"Ich habe in Hessen noch G 9 gemacht, als einer der letzten Jahrgänge und bin dann 2012 nach Sachsen-Anhalt gezogen."
Rückblickend war das für die heute 21-jährige Laura Böttcher – die damals in die 11. Klasse ging - der größte Fehler ihres Lebens, wie sie sagt.
"Ich hatte sechs Leistungskurse statt zwei, alle Noten sind ins Abitur geflossen. Das hat letztendlich dazu geführt, dass mein Abi schlechter geworden ist."
Am Ende lag ihr NC bei 3,1. In Hessen hätte sie nur zwei Leistungskurse gebraucht, in Sachsen-Anhalt musste sie sechs machen. Ein bundesweiter Spitzenwert, zudem ist auch die Prüfung in Mathematik Pflicht. Und alle 44 Noten der letzten zwei Schuljahre fließen ins Abi-Zeugnis mit ein. Anders als beispielsweise in Hamburg oder Hessen, wo Schüler einen Teil ihrer schlechten Noten ausklammern können. Ungerecht nennt das die 19-jährige Laura Feind aus Barleben bei Magdeburg.
"Ich würde nicht sagen, dass das fair ist und dass es schon ein Unterschied macht, ob man am Ende in fünf oder in vier Fächern geprüft wird."
Initiative setzt sich für bundesweit einheitliches Abitur ein
Bundesweit hat Sachsen-Anhalt die niedrigste Abitur-Quote. Während in Hamburg 50 Prozent aller Schüler Abi machen, sind es im selbst ernannten Frühaufsteher-Land gerade mal 27 Prozent. Die Hürden, die man Schülern in Sachsen-Anhalt mache, seien eine grobe Ungerechtigkeit, sagt Winfried Borchert aus Wernigerode. Der 47-jährige Ballonflieger ist der Sprecher der Elterninitiative "Aktion Faires Abi", die sich für ein bundesweit einheitliches und gleichwertiges Abitur einsetzt.
"Der Gipfel ist, dass jedes Bundesland, den Durchschnitt seines Abiturzeugnisses selbst berechnet. Das führt dazu, dass sie als Schüler mit identischen Zeugnissen in jedem Bundesland einen anderen Durchschnitt erhalten."
Die Initiative "Faires Abi" will eine Oberstufenreform und fordert in einem Sofortprogramm die Berechnungsformel der sachsen-anhaltischen Abiturnoten zu ändern. Andernfalls drohe den Absolventen des aktuellen Abiturjahrgangs erhebliche Nachteile im Vergleich zu Gleichaltrigen aus den anderen Bundesländern, so Borchert weiter. Und rechnet vor, dass ein Abiturient aus Sachsen-Anhalt bei gleichen Zeugnisnoten im schlimmsten Fall ein um den Wert 0,7 schlechtere Abiturnote erhalte, als ein Schüler in Hamburg oder Hessen.
"Und dann heißt es für sachsen-anhaltische Schüler sich bei Bewerbungen um begehrte Studienplätze hinten anzustellen. Sie werden benachteiligt, also diskriminiert."
Thomas Gaube schüttelt unmissverständlich den Kopf. Er ist der stellvertretende Vorsitzende des sachsen-anhaltischen Philologen-Verbandes. Das Abitur sei ein Zeugnis der wissenschaftlichen Vorbereitung zum Studium und dürfe keinesfalls aufgeweicht werden.
"Ich sage, das ist eines der anerkanntesten, neben Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen. Wir haben was Einbringungsverpflichtung, Belegverpflichtung, was Einteilung der Fächer im Unterricht angeht, an Baden-Württemberg orientiert."
Überbietungswettbewerb der Länder
Einen Überbietungswettbewerb der Länder nennen das Kritiker. Es müsse schleunigst ein bundeseinheitliches Abitur her, sagt Winfried Borchert von der Initiative "Faires Abi".
"Wir brauchen ein Bundes-Abitur. Das heißt: Bundeseinheitliche Aufgaben, bundeseinheitliche Bewertungskriterien und wir brauchen eine Zentralstelle, die das koordiniert."
Der Magdeburgerin Laura Böttcher hätte so ein bundesweit vergleichbares Abitur gern gehabt, sagt sie noch. Gesundheitsmanagement wollte sie studieren, doch dazu reichte ihr Numerus clausus nicht. Ihre bittere Erfahrung: Wer ein gutes Reifezeugnis haben will, sollte einen großen Bogen um Sachsen-Anhalt machen.
"Es ist traurig, aber wahr."