Kenny steht neben seinem Auto. Ein gepflegter silberner Geländewagen. Über einem Hinterrad ein bisschen Rost. Von außen ein ganz normales Auto auf den Straßen von Fairfax, Virginia. Von innen ein Zuhause. Kennys Zuhause. "Hier lebe ich zurzeit, hoffentlich nicht lange", sagt er.
Seit sechs Monaten schläft der Mann mit den schulterlangen dunkelblonden Haaren und dem schmalen Gesicht in seinem Auto. Er räumt seinen Rucksack, die Schuhe und eine Tüte vom Beifahrersitz nach hinten. In der Seitentür steckt eine Bibel. Alles ist ordentlich aufgeräumt. "Mir hat mal jemand gesagt, dass ich der organisierteste Obdachlose bin, den er kennt; sollte wohl ein Kompliment sein", sagt Kenny.
Die Rückbank ist umgeklappt. Darauf liegt eine flache Matratze. An der Seite hinter dem Fahrersitz hängen vor dem Fenster ein Sakko, ein gebügeltes Hemd und eine Krawatte. Darunter ein kleiner roter Koffer, eine schwarze Sporttasche. Daneben ein Schuhkarton, obendrauf ordentlich gefaltete T-Shirts und vor der Kofferraumklappe eine durchsichtige Box.
"Das ist mein Schlafzimmer. Rechts ist mein Schrank. Da ist meine Kleidung und alles, was ich brauche, um zu überleben. Ich habe eine Decke, ein Polster, zwei Schlafsäcke und zwei Kissen. So ist es halbwegs bequem."
Kenny ist 1,90 Meter groß. Er legt sich schräg in das Auto, damit er reinpasst und ein paar Stunden schlafen kann. Der Mann mit dem weißen Sweatshirt, den schwarzen Shorts und der schwarzen Wollmütze parkt seinen Wagen abends auf einem Supermarkt-Parkplatz und übernachtet dort. Die vergangene Nacht war kalt.
"Das macht mir Sorgen, dass es jetzt immer kälter wird und ich nicht mehr lange im Auto schlafen kann. Derzeit ist es noch okay, aber sobald wir um die null Grad haben, wird es zu kalt. Ich kann den Wagen nicht ständig anmachen, um zu heizen, dann ist mein Tank leer und ich kann nicht mal irgendwohin kommen, um zu duschen."
Seit sechs Monaten schläft der Mann mit den schulterlangen dunkelblonden Haaren und dem schmalen Gesicht in seinem Auto. Er räumt seinen Rucksack, die Schuhe und eine Tüte vom Beifahrersitz nach hinten. In der Seitentür steckt eine Bibel. Alles ist ordentlich aufgeräumt. "Mir hat mal jemand gesagt, dass ich der organisierteste Obdachlose bin, den er kennt; sollte wohl ein Kompliment sein", sagt Kenny.
Die Rückbank ist umgeklappt. Darauf liegt eine flache Matratze. An der Seite hinter dem Fahrersitz hängen vor dem Fenster ein Sakko, ein gebügeltes Hemd und eine Krawatte. Darunter ein kleiner roter Koffer, eine schwarze Sporttasche. Daneben ein Schuhkarton, obendrauf ordentlich gefaltete T-Shirts und vor der Kofferraumklappe eine durchsichtige Box.
"Das ist mein Schlafzimmer. Rechts ist mein Schrank. Da ist meine Kleidung und alles, was ich brauche, um zu überleben. Ich habe eine Decke, ein Polster, zwei Schlafsäcke und zwei Kissen. So ist es halbwegs bequem."
Kenny ist 1,90 Meter groß. Er legt sich schräg in das Auto, damit er reinpasst und ein paar Stunden schlafen kann. Der Mann mit dem weißen Sweatshirt, den schwarzen Shorts und der schwarzen Wollmütze parkt seinen Wagen abends auf einem Supermarkt-Parkplatz und übernachtet dort. Die vergangene Nacht war kalt.
"Das macht mir Sorgen, dass es jetzt immer kälter wird und ich nicht mehr lange im Auto schlafen kann. Derzeit ist es noch okay, aber sobald wir um die null Grad haben, wird es zu kalt. Ich kann den Wagen nicht ständig anmachen, um zu heizen, dann ist mein Tank leer und ich kann nicht mal irgendwohin kommen, um zu duschen."
Keine Versicherung, keine Kreditwürdigkeit
Nach offiziellen Regierungsangaben sind etwas mehr als eine halbe Million Menschen obdachlos und ohne einen festen Wohnsitz in den USA. Die wirklichen Zahlen sind aber viel höher, sagen zahlreiche Nicht-Regierungsorganisationen. Sie kritisieren, dass bei den offiziellen Statistiken beispielsweise Menschen, die für eine Weile bei Freunden auf der Couch untergekommen sind, nicht mitgezählt werden, auch wenn sie kein eigenes Zuhause mehr haben. Kenny ist 54. Er ist Sohn eines Pfarrers, hat studiert und nach seiner Zeit beim Militär als Autoverkäufer gearbeitet. Er kann sich noch ganz genau an den Tag erinnern, als sein Leben aus den Fugen geriet:
"Am 23. Januar 2013 hatte ich einen schweren Unfall. Da habe ich mir das Schulterblatt, den Hals und das Schlüsselbein mehrfach gebrochen. An dem Tag hat sich mein Leben radikal geändert." Die Krankenversicherung seines Arbeitgebers hatte er nicht abgeschlossen, zu teuer. Kenny war nicht versichert.
"Am 23. Januar 2013 hatte ich einen schweren Unfall. Da habe ich mir das Schulterblatt, den Hals und das Schlüsselbein mehrfach gebrochen. An dem Tag hat sich mein Leben radikal geändert." Die Krankenversicherung seines Arbeitgebers hatte er nicht abgeschlossen, zu teuer. Kenny war nicht versichert.
Die Rechnungen stapeln sich bald bei ihm Zuhause. Seine Frau trennt sich von ihm. Sein Leben zerfällt im Eiltempo vor seinen Augen. Zuerst kommt er bei Freunden unter, zieht mit einer anderen Frau zusammen, aber die Abwärtsspirale dreht sich immer weiter:
"Die schicken eine Rechnung und wenn man die nicht bezahlen kann, ruft das Krankenhaus an: Wann zahlst du, wann zahlst Du. Dann melden sie es und deine Kreditwürdigkeit wird runtergestuft. Und ein Vermieter guckt sich das an und denkt sich: Wie soll der denn seine Miete zahlen?"
Auch wenn Kenny selbstbewusst klingt, immer wieder mal lacht, wenn er über sein Leben redet, kann man die Traurigkeit und Schwere spüren. Als er erzählt, dass er keinen Kontakt zu seinen beiden Kindern hat, rollen Tränen über sein Gesicht. Seine Schultern beben. Kenny weint. Als er sich wieder etwas gefangen hat, erzählt er, was in ihm vorgegangen ist:
"Das ist die Sache, die mir am meisten fehlt: Umarmungen, zwischenmenschliche Berührung. Das kann auch ein Lächeln, ein nettes Wort sein. Das fehlt mir. Ich vermisse es mehr als irgendetwas anderes, meine Kinder zu umarmen."
Morgens um acht Uhr kommt Kenny ins Lamb Center, eine kirchliche Organisation. Hier machen sie Frühstück und Mittagessen für die Gäste. Es gibt Duschen, eine Kleiderkammer, einen Zahnarzt und einen Friseur. Sie helfen bei der Job- und Wohnungssuche. Und hinter einem Tresen sind drei Waschmaschinen und vier Trockner im Dauereinsatz. Hier waschen Ehrenamtliche die Kleidung der obdachlosen Gäste. Tim ist Rentner. Der Mann mit den weißen, kurzen Haaren und dem warmen Lächeln nimmt Männern und Frauen ihre Plastiktüten mit der Wäsche ab und gibt sie frisch gewaschen und ordentlich gefaltet wieder raus. Man kennt sich. Bis zu 60 Tüten voll mit Hosen, T-Shirts, Socken oder Pullis werden hier jeden Tag gewaschen.
"Die schicken eine Rechnung und wenn man die nicht bezahlen kann, ruft das Krankenhaus an: Wann zahlst du, wann zahlst Du. Dann melden sie es und deine Kreditwürdigkeit wird runtergestuft. Und ein Vermieter guckt sich das an und denkt sich: Wie soll der denn seine Miete zahlen?"
