"Junge Frau, darf ich Ihnen eine Wurst mitgeben?"
"Ja, was kriegen Sie denn?"
"Gar nichts, wenn Sie mir versprechen, den Octavian zu wählen, ist nämlich ein ganz patenter Kerl."
"Schon immer!"
"Schon immer, hervorragend."
"Ja, was kriegen Sie denn?"
"Gar nichts, wenn Sie mir versprechen, den Octavian zu wählen, ist nämlich ein ganz patenter Kerl."
"Schon immer!"
"Schon immer, hervorragend."
Mit dem Grillfahrrad stehen die CDU-Wahlkämpfer an diesem Morgen auf dem Marienplatz, mitten in der Görlitzer Altstadt. Der Kandidat der Union, der Landtagsabgeordnete Octavian Ursu, steht mit am Grill. In dieser Woche geht die Oberbürgermeisterwahl in Görlitz in die entscheidende Runde. Im ersten Wahlgang bekam Ursu 30,3 Prozent der Stimmen, knapp vor der grünen Kandidatin, die daraufhin zurückgezogen hat.
CDU-Kandidat Ursu: "Ich werbe für die offene Gesellschaft"
"Wir haben uns intensiv darüber unterhalten, Franziska Schubert und ich, und wir haben festgestellt, dass viele Themen uns verbinden in unserem Programm und wenige Themen uns trennen. Und das war auch eine wichtige Basis. Eine der wichtigsten Themen war auch die offene Gesellschaft, in der wir leben hier in Görlitz. Das ist ein bedeutender Unterschied zwischen dem AfD-Kandidaten und meiner Person und meinem Wahlkampf. Ich werbe für die offene Gesellschaft. Die AfD wirbt für Abschottung. Und das wollen wir in der Europastadt so nicht akzeptieren."
AfD-Landesverband steht hinter Björn Höcke
Mit seinem von einem Trabant gezogenen Wahlkampf-Anhänger steht der AfD-Kandidat Sebastian Wippel an diesem Tag nur einige Dutzend Meter gegenüber dem CDU-Stand. Am Sonntag treten der AfDler Wippel und CDU-Politiker Ursu zum zweiten Wahlgang in der Stichwahl an. Wippel, Polizist und Landtagsabgeordneter, gibt sich im Wahlkampf betont bürgerlich. Sein Landesverband allerdings steht voll hinter dem nationalistisch bis völkisch eingestellten Flügel von Björn Höcke, Vertreter der sächsischen AfD marschierten in Chemnitz gemeinsam mit Rechtsextremen. Wippel selbst verteilte beim Zuckerfest vor einem Jahr noch Flugzettel mit der Aufschrift: "Syrien vermisst Euch". Vor drei Wochen gewann er den ersten Wahlgang der Bürgermeisterwahl und holte über 36 Prozent der Stimmen.
"Dass die anderen Kandidaten zurückgezogen haben ist irgendwie logisch nachvollziehbar. Es geht darum, die AfD zu verhindern, einen AfD-Bürgermeister zu verhindern. Das finde ich jetzt persönlich nicht schön, weil es für uns die Sache natürlich erschwert. Aber es ist demokratisch legitim, das kann man machen. Aber es trägt halt nicht zur Glaubwürdigkeit des Vier-Parteienbündnisses von Schwarz bis Rot irgendwie bei."
Das Viererbündnis, von dem Wippel spricht, gibt es aktuell zwar gar nicht. Am AfD-Wahlstand scheinen an diesem Morgen dennoch alle überzeugt von der AfD. Zumindest die wenigen, die bereit sind, in ein Mikrofon zu sprechen.
"Meine Stimme kriegt der Herr Wippel. Schon immer. Für mich ist es keine rechtsradikale Partei. Für mich ist es eine Partei. Und man soll abwarten, was sie für Görlitz machen."
"Weil sie die ehrliche Meinung der Menschen respektieren. Das umsetzen, was wir auch im Kopf haben. Wo wir schon die CDU, FDP, SPD hätte ja auch die Möglichkeit zu sagen, so oder so. Aber es funktioniert ja nicht."
"Die wichtigsten Sachen sind eben für mich Rente. Und, da sehe ich gerade zwei junge Leute, gegen die ich überhaupt nichts habe. Aber ich habe etwas gegen diese unkontrollierte Einreise von Ausländern und dass sie mit uns machen, wie sie wollen."
AfD bei Bundestagswahl in Sachsen stärkste Kraft
In Sachsen war der AfD 2014 zum ersten Mal der Einzug in einen Landtag gelungen. Bei der Bundestagswahl 2017 wurde sie hier mit 27 Prozent stärkste Kraft. Noch besser schnitt sie im Wahlkreis Görlitz ab: 32,9 Prozent. Das Direktmandat verlor der heutige CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer an die AfD. Raj Kollmorgen, Inhaber der Professur "Management sozialen Wandels" an der Hochschule Zittau/Görlitz analysiert:
"Also demografisch betrachtet hatten wir hier eine deutliche Abwanderung mit dem Ende der Großindustrie."
Die Lausitz, die je nach Definition von der tschechischen Grenze bis kurz vor Berlin reicht, sei sehr heterogen, sagt der Soziologe. Es gebe aber verbindende Elemente: Die Abwicklung vieler Unternehmen nach 1990, die Abwanderung, das damit verbundene hohe Durchschnittsalter. Und die Angst vor Kriminalität wegen der Lage an der Grenze.
"Dann, soziodemografisch sind es die Älteren, vorzugsweise, die AfD wählen. Und Männer, und die, die so mittelgebildet sind. Das reicht bis ins akademische Milieu hinein. Es sind aber viele auch einfache Angestellte mit unsicheren Arbeitsverhältnissen. Und das sind alles Gruppen, die just in Görlitz und in den Umlandgemeinden, und zum Teil auch Kreisen, wenn wir jetzt noch mal die Lausitz uns besonders anschauen, die da besonders stark vertreten sind. Insofern ist es keine Überraschung, dass Herr Wippel in Görlitz so gut abgeschnitten hat und insgesamt auch die AfD bei der Bundestagswahl."
Doch mit welchen Themen und Ansätzen genau kann die AfD in Ostsachsen punkten? Aufschluss gibt eine Abendveranstaltung der AfD-Bundestagsfraktion Ende April in Görlitz.
Unter dem Motto "AfD- Bundestagsfraktion vor Ort" hat die Partei zu einem Informationsabend in die populäre Görlitzer "KULTurBRAUEREI" geladen. Unter anderem zu Gast: Die AfD-Co-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel.
"Wir sind sehr, sehr froh, dass Sie alle so zahlreich erschienen sind, ganz, ganz klasse."
Der große Saal ist mit fast 500 Gästen fast bis auf den letzten Platz besetzt. Alt, jung, mittelalt. Studenten, Arbeiter und Angestellte, Unternehmer, alles ist vertreten. Da sich Alice Weidel verspätet, bekommt auf dieser Informationsveranstaltung der Bundestagsfraktion der Oberbürgermeister-Kandidat Sebastian Wippel das Wort.
Wippels Fachbereich: Innen- und Sicherheitspolitik
"Wir geben jetzt mal, bevor die offizielle Veranstaltung beginnt, unserem OBM-Kandidat der AfD Gelegenheit, kurz zu Ihnen zu sprechen, kurz vor dem offiziellen Anfang jetzt, wir begrüßen mit Ihnen gemeinsam Sebastian Wippel!"
Wippel ist Jahrgang 1982 und Polizeioberkommissar. Der dreifache Familienvater war früher in der FDP. Seit 2013 ist er in der AfD, seit 2014 sitzt er für sie im Sächsischen Landtag. Sein Fachgebiet ist die Innen- und Sicherheitspolitik. Ein Thema, mit dem er in der Neiße-Grenzstadt zu Polen durchaus punkten kann.
"Wir haben offene Grenzen nach wie vor offen für jedermann, der hier rein kann, unkontrolliert, und täglich werden es mehr. Immer noch kommen mehr als gehen. Wir haben eine Kriminalitätsbelastung in unserer Stadt, die ist doppelt so hoch, wie im Landesdurchschnitt. Wir sind fast auf dem Kriminalitätsniveau wie Berlin."
Kriminalitätsrate ist recht hoch
Ein Blick in die Statistik zeigt: Zwar sinkt die Kriminalitätsrate, aber im Landesvergleich ist sie in Görlitz tatsächlich recht hoch. Seit die Grenzkontrollen nach Polen vor gut 15 Jahren wegfielen, hat das auch viele Kriminelle angelockt, die Zahl der Einbrüche und Kfz-Diebstähle stieg drastisch an, während Bund und Land zeitgleich Polizeikräfte abbauten. Das hat das Sicherheitsgefühl der Bürger zum Teil erheblich gestört.
