Rundfunkreform
Auf Sparkurs in die digitale Zukunft?

Die Bundesländer haben sich auf eine Reform von ARD, ZDF und Deutschlandradio geeinigt. Doch der Streit um den Rundfunkbeitrag ist immer noch ungeklärt. Und auch beim Einsparpotenzial und dem Plan fürs Digitale gibt es offene Fragen.

Von Brigitte Baetz |
    Eine Frau hält ein Mikrofon des ARD und des BR (Bayerischer Rundfunk) in der Hand und spricht, im Hintergrund ist, etwas unscharf, ein Mann mit einer Kamera in der Hand zu erkennen.
    Vor allem bei der ARD sieht die Politik Sparpotenzial. Dafür setzt sie im geplanten Reformstaatsvertrag in erster Linie auf eine Reduzierung des Programmangebotes. (picture alliance / dpa / Daniel Löb)
    Wie viel dürfen ARD, ZDF und Deutschlandradio kosten? Wie müssen sie digital aufgestellt sein? Und was kann gleich ganz gestrichen werden? Um eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland wird schon seit Jahren gerungen. Denn Medienpolitik ist in Deutschland sehr komplex und deshalb schwerfällig: Der Rundfunk in Deutschland muss staatsfern sein, um einen direkten politischen Einfluss auf das Programm zu verhindern. Gleichzeitig darf die Politik aber in Medienstaatsverträgen den Rahmen für die Sender festlegen. Das führt immer wieder zu Konflikten.
    Beschleunigt wurden die Reformvorhaben 2022 durch den rbb-Skandal. Die Vorwürfe – Vetternwirtschaft und Verschwendung – werden immer noch aufgearbeitet. Ende 2024 einigten sich die Bundesländer schließlich auf einen Reformstaatsvertrag. Doch viele Fragen bleiben offen. Zum Beispiel, ob und wie eine Beitragsanpassung stattfinden wird. Die Ministerpräsidenten der Länder möchten den Rundfunkbeitrag möglichst einfrieren. Die Sender bestehen auf ihr Recht auf eine Beitragserhöhung. Ein Überblick.

    Inhalt

    Mehr Aufgaben, aber nicht mehr Geld

    Zu viel, zu teuer, zu unbeweglich – das ist die Kritik der Ministerpräsidenten am öffentlich-rechtlichen System. ARD, ZDF und Deutschlandradio sollen deshalb effizienter und kostengünstiger werden. Gleichzeitig müssen die Öffentlich-Rechtlichen sich für die digitale Zukunft rