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OECD Skills Outlook 2015
"Mehr Jugendliche in eine Berufsausbildung bringen"

Die OECD bescheinigt in ihrem aktuellen "Skills Outlook" Deutschland gute Leistungen im Bildungswesen. Das sei weniger rein dem System geschuldet als vielmehr der wirtschaftlichen Großwetterlage, sagte der Bildungsökonom Ludger Wößmann im DLF. Ein großes Problem sei, dass 17 Prozent eines jeden Jahrgangs überhaupt keine berufliche Ausbildung abschließen würden.

Ludger Wößmann im Gespräch mit Regina Brinkmann |
    Lehrling und Meister in der Werkstatt.
    Lehrling und Meister in der Werkstatt. (picture alliance / dpa/ Sebastian Kahnert)
    Regina Brinkmann: Wenn die OECD eine neue Studie vorstellt, geschieht das ja meistens an ihrem Hauptsitz in Paris, die Mitgliedsländer der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung werden dann per Videokonferenz zugeschaltet. Ihren neusten Skills Outlook präsentierte die OECD dagegen ganz gezielt heute in Berlin - denn in Deutschland werde viel in der beruflichen Ausbildung dafür getan, um junge Menschen in Arbeit zu bringen. Und damit stehe Deutschland besonders gut da, hieß es heute bei der Vorstellung des OECD-Vergleichs.
    Es ist ja nicht selbstverständlich, dass die OECD Deutschland gute Leistungen im Bildungswesen bescheinigt, wie jetzt geschehen im aktuellen Skills Outlook. Ludger Wößmann ist Leiter des ifo Zentrum für Bildungsökonomik. Herr Wößmann, worauf ist denn dieser Erfolg nun tatsächlich zurückzuführen?
    Ludger Wößmann: Ich denke, weil wir das eigentlich durchgehend unter den jungen Menschen in Deutschland sehen - also sowohl den höher gebildeten, den mit einer mittleren Ausbildung und auch den gering qualifizierten -, ist es vermutlich weniger rein dem Bildungssystem geschuldet als viel mehr der wirtschaftlichen Großwetterlage. Wir haben seit vielen Jahren die Eurokrise, das Kapital, die Investitionen fliehen nach Deutschland, und dadurch eben entstehen hier Arbeitsplätze. Es kommt hinzu, dass wir eben so langsam die deutliche demografische Entwicklung in Deutschland sehen, dass mehr ältere Menschen aus dem Arbeitsmarkt raustreten als junge Menschen eintreten, und darum ist die Nachfrage nach Arbeitskräften sehr hoch. Das kommt jetzt gerade den jungen Menschen zugute.
    "Wir hatten 2000 den PISA-Schock, seitdem hat sich doch einiges getan bei uns"
    Brinkmann: Jetzt sagen Sie, die wirtschaftliche Situation ist gut, allgemeine wirtschaftliche Großwetterlage - was ist denn, wenn sich diese ändert, wie gut ist da unser Berufsausbildungssystem gewappnet?
    Wößmann: Ja, wir sehen einerseits - das wird auch in dem neuen Bericht betont -, dass eben jüngeren Menschen bei dem Erwachsenen-PISA vergleichsweise ein bisschen besser abschneiden als in anderen Ländern und im Vergleich zu der älteren Bevölkerung, und ich glaube, das ist auch genau das, was wir in Deutschland jetzt seit bald 15 Jahren in den PISA-Tests sehen. Wir hatten 2000 den PISA-Schock, seitdem hat sich doch einiges getan bei uns. Wir sehen, dass die deutschen Schülerinnen und Schüler stetig besser geworden sind, und das ist natürlich schon etwas, was uns auch langfristig helfen wird, dass die jungen Menschen besser vorbereitet sind für den Arbeitsmarkt. Aber gleichzeitig sehen wir natürlich auch, dass seit sehr langer Zeit eigentlich ein recht konstanter Anteil von 17 Prozent eines jeden Jahrgangs überhaupt keine berufliche Ausbildung abschließt. Das heißt, eigentlich jeder sechste Jugendliche um und bei wird eben nicht abgeholt und erhält keine berufsqualifizierende Ausbildung. Ich glaube, das ist sicherlich noch unser größtes Problem.
    Brinkmann: Das heißt, das sind so Zahlen, die jetzt in diesem OECD-Bericht überhaupt keine Rolle spielen, gar nicht berücksichtigt worden sind?
    Wößmann: Man schaut sich schon verschiedene Dinge an, und auch diesen jungen Menschen geht es zurzeit besser als noch vor einigen Jahren in Deutschland, was eben sicherlich mit der wirtschaftlichen Großwetterlage zu tun hat. Aber wir sehen eben gerade in dem Bereich, dass die Chancen, die Qualifikationen gering sind, die Arbeitslosigkeit relativ zu den anderen, also besser gebildeten Berufsgruppen deutlich höher ist und gerade langfristig man ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung noch dauerhaft die Gefahr hat, Arbeitslosigkeitszeiten zu erfahren.
    "Wir haben in Deutschland ein relativ großes Übergangssystem"
    Brinkmann: Was müsste denn da aus Ihrer Sicht passieren, damit das besser wird?
    Wößmann: Ja, das ist sicherlich keine einfache Frage. Die Forschung zeigt da deutlich, dass man sehr früh ansetzen muss. Es sind häufig Kinder aus bildungsfernen und benachteiligten Schichten. Es zeigt sich, wenn man es schafft, diese Kinder in qualitativ hochwertige frühkindliche Einrichtungen zu bringen, das doch ganze Lebenswege verändern kann, sodass sozusagen, wenn man früh ansetzt, da durchaus Chancen bestehen. Eine weitere Frage ist natürlich, was denn passiert, wenn die eben in einem Alter sind, wo es um die Entscheidung geht, was machen wir jetzt weiter. Wir haben in Deutschland ein relativ großes Übergangssystem, mehr schulische Einrichtungen für die Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz finden - das ist natürlich gerade für diese Jugendlichen sicherlich nicht der richtige Ansatzpunkt, die eben in der Schule schon relativ schlecht abgeschnitten haben und genau das eben nicht weiterhaben wollen.
    Hier müssen fragen, ob wir es nicht schaffen, mehr Jugendlichen in dem Bereich eine Berufsausbildung zu bringen. Und wenn das eben insgesamt auf dem Niveau, was wir jetzt haben, nicht funktioniert, dann könnten wir uns vielleicht die Schweiz als Vorbild nehmen, die vor längerer Zeit zusätzliche zweijährige Berufsausbildungen eingeführt haben, die ein bisschen niedrigere Ansprüche haben, aber wodurch eben deutlich mehr Jugendliche zumindest eine gewisse Qualifikation erlangen. Das scheint dort sehr erfolgreich gewesen sein. In der Schweiz liegt der Anteil derer, die eben gar keine Ausbildung haben, nicht bei 17 Prozent, sondern bei unter fünf Prozent.
    Brinkmann: Einschätzungen des Münchner Bildungsökonomen Ludger Wößmann zum OECD Skills Outlook 2015 hier in "Campus & Karriere".
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.