"Und Sie können es mir glauben, ich möchte jedes rechtliche Mittel ausschöpfen, das es mir möglich macht, dass Störenfriede sich in dieser Stadt unsicher fühlen, aber sich dafür jede Frau abends wieder alleine auf die Straße trauen kann." (großer Applaus)
Wozu allerdings ein Oberbürgermeister kaum Befugnisse hat. Und es gibt noch eine Grundstimmung unter den Bürgern, die Wippel zu nutzen weiß. Er gibt den Görlitzern das Gefühl, dass sie vor Ort wichtig sind. Denn der AfD-Kandidat kennt das Trauma vieler seiner Landsleute. Auch er war nach dem politischen Umbruch in der DDR und dem wirtschaftlichen Zusammenbruch viele Jahre im Westen.
"Viele gingen weg aus unserem Landkreis, aus Billiglohnland, sie gingen in den vermeintlich goldenen Westen um dort zu arbeiten und weil sie dort arbeiten wollten, weil sie gutes Geld verdienen wollten oder weil sie dort arbeiten mussten, weil sie hier keine Arbeit gefunden haben. Sehr viele sind aber auch hier geblieben, und das ist die Mehrheit. Und all denen, die hier geblieben sind, möchte ich an dieser Stelle noch einmal "Danke" sagen, denn sie sind es, die die Fahne hochgehalten haben auch in den schweren Jahren der Vergangenheit."
Strukturwandel der Lausitz-Region erzeugt Unsicherheit
Jetzt steht die Lausitz-Region durch den für 2038 geplanten Ausstieg aus der Braunkohle erneut vor einem tiefgreifenden Strukturwandel. Das sorgt für Unsicherheit in der Bevölkerung auch im 30 Kilometer von den Braunkohletagebauen entfernten Görlitz. Wippel streichelt die Seele der Zuhörer:
"Wir haben auf einer Seite den Strukturwandel, den keiner von uns bestellt hat in der Lausitz, der ist politisch gewollt und er ergreift uns jetzt schneller, als es zwingend notwendig gewesen wäre, und wir haben den menschengemachten demographischen Wandel, der ist tatsächlich von Menschen gemacht. Und vor diesen Problemen stehen wir auch in unserer Stadt und wir müssen sie lösen!"
Wie das genau aussehen soll, sagt Sebastian Wippel an diesem Abend ebenso wenig wie die AfD-Co-Fraktions-Vorsitzende Alice Weidel. Ihr geht es an diesem Abend nicht um das Lokale, sondern um Europa und die tiefe Abneigung der AfD gegen den Euro.
"Weil er ein politisches Projekt ist und wirklich der ökonomische Tod Europas ist, und das haben wir immer gesagt, und das wird auch so sein. Man muss auch nicht Volkswirtschaft studiert haben um zu begreifen, warum der Euro nicht funktionieren konnte. Aber um ökonomische Prinzipien ging es hier gar nicht, sondern um politische Erpressung. Der Euro war der Preis, den Frankreich dafür verlangte, dass es sich mit der deutschen Wiedervereinigung abfand."
Der Dresdner Wirtschaftswissenschaftler Joachim Ragnitz schüttelt den Kopf, als man ihm diese Aussage vorspielt.
"Also natürlich, der Euro ist auch ein politisches Projekt, weil man eben die europäische Integration vorantreiben will und auf diese Art und Weise langfristig es erreichen will, dass wir einen wie auch immer gestalteten europäischen Bundestaat haben, Staatenverbund haben, wo die Länder besser integriert sind. Das heißt aber nicht, dass so etwas nicht funktionieren kann. Beispielsweise die deutsche Währungsunion 1990 zeigte eben, dass so etwas funktionieren kann, wenn eben Länder sich ähnlich sind. Aber zu sagen, der Euro ist der ökonomische Tod Europas und das wird auch so sein, das ist einfach Panikmache."