Auch wenn Kenny selbstbewusst klingt, immer wieder mal lacht, wenn er über sein Leben redet, kann man die Traurigkeit und Schwere spüren. Als er erzählt, dass er keinen Kontakt zu seinen beiden Kindern hat, rollen Tränen über sein Gesicht. Seine Schultern beben. Kenny weint. Als er sich wieder etwas gefangen hat, erzählt er, was in ihm vorgegangen ist:
"Das ist die Sache, die mir am meisten fehlt: Umarmungen, zwischenmenschliche Berührung. Das kann auch ein Lächeln, ein nettes Wort sein. Das fehlt mir. Ich vermisse es mehr als irgendetwas anderes, meine Kinder zu umarmen."
Morgens um acht Uhr kommt Kenny ins Lamb Center, eine kirchliche Organisation. Hier machen sie Frühstück und Mittagessen für die Gäste. Es gibt Duschen, eine Kleiderkammer, einen Zahnarzt und einen Friseur. Sie helfen bei der Job- und Wohnungssuche. Und hinter einem Tresen sind drei Waschmaschinen und vier Trockner im Dauereinsatz. Hier waschen Ehrenamtliche die Kleidung der obdachlosen Gäste. Tim ist Rentner. Der Mann mit den weißen, kurzen Haaren und dem warmen Lächeln nimmt Männern und Frauen ihre Plastiktüten mit der Wäsche ab und gibt sie frisch gewaschen und ordentlich gefaltet wieder raus. Man kennt sich. Bis zu 60 Tüten voll mit Hosen, T-Shirts, Socken oder Pullis werden hier jeden Tag gewaschen.
Den falschen Leuten Geld geliehen
Melanie war mal Sekretärin eines Anwalts. Dann hat sie den falschen Leuten Geld geliehen. Sie ist aus ihrer Wohnung geflogen, weil sie die Miete nicht zahlen konnte. Ihre Tochter ist damals zehn. Melanie hat sie schweren Herzens zu ihrem Ex-Mann gebracht, damit für sie gesorgt ist. Dann war sie allein. Allein in ihrem Auto:
"Ich habe abends in einer Wohngegend geparkt, mich gegen halb zehn hingelegt. Ich habe meine Rückenlehne zurückgelegt, die Asche meiner Mutter hinter mir und dann habe ich geschlafen. Früh morgens bin ich dann in den Supermarkt gefahren, habe mich gewaschen und umgezogen. Kaum einer wusste, dass ich obdachlos war."
Melanie hat sich allein durchgekämpft. Sie ist stolz, als ihre Tochter dieses Jahr ihren Highschool-Abschluss macht, geht zur Entlassungsfeier. Aber ihrer Tochter erzählen, dass sie im Auto gelebt hat? Niemals! Das steht für Melanie fest. Sie soll sich auf ihr Studium konzentrieren und was aus ihrem Leben machen. Sicher auf eigenen Füßen stehen. Das wünscht sich Melanie. Sie treffen sich regelmäßig, aber die Mutter will kein Ballast sein. Also macht sie die harte Realität ihres Lebens auf der Straße mit sich allein aus. Sie habe überlebt, sagt sie mit einem Blick zurück.
"Ich habe abends in einer Wohngegend geparkt, mich gegen halb zehn hingelegt. Ich habe meine Rückenlehne zurückgelegt, die Asche meiner Mutter hinter mir und dann habe ich geschlafen. Früh morgens bin ich dann in den Supermarkt gefahren, habe mich gewaschen und umgezogen. Kaum einer wusste, dass ich obdachlos war."
Melanie hat sich allein durchgekämpft. Sie ist stolz, als ihre Tochter dieses Jahr ihren Highschool-Abschluss macht, geht zur Entlassungsfeier. Aber ihrer Tochter erzählen, dass sie im Auto gelebt hat? Niemals! Das steht für Melanie fest. Sie soll sich auf ihr Studium konzentrieren und was aus ihrem Leben machen. Sicher auf eigenen Füßen stehen. Das wünscht sich Melanie. Sie treffen sich regelmäßig, aber die Mutter will kein Ballast sein. Also macht sie die harte Realität ihres Lebens auf der Straße mit sich allein aus. Sie habe überlebt, sagt sie mit einem Blick zurück.
Dutzende Männer und Frauen sitzen an den runden Tischen. Während der Bibelstunden versammelt sich immer eine Handvoll Menschen an einem langen Tisch. Vielen hilft ihr Glauben, weiterzumachen. So wie Printice. 40 Jahre war er verheiratet, dann verliebt sich seine Frau in einen anderen und trennt sich von ihm. Wenige Tage später hat Printice seinen ersten Herzinfarkt. Sein Leben ist seitdem auf den Kopf gestellt.
