Nach dem millionenfachen Datenmissbrauch durch Cambridge Analytica ändert der ORF seine grundsätzliche Haltung gegenüber Facebook. Das berichtet die österreichische Tageszeitung "Der Standard" unter Berufung auf eine ORF-interne Mitteilung.
ORF ändert Facebook-Strategie
Demnach sollen 80 Prozent der Facebook-Seiten des Senders eingestellt werden. Der ORF betreibt derzeit noch über 60 Facebook-Seiten, einen Großteil für jeweils einzelne Sendungen.
Nicht nur die Zahl der Seiten soll reduziert werden: Künftig sollen auch keine vollständigen Video-Mitschnitte von ORF-Sendungen direkt bei Facebook oder YouTube hochgeladen werden. Stattdessen will der Sender vorrangig auf die eigene Mediathek hinweisen und verlinken.
Auch seinen Umgang mit Werbung auf und für Facebook ändert der Sender: Im Fernseh- und Radioprogramm soll auf "werbliche Hinweise" zu Facebook und anderen sozialen Netzwerke möglichst verzichtet werden.
Grundsätzlich verboten sind künftig bezahlte Facebook-Anzeigen für ORF-Inhalte, die nur noch in Ausnahmefällen und mit expliziter Genehmigung möglich sein sollen.
"Sind wir bei Facebook eigentlich noch gut aufgehoben?"
Auch das Deutschlandradio unterhält eigene Seiten bei Facebook, wenn auch mit vier Seiten weitaus weniger als der ORF.
Nicola Balkenhol, Leiterin der Abteilung Online-Multimedia im Deutschlandradio, kann die Entscheidung des ORF grundsätzlich nachvollziehen:
"Ich verstehe das gut, was der ORF da macht, weil wir uns im Deutschlandradio auch dauernd fragen: Sind wir bei Facebook eigentlich noch gut aufgehoben? Sind die Bedingungen so, wie wir als öffentlich-rechtlicher Rundfunk da auftreten wollen?"
Nichtdestotrotz ist Facebook neben der Suchmaschine Google momentan einer der wichtigsten Reichweiten-Lieferanten für das Deutschlandradio, so wie für viele anderen Medien auch.
Viel Reichweite, wenig Transparenz
Über die Macht, die Rolle und die Wirkung von Facebook auf die Medien wird auch deswegen nicht erst seit dem "Cambridge Analytica"-Skandal diskutiert. Denn das Unternehmen von Mark Zuckerberg ändert immer wieder die Kriterien, nach denen Medien-Inhalte bewertet und den Nutzerinnen und Nutzern angezeigt werden.
Entsprechende Änderungen am damit vollständig intrasparenten Facebook-Algorithmus werden - wenn überhaupt - erst im Nachhinein kommuniziert.
Einen vollständigen Rückzug von Facebook will Nicola Balkenhol deswegen auch nicht grundsätzlich ausschließen. Aus ihrer Sicht würde beispielsweise eine weitere Einschränkung der Sichtbarkeit von Medien durch Facebook in Kombination mit zusätzlicher Datenunsicherheit die Debatte weiter verstärken:
"Ich kann mir schon vorstellen, dass wir irgendwann an einem Punkt sind, wo wir sagen würden: Das ist so weit weg von unserem öffentlich-rechtlichen Angebot, dass wir da nicht mehr mitgehen können."
Eigene Angebote und Plattformen stärken
Der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm wirbt seit Januar für die Idee einer übergreifenden digitalen Plattform, einer "Supermediathek" mit Inhalten der öffentlich-rechtlichen Sender, der Privatsender und der Verlage.
Eine ähnliche Idee - eine gemeinsame Video-Mediathek der öffentlich-rechtlichen und privaten Sender namens "Germany's Gold" - scheiterte 2014 an den Bedenken des Bundeskartellamts, das ein entstehendes Monopol befürchtete. Vier Jahre später sorgen sich das sowohl Europa-Parlament als auch der US-Kongress, ob Facebook nicht längst eine Monopolstellung im Bereich der Medien besitzt.
Abgesehen von den Hürden bei der Umsetzung geht es bei der "Supermediathek"-Idee auch um die Symbolwirkung: Die deutschen Medien wollen sich bestenfalls gemeinsam unabhängiger von US-amerikanischen Plattformen machen - allem voran Facebook.