Weidel trifft mit EU-Schelte den Nerv der Görlitzer
Das Bild, das Weidel von der EU in Brüssel zeichnet, zeigt eine Europäische Union, die geprägt ist von undemokratischen und willkürlichen Machtverhältnissen, alkoholgetränkten Hinterzimmer-Absprachen und einem völlig entmachteten Scheinparlament in Brüssel und Straßburg:
"Ja und soll ich Ihnen mal noch was sagen, wie das in der EU gemacht wird, wie da Gesetzesinitiativen zustande kommen? Es läuft so ähnlich ab wie bei G5-Treffen, bei Cordon Bleu und flaschenweise Rotwein. In der EU schreiben Lobbyisten, große Firmen die ganzen Anträge, die an die Kommission gebracht werden, das ist Lobbyismus pur, das muss man sich mal vorstellen. Das europäische Parlament, das superteuer ist, hat noch nicht mal ein legislatives Initiativrecht. Was heißt das?"
Die Gesichter im Görlitzer Publikum spiegeln Empörung und Zustimmung nicht nur an dieser Stelle.
"War mal eine richtige Aufklärung! Es ist so!"
"Sehr gut, ja. Die Rede von Alice Weidel. Die kann ja reden und spricht uns aus dem Herzen, eigentlich!"
"Die Ehrlichkeit, die politische Resonanz, das kommt doch ganz anderes rüber, wie von den anderen Parteien."
"Mir hat das sehr gut gefallen, vielen Dank, die Ausführung von Frau Dr. Weidel, auch das was Sie zum europäischen Gedanken gesagt hat, trifft den Kern, was Schumann und Adenauer damals wollten und de Gaulle, nicht zu vergessen."
"Sehr gut, ja. Die Rede von Alice Weidel. Die kann ja reden und spricht uns aus dem Herzen, eigentlich!"
"Die Ehrlichkeit, die politische Resonanz, das kommt doch ganz anderes rüber, wie von den anderen Parteien."
"Mir hat das sehr gut gefallen, vielen Dank, die Ausführung von Frau Dr. Weidel, auch das was Sie zum europäischen Gedanken gesagt hat, trifft den Kern, was Schumann und Adenauer damals wollten und de Gaulle, nicht zu vergessen."
Weidel scheint einen Nerv getroffen zu haben. Denn Europa ist von der Neiße aus gesehen ziemlich weit weg. Und ein Teil der Kritik stimmt: Tatsächlich hat das Europäische Parlament kein eigenes Legislativrecht, darf also selbst keine Gesetzesvorschläge machen. Vor den Europawahlen haben sich allerdings viele Europapolitiker dafür ausgesprochen, genau das ändern zu wollen. Zum Beispiel die Anwärter auf den Vorsitz des EU-Kommissionspräsidenten Manfred Weber und Frans Timmermans. Doch das sagt Weidel nicht. Die Berliner Politologin Miriam Hartlapp, Professorin für vergleichende Politikwissenschaft, stellt klar:
"Wir haben ein System in Brüssel, wo die Kommission ein Vorschlagsrecht hat und dann gemeinsam Rat und Parlament im Legislativprozess diesen Vorschlag der Kommission diskutieren, Änderungen einnehmen und annehmen können."
Problematische Anti-Europa-Rhetorik
Legitimiert durch demokratisch gewählte Regierungen in den Mitgliedsstaaten, die sich entschieden haben, bestimmte Aufgaben an die EU abzugeben. Die Anti-Europa-Rhetorik der AfD stuft die Wissenschaftlerin als problematisch ein:
"Da wird ja auch oft sehr bildlich von Glücksrittern und Ganoven in Brüssel oder von dem Haus Europa, das man nun nicht mehr abschließen kann, da werden eine ganze Reihe von Bildern bemüht, die eigentlich alle darauf zielen, das Wissen über Politikgestaltung in Brüssel zu verschleiern."
Der Dresdner Wirtschaftswissenschaftler Joachim Ragnitz erklärt die Taktik der AfD so: Politiker der Partei vermengten bewusst berechtigte Kritik mit Vorurteilen und Halbwahrheiten. Das mache es selbst politisch gebildeten Beobachtern schwer zu unterscheiden - zwischen dem, was wahr ist und der Lüge.