"Dein Leben kann sich von einem Moment zum nächsten komplett verändern", sagt er. Der sympathische Mann war 30 Jahre lang Regionalmanager für Walmart. Doch das zählt gar nichts, als er krank wird: "Die haben nach neun Tagen gesagt: Wir brauchen dich nicht mehr. Ich hätte mindestens ein halbes Jahr gebraucht, um wieder gesund zu werden, da haben die gesagt: Danke, du kannst gehen."
"Dein Leben kann sich von einem Moment zum nächsten komplett verändern", sagt er. Der sympathische Mann war 30 Jahre lang Regionalmanager für Walmart. Doch das zählt gar nichts, als er krank wird: "Die haben nach neun Tagen gesagt: Wir brauchen dich nicht mehr. Ich hätte mindestens ein halbes Jahr gebraucht, um wieder gesund zu werden, da haben die gesagt: Danke, du kannst gehen."
Als er nach der Herzoperation das Krankenhaus verlässt, übernachtet er im Wald in Fairfax: "Man sammelt ein bisschen Holz, schiebt sich Blätter zusammen und legt sich hin. Eine Tasche als Kopfkissen. Hoffentlich hast du eine warme Jacke an. Aber es gibt viele, die jetzt draußen schlafen, die haben weder eine warme Jacke noch einen Schlafsack."
In dem kleinen Wäldchen hinter der Tankstelle am Arlington Boulevard in Fairfax hat Printice dreieinhalb Jahre lang gelebt. Fairfax County ist der zweitreichste Bezirk in den USA. Das Durchschnittseinkommen liegt hier pro Jahr bei 117.500 Dollar pro Haushalt. Nur im benachbarten Loudoun County leben Menschen, die im Schnitt noch mehr verdienen.
In dem kleinen Wäldchen hinter der Tankstelle am Arlington Boulevard in Fairfax hat Printice dreieinhalb Jahre lang gelebt. Fairfax County ist der zweitreichste Bezirk in den USA. Das Durchschnittseinkommen liegt hier pro Jahr bei 117.500 Dollar pro Haushalt. Nur im benachbarten Loudoun County leben Menschen, die im Schnitt noch mehr verdienen.
Seit vier Monaten hat der 62-jährige wieder ein Zimmer, ein Dach über dem Kopf. Das konnte er am Anfang aber gar nicht richtig genießen: "Ich konnte nicht schlafen. Das hat eine Woche gedauert, bis ich da schlafen konnte. Ich war da fehl am Platz. Man vergisst, wie das Leben früher mal war."
Melanie kennt das Gefühl. Sie hat nach gut eineinhalb Jahren im Auto gerade auch ein Zimmer gefunden. Sie denkt häufig an ihre Freunde aus dem Lamb Center, die nicht so viel Glück hatten wie sie. Melanie genießt es aber, endlich wieder ein kleines Zuhause zu haben: "Wenn ich mal muss, kann ich einfach auf’s Klo gehen und muss nicht zur Tanke fahren, um die Toilette zu benutzen."
Melanie kennt das Gefühl. Sie hat nach gut eineinhalb Jahren im Auto gerade auch ein Zimmer gefunden. Sie denkt häufig an ihre Freunde aus dem Lamb Center, die nicht so viel Glück hatten wie sie. Melanie genießt es aber, endlich wieder ein kleines Zuhause zu haben: "Wenn ich mal muss, kann ich einfach auf’s Klo gehen und muss nicht zur Tanke fahren, um die Toilette zu benutzen."
Dave Larrabee arbeitet seit 20 Jahren im Lamb Center. Er hat viele Menschen kommen und gehen sehen. In Daves Büro steht eine US-Flagge auf einem Regal. Auch eine Erinnerung an einen Obdachlosen, der hier lange sein Zuhause gefunden hat. Als er starb, hat sich ein Freund darum bemüht, dass der ehemalige Veteran eine Beerdigung mit militärischen Ehren bekam. Am Ende wird dabei eine US-Flagge überreicht und die steht nun in Daves Büro, weil der Verstorbene die Obdachloseneinrichtung als nächste Angehörige angegeben hatte. Für viele Menschen wird das Lamb Center zur Ersatzfamilie, erzählt der Mann mit dem weißen Bart und der Brille:
"Da war zum Beispiel Dan. Der hat in einem guten, italienischen Restaurant in Reston gearbeitet und hat in seinem Auto gelebt. 2015 hat er eine Plakette bekommen als "Mitarbeiter des Monats". Was sollte er damit anfangen? In die Windschutzscheibe seines Autos legen? Also hat er sie mir gegeben und ich habe sie bei uns aufgehängt, sodass alle das sehen konnten. Wie man das als Familie halt so macht."
