sind überhaupt nicht angesprochen worden.
    "Die EU fand mit keinem Wort statt"
    Müller: Was haben Sie da vermisst, was wäre Ihnen eingefallen?
    Jäger: Die ganze Entwicklung im arabischen Raum. Das war ja ein großer Punkt am Anfang seiner Präsidentschaft, wo er sagte, nach den Kriegen von George W. Bush müssen wir das Verhältnis zur muslimischen Welt wieder neu justieren. Und da ist ja nun viel passiert in den acht Jahren. Nicht nur die Arabellion, sondern auch Syrien, also etwas, was Obamas Politik sehr belastet hat am Ende. Es kam nicht eine Frage dazu, sondern die einzige kam hinsichtlich der Zwei-Staaten-Lösung zwischen Israel und den Palästinensern. Was gar nicht angesprochen wurde, auch das interessant aus europäischer Sicht, ist die EU. Mit keinem Wort fand sie statt, nicht mal, als er über Russland und die Ukraine sprach, wo der Bogen zu schlagen gewesen wäre auf die Europäische Union, wo ja nun auch unter seiner Amtszeit ein wesentlicher Prozess der Desintegration in Gang gekommen ist und sich viele auch in den Vereinigten Staaten fragen, ob nicht die amerikanische Außenpolitik, die den europäischen Integrationsprozess immer positiv begleitet hat, hier nicht auch versagt hat, im Vorfeld des Referendums stärker Einfluss zu nehmen auf die damals ziemlich zerstrittenen europäischen Staaten.
    Müller: Herr Jäger, ich möchte bei dem Fragekomplex noch einmal bleiben. Wenn Sie auf die Frage antworten, was wird bleiben, dann sagen Sie, so gut wie gar nichts oder gar nichts haben Sie sogar gesagt. Wenn das so sein sollte, kann man dann sagen, dass Barack Obama acht Jahre als Präsident versagt hat?
    Jäger: Das ist schwer zu sagen, weil da muss man dann ins politische System der USA schauen. Ich würde aber eine Einschränkung machen. Eines ist wohl geblieben, wenn Donald Trump das wirklich einhält, nämlich dass sich durchgesetzt hat, dass man Krankenversicherung allen anbieten muss. Das wird möglicherweise in anderer Form geschehen, als das bisher ist, aber das ist ein Punkt.
    "Obama hat sich zurückgezogen auf präsidentielle Direktiven"
    Müller: Was er in Teilen verändern möchte?
    Jäger: Was Barack Obama verändert hat und wo jetzt selbst die Republikaner sagen, selbst wenn wir Obama Care reformieren, zurückdrehen, an dem Punkt können wir nicht mehr drehen, da müssen wir sehen, dass wir eine Lösung finden. Und das ist ein ganz wesentlicher sozialpolitischer Schritt gewesen. Aber der Punkt ist, dass Präsident Obama sich seiner Positionen sehr sicher war, dass er nur wenig kompromissbereit war und dass es ihm, nachdem er zwei Jahre im Amt war und die parlamentarische Mehrheit verloren hatte und mit den Republikanern verhandeln musste, innerhalb von sechs Jahren nicht gelungen ist, handwerklich so mit den Republikanern umzugehen, dass er wichtige Fragen löst, obwohl etwa die Republikaner in der Einwanderungspolitik vor sechs Jahren viel weiter waren, als sie das jetzt sind. Da hat ihm der Zugang gefehlt, da hat ihm gefehlt, dass er auch seiner Partei gegenüber Kompromisse eingeht. Er hat sich darauf zurückgezogen, mit präsidentiellen Direktiven zu regieren, und muss jetzt erleben, dass Trump die wahrscheinlich schlicht und ergreifend zurücknimmt und andere erlässt.
    Müller: Das hören wir in Europa und vor allem ja auch in Deutschland recht selten. Deswegen will ich noch einmal dabei bleiben. Sie sind ja mit vielen Studenten auch immer in der Auseinandersetzung, in der Diskussion und konfrontiert und Sie halten ja auch Vorlesungen zum politischen System der USA, historisch einmal gesehen, aber natürlich auch über die aktuelle Politik. Sie würden, wenn Sie nur einen Satz haben, am Ende dann doch zu der Conclusio kommen müssen, Barack Obama war kein guter Präsident?
    Jäger: Das ist zu einfach, das so zu sagen.
    "Obama war kein guter politischer Handwerker"
    Müller: Aber wenn Sie nur einen Satz haben?
    Jäger: Wenn ich nur einen Satz sage, dann würde ich sagen, er war jemand, der strategische Visionen für die USA hatte, aber kein guter politischer Handwerker.
    Müller: Und das wird auch bleiben im Nachhinein?
    Jäger: Das weiß man nicht. Die Amerikanerinnen und Amerikaner sind mit ihren Präsidenten nachher immer sehr, sehr gnädig. Das heißt, er geht ja jetzt schon mit hohen Zustimmungswerten aus dem Amt, viel höheren, als das bei Clinton und Bush der Fall war, und er wird positiv gesehen werden, ohne jede Frage. Das ist häufig entkoppelt von dem, was dann in der Zeit wirklich erreicht wurde.
    Müller: Der Politikwissenschaftler und USA-Kenner Professor Thomas Jäger. Danke, dass Sie so spät für uns hier im Deutschlandfunk Zeit gefunden haben. Ihnen noch eine gute Nacht.
    Jäger: Sehr gerne, Herr Müller.
    Müller: Danke schön.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.