"Das Schlimme ist, dass ganz viele von diesen Aussagen so halb wahr sind, zumindest. Also man hat so die Vorstellung, na ja so etwas ähnliches habe ich doch schon mal gehört und vielleicht ist ja doch was dran, einfach weil sie halt Sie mit Äußerungen, mit Fakten argumentiert, die sie eklektisch irgendwie zusammengezogen und zusammengeführt hat, die aber nicht zusammen passen, Sie werden aus dem Zusammenhang gerissen und irgendwie miteinander erneut zusammengestückelt und wenn man das so hört, dann denkt man halt. Na ja, könnte ja was dran sein! Das Schlimme ist, dass die Leute, wenn man das so hört, nicht so ohne weiteres überprüfen können, und es einfach dann nur glauben."
Und auch im anstehenden zweiten Wahlgang bei der Oberbürgermeisterwahl in Görlitz die AfD wählen? 36 Prozent der Stimmen erhielt der AfD-Kandidat Wippel im ersten Wahlgang. Grüne und CDU kamen gemeinsam zwar auf knapp 60 Prozent der Stimmen. Doch bei rund 46.000 Wahlberechtigten könnten einige hundert Stimmen den Ausschlag geben. Sollte tatsächlich AfD-Kandidat Wippel gewinnen, befürchte sie zunächst einen Imageschaden für Görlitz, sagt die Grüne Landtagsabgeordnete Franziska Schubert:
"Ich habe im Wahlkampf ja mit vielen Menschen gesprochen, auch mit Unternehmern, die haben klar gesagt: Wir haben hier auch Menschen beschäftigt mit einer anderen Hautfarbe. Wenn hier ein Klima in dieser Stadt herrscht, das offen ausländerfeindlich ist, dann sind wir hier weg. Das heißt, die Menschen, die in der Stadt sind, die etwas Gutes bewegen wollen, oder die überlegen, zu kommen. Mit denen muss man ins Gespräch gehen und sehr genau zuhören, was da die Botschaften sind."
Etwa mit Joachim Trauboth. Frisch in Rente, ist der Unternehmer 2014 aus Münster nach Görlitz gezogen.
"Ich habe Görlitz gemeinsam mit meiner Frau ausgesucht, weil Görlitz eine wunderschöne Stadt ist, die unglaublich viel Lebensqualität und Kultur bietet."
Trauboth ist SPD-Mitglied und engagiert sich im Willkommensbündnis Görlitz. Seine Frau gibt wie so oft auch an diesem Nachmittag Nachhilfe für syrische Kinder. Mehrfach seien sie deshalb schon bedroht worden.
"Allerdings ist es so, wenn in dieser Stadt deutlich ein rechtslastiges, ausländerfeindliches und rassistisches Klima entstehen würde, dann müsste ich feststellen, dass Görlitz nicht mehr die richtige Stadt für mich ist."
Wahl eines AfD-OBs hätte primär symbolische Bedeutung
Doch selbst, wenn es so kommen sollte: Welche politische Macht hätte ein AfD-Oberbürgermeister in Görlitz überhaupt? Der Oberbürgermeister einer Stadt ist zunächst einmal der Chef ihrer Verwaltung. Angewiesen ist er bei seinen Entscheidungen auf Mehrheiten im Stadtrat. Die AfD ist zwar vor drei Wochen stärkste Kraft geworden, hat aber keine absolute Mehrheit, sondern nur ein Drittel. Man müsse bei der Wahl eines AfD-Bürgermeisters vor allem von einer Symbolwirkung ausgehen, sagt Soziologe Raj Kollmorgen:
"Dass aber die Stadt, und das ist ein zweiter wichtiger Punkt, dadurch auch herausgefordert wird, sich demokratisch zu organisieren, und die, die etwas gegen diese Politik, gegen diesen Politikstil und gegen die Inhalte einzuwenden haben, die werden dann vielleicht aktiviert. Also ich sehe da durchaus auch eine Chance – wenn es denn so käme – für die politische Stadtgesellschaft nochmal neu darüber nachzudenken, was wir eigentlich wollen. Und was unser Selbstverständnis ist."
Nicht nur die AfD-Wähler in Görlitz wollen Veränderung. Auch die 28 Prozent der Wahlberechtigten, die im ersten Wahlgang für die Grüne Franziska Schubert gestimmt haben, wollen etwas anderes als die Politik der in Sachsen seit 1990 dominierenden CDU. Auch Bündnisse wie "Motor Görlitz" oder die "Bürger für Görlitz" haben die grüne Kandidatin unterstützt. Mit einem klaren Bekenntnis für Weltoffenheit der sogenannten Europastadt und einem eigenen Wahlkampfsong mit Video.