"Da war zum Beispiel Dan. Der hat in einem guten, italienischen Restaurant in Reston gearbeitet und hat in seinem Auto gelebt. 2015 hat er eine Plakette bekommen als "Mitarbeiter des Monats". Was sollte er damit anfangen? In die Windschutzscheibe seines Autos legen? Also hat er sie mir gegeben und ich habe sie bei uns aufgehängt, sodass alle das sehen konnten. Wie man das als Familie halt so macht."
Eine Familie im Hotelzimmer
Dass Obdachlose einen Job haben, Geld verdienen, ist in und um Washington nichts Ungewöhnliches. Das Leben hier ist teuer und das Gehalt reicht oft nicht, um die Miete für eine Wohnung zu bezahlen. In und um die US-Hauptstadt steigen die Preise in den vergangenen Jahren immer weiter. Auch Angela Pearson verdient nicht genug als Küchenchefin, um sich eine Wohnung leisten zu können. Sie lebt mit ihrer Familie im Quality Inn. Ein Hotel an einer großen Einfallstraße nach Washington. Direkt dahinter die Bahnlinie. Weit und breit gibt es keinen Spielplatz. Die Stadt hat das komplette Hotel als Notunterkunft für Familien gemietet.
Angela sitzt in ihrem knöchellangen Kleid auf einem Sofa. Es ist abends, kurz nach sieben. Die Frau mit den dunklen, schulterlangen Haaren ist geschafft: "Drei Tage, jeweils 14 Stunden am Stück habe ich gearbeitet. Ich bin müde. Ich schlafe, wenn die Kinder schlafen. Aber ich bin wirklich müde."
Jetzt hat sie gerade mal eine Stunde für sich. Denn sie hat ihre Kinder und Enkelkinder bei der Spielstunde abgegeben. Viermal die Woche macht das Childrens Playtime Project abends für gut eineinhalb Stunden die Türen des sogenannten Ballsaals im Quality Inn auf. Da steht dann eine Kinder-Spielküche, eine Krabbelecke ist aufgebaut und Ehrenamtliche spielen mit den Kindern. Zwei Tage die ganz Kleinen, zwei Tage die größeren Kinder, die hier leben. Sarah arbeitet seit Jahren für das Childrens Playtime Project. Sie kennt die Kinder gut. Rund 20 toben durch den Raum. Ty, Trust, Janica, Alora und Truth verkleiden sich, spielen mit der kleinen Küche, basteln oder hören zu, als ein Buch vorgelesen wird. Sie gehören zu den Stammgästen:
"Hier können sie einfach mal Kind sein. Hier im Hotel hängen überall Schilder, dass die Kinder nicht rumrennen oder spielen dürfen. Direkt vor der Tür ist eine Autobahn. Sie können nicht rausgehen. Sie leben mit ihrer ganzen Familie in einem Hotelzimmer. Hier können sie mal Kind sein."
Jetzt hat sie gerade mal eine Stunde für sich. Denn sie hat ihre Kinder und Enkelkinder bei der Spielstunde abgegeben. Viermal die Woche macht das Childrens Playtime Project abends für gut eineinhalb Stunden die Türen des sogenannten Ballsaals im Quality Inn auf. Da steht dann eine Kinder-Spielküche, eine Krabbelecke ist aufgebaut und Ehrenamtliche spielen mit den Kindern. Zwei Tage die ganz Kleinen, zwei Tage die größeren Kinder, die hier leben. Sarah arbeitet seit Jahren für das Childrens Playtime Project. Sie kennt die Kinder gut. Rund 20 toben durch den Raum. Ty, Trust, Janica, Alora und Truth verkleiden sich, spielen mit der kleinen Küche, basteln oder hören zu, als ein Buch vorgelesen wird. Sie gehören zu den Stammgästen:
"Hier können sie einfach mal Kind sein. Hier im Hotel hängen überall Schilder, dass die Kinder nicht rumrennen oder spielen dürfen. Direkt vor der Tür ist eine Autobahn. Sie können nicht rausgehen. Sie leben mit ihrer ganzen Familie in einem Hotelzimmer. Hier können sie mal Kind sein."
