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OECD-Bericht
Weniger Bildungschancen für Kinder aus ärmeren Familien

Laut OECD-Bildungsstudie hat Deutschland in den letzten Jahren aufgeholt. Aber auch der akute Lehrermangel wird angesprochen. Ein weiteres Ergebnis der Untersuchung: Für Kinder aus ärmeren Familien und Einwandererkinder ist ein Aufstieg durch Bildung immer noch schwierig.

Von Mathias von Lieben |
    11.09.2018, Berlin: Heino von Meyer, Leiter des OECD Berlin Centre (l-r), Anja Karliczek (CDU), Bundesbildungsministerin und Helmut Holter, Präsident der Kultusministerkonferenz, bei der Vorstellung des OECD-Berichts "Bildung auf einen Blick 2018". OECD ist die Abkürzung für die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa | Verwendung weltweit
    Heino von Meyer, Leiter des OECD Berlin Centre (l-r), Anja Karliczek (CDU), Bundesbildungsministerin und Helmut Holter, Präsident der Kultusministerkonferenz, bei der Vorstellung des OECD-Berichts (dpa / Britta Pedersen)
    Deutschland hat in den vergangenen Jahren in der Bildung in einigen Bereichen deutlich aufgeholt und steht im internationalen Vergleich gut da: Doch, so zeigt eine neue Studie der OECD auch: Für Kinder aus ärmeren Familien und Einwandererkinder ist ein Aufstieg durch Bildung immer noch schwierig. So ist die Arbeitslosenquote bei jungen Erwachsenen zwischen 25 und 34 Jahren mit Haupt- oder Realschulabschluss mit 15 Prozent deutlich höher als bei denen mit Gymnasialabschluss.
    Zudem erreichen Migranten in erster und zweiter Generation seltener einen höheren Bildungsabschluss als andere. Daher seien sie auch eher von Arbeitslosigkeit betroffen: bei den 15- bis 29-Jährigen, die im Ausland auf die Welt gekommen sind, ist demnach jeder Vierte weder in Beschäftigung noch in Bildung oder Ausbildung.
    "Sparen an Bildung wird sich bitter rächen"
    Der Leiter des Berliner OECD-Büros, Heino von Meyer, mahnte daher an: "Gerade angesichts der gestiegenen Zahlen auch unzureichend qualifizierter junger Migranten und Geflüchteter stellen sich hier zentrale Herausforderungen, auf die Bildungspolitik rasch reagieren muss."
    Der OECD-Bildungsbericht "Bildung auf einen Blick" vergleicht jährlich die Bildungsleistung von 35 Ländern von den USA über China bis Brasilien und Frankreich - dieses Jahr mit dem Schwerpunkt Chancengleichheit. Kritik übt die OECD in diesem Jahr daran, dass der Anteil des Bruttoinlandsproduktes, der für Bildung ausgegeben wird, in Deutschland unter dem Durchschnitt der OECD-Länder liegt. Zwischen 2010 und 2015 sind demnach die Bildungsausgaben mit einem Minus von zwei Prozent deutlicher zurückgegangen als im OECD-Durchschnitt.
    Heino von Meyer appellierte daher an Bundesbildungsministerin Anja Karliczek: "Sparen an Bildung wird sich bitter rächen. Gerade heute, wo Deutschland vor großen Integrations- und Transformationsaufgaben steht, sind alle gefordert, Länder und Kommunen, aber auch der Bund sicherzustellen dass investiert wird in das wichtigste Vermögen dieses Landes: die gute Bildung seiner Bürger."
    Aus der Sicht von Bildungsministerin Karliczek sei es hingegen relevanter, wie viel Geld pro Bildungsteilnehmer ausgegeben werde. Und da liege Deutschland im internationalen Vergleich deutlich über dem Durchschnitt. Sie hob zudem hervor, dass das Interesse an den sogenannten MINT-Fächern, also aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, weiter zugenommen habe und in Deutschland so hoch wie in keinem anderen Land sei. Das sei besonders wichtig für die Digitalisierung.
    Akademikerkinder öfter in der Kita
    Dass sich zudem nur jeder zehnte 15- bis 29-Jährige in Deutschland weder in Arbeit noch in Schule oder Ausbildung befinde - einer der niedrigsten Anteile in den OECD-Ländern - nahm Karliczek zum Anlass, um ein insgesamt positives Fazit zu ziehen. "Der Bericht bescheinigt uns ein stabiles, leistungsfähiges und zukunftsorientiertes System. Das ist auch ein Ergebnis der Prioritätensetzung, die Bund und Länder vorgenommen haben."
    Eine weitere Erkenntnis des Berichts: weit mehr Kinder als früher besuchen frühkindliche Bildungseinrichtungen. Der Anteil der Unter-Drei-Jährigen, die beispielsweise eine Kita besuchen, stieg von 17 Prozent 2005 auf fast 40 Prozent in 2016. Allerdings ist der Anteil der Kinder von Akademikermüttern um zwölf Prozent größer als bei Kindern von Müttern ohne einen sogenannten Tertiärabschluss.
    Einen Aspekt, der auch in der öffentlichen Bildungsdebatte zuletzt eine große Rolle gespielt hat, thematisiert der Bericht ebenfalls: den akuten Lehrermangel. Unionsfraktionschef Volker Kauder hatte kürzlich in einem Interview davor gewarnt, dass Deutschland in Gefahr sei in einen Bildungsnotstand hineinzulaufen.
    Helmut Holter, Präsident der Kultusministerkonferenz, will zwar verhindern, "dass wir noch einmal in eine Situation kommen, wie wir sie jetzt haben. Also ich möchte nicht von Bildungsnotstand reden wie andere, sondern ich möchte nicht, dass wir in einigen Jahren uns wieder die Frage stellen lassen müssen: ja wir wussten es doch, warum haben wir nichts gemacht. Diese Verantwortung müssen die Länder wahrnehmen."