Angela, ihr Mann, drei Kinder und zwei Enkelkinder haben zwei Zimmer in dem Hotel. Am Eingang sitzt ein Sicherheitsmann. Wer hier reinkommt, muss sich in eine Liste eintragen. Auch Kinder müssen ihren Rucksack mit Metalldetektoren durchsuchen lassen, wenn sie in ihr "Zuhause" wollen. Im Frühstücksraum wird Essen verteilt. Melanie Hatter vom Childrens Playtime Project weiß, wie hart das Leben für die Familien hier ist:
"Die ganze Familie lebt in einem Hotelzimmer. Mutter und Vater teilen sich zum Teil mit drei Kindern ein Hotelzimmer. Das mag ja für eine Woche im Urlaub schön sein. Aber wenn das das Leben ist und man sein Essen nur in einer Mikrowelle zubereiten kann oder von der Stadt bekommt, ist das keine gute Erfahrung."
Angela, deren Gehalt nicht reicht, um sich und ihre Familie über Wasser zu halten, ihre Miete zu zahlen, versucht es geduldig so hinzunehmen. Die Miete bricht vielen Familien hier in Washington das Genick, erklärt Melanie Hatter:
"In einer idealen Welt, arbeitet man und kann seine Miete bezahlen, Essen kaufen und ein gutes Leben haben. Aber in Städten wie Washington sind die Mieten so exorbitant gestiegen, dass ein Job mit Mindestlohn nicht reicht, um die Miete zu zahlen. Die Familien werden rausgeschmissen und sie landen auf der Straße."
Angela lebt seit über einem Jahr hier im Hotel mit ihrer Familie. Als sie eingezogen sind, waren sie schon ein Jahr lang obdachlos. Dabei sind die Hotels eigentlich nur als Übergang gedacht, erklärt Sarah: "Das soll hier eigentlich für maximal 90 Tage sein, weil es ein Hotel ist. Aber ich kenne Kinder, die in der Notunterkunft geboren wurden. Die sind jetzt zwei, drei Jahre alt. Das System hat sie fallengelassen. Viele Menschen wissen das nicht und deshalb kümmern sie sich auch nicht darum."
"Die ganze Familie lebt in einem Hotelzimmer. Mutter und Vater teilen sich zum Teil mit drei Kindern ein Hotelzimmer. Das mag ja für eine Woche im Urlaub schön sein. Aber wenn das das Leben ist und man sein Essen nur in einer Mikrowelle zubereiten kann oder von der Stadt bekommt, ist das keine gute Erfahrung."
Angela, deren Gehalt nicht reicht, um sich und ihre Familie über Wasser zu halten, ihre Miete zu zahlen, versucht es geduldig so hinzunehmen. Die Miete bricht vielen Familien hier in Washington das Genick, erklärt Melanie Hatter:
"In einer idealen Welt, arbeitet man und kann seine Miete bezahlen, Essen kaufen und ein gutes Leben haben. Aber in Städten wie Washington sind die Mieten so exorbitant gestiegen, dass ein Job mit Mindestlohn nicht reicht, um die Miete zu zahlen. Die Familien werden rausgeschmissen und sie landen auf der Straße."
Angela lebt seit über einem Jahr hier im Hotel mit ihrer Familie. Als sie eingezogen sind, waren sie schon ein Jahr lang obdachlos. Dabei sind die Hotels eigentlich nur als Übergang gedacht, erklärt Sarah: "Das soll hier eigentlich für maximal 90 Tage sein, weil es ein Hotel ist. Aber ich kenne Kinder, die in der Notunterkunft geboren wurden. Die sind jetzt zwei, drei Jahre alt. Das System hat sie fallengelassen. Viele Menschen wissen das nicht und deshalb kümmern sie sich auch nicht darum."
"Verurteilt ihn nicht"
Bei der Spielstunde krabbeln die Kleinsten in einer Ecke mit Babyspielzeug. Andere toben durch den großen Raum, der mit Teppich ausgelegt ist. Am Ende spendet ein Ehrenamtlicher noch zwei Pizzen für die Kinder und für jeden gibt es eine Mandarine und einen Müsliriegel. Die Kinder versuchen, so etwas wie ein normales Leben zu haben, in der Schule gut durchzukommen.
Währenddessen kämpfen sich die Eltern Stück für Stück ihrem Traum von einem Zuhause ein bisschen näher. Angela hat eisern daran gearbeitet, ihre Bewertung der Kreditwürdigkeit wieder auf die Reihe zu bekommen. Das heißt, sie zahlt ihre Rechnungen pünktlich, macht keine neuen Schulden. Diese Bewertung entscheidet bei vielen Vermietern mit darüber, ob sie jemandem eine Wohnung geben. Ob sie Angela und ihrer Familie eine Wohnung geben. Die Küchenchefin hält ihre Familie zusammen. Ihr Mann kümmert sich um Kinder und Enkelkinder. Sie warten auf den einen, den befreienden Tag, von dem sie alle träumen. Der Tag, an dem sie eine Wohnung bekommen und aus dem Hotelzimmer ausziehen können. Der Tag, an dem sie wieder ein Zuhause haben.
Es wird alles irgendwann besser, sagt sie bevor sie für kurze Zeit in ihr Hotelzimmer geht. Ein paar Minuten ohne die Kinder. Durchatmen. Kraft sammeln. Weitermachen. Auch Kenny, der in seinem Geländewagen lebt, macht immer weiter. Ab und zu heuern ihn Leute als Fahrer an. Dann räumt er früh morgens sein Auto aus, lagert seine Sachen, damit nichts in seinem Wagen den Eindruck macht, dass er darin schlafe. Dann fährt er die Menschen dorthin, wo sie hinwollen, verdient ein paar Dollar und holt abends seine Sachen wieder ab, richtet sich wieder ein in seinem Auto für die Nacht. Dann ist er wieder allein und manchmal fragt er sich verzweifelt: Wozu das Ganze?
"Es gibt Tage, das denkt man: Lohnt es sich, dass man es weiter versucht? Ich bin so müde und habe es satt, es immer wieder zu versuchen. Soll ich es heute wieder versuchen?"
Kenny ist oft einsam. Derzeit schreibt der große, schlanke Mann Bewerbungen und er wünscht sich so sehr ein Dach über dem Kopf vor dem Winter. Kenny erinnert sich noch gut an sein altes Leben, in dem er eine Familie, ein Haus und ein neues Auto hatte. Er erinnert sich daran, was er über die Menschen gedacht hat, die – wie er jetzt - obdachlos waren. Er wünscht sich von den anderen, denen, die nicht auf der Straße leben, vor allem eins:
"Wenn ihr jemanden seht, der die Straße runtergeht, jemand, der an einer Ecke sitzt und bettelarm aussieht, verurteilt ihn nicht, bevor ihr nicht selbst seine Erfahrungen gemacht habt und wisst, was er durchmacht."
Ein bisschen Respekt, ein bisschen Anerkennung, überhaupt bemerkt werden, das wünschen sie sich alle: Kenny, Angela, Printice, Melanie und die Millionen anderen Menschen, die in den USA durch das Raster fallen. Sie wollen kein Mitleid, sondern nur eine zweite Chance im Leben.
"Es gibt Tage, das denkt man: Lohnt es sich, dass man es weiter versucht? Ich bin so müde und habe es satt, es immer wieder zu versuchen. Soll ich es heute wieder versuchen?"
Kenny ist oft einsam. Derzeit schreibt der große, schlanke Mann Bewerbungen und er wünscht sich so sehr ein Dach über dem Kopf vor dem Winter. Kenny erinnert sich noch gut an sein altes Leben, in dem er eine Familie, ein Haus und ein neues Auto hatte. Er erinnert sich daran, was er über die Menschen gedacht hat, die – wie er jetzt - obdachlos waren. Er wünscht sich von den anderen, denen, die nicht auf der Straße leben, vor allem eins:
"Wenn ihr jemanden seht, der die Straße runtergeht, jemand, der an einer Ecke sitzt und bettelarm aussieht, verurteilt ihn nicht, bevor ihr nicht selbst seine Erfahrungen gemacht habt und wisst, was er durchmacht."
Ein bisschen Respekt, ein bisschen Anerkennung, überhaupt bemerkt werden, das wünschen sie sich alle: Kenny, Angela, Printice, Melanie und die Millionen anderen Menschen, die in den USA durch das Raster fallen. Sie wollen kein Mitleid, sondern nur eine zweite Chance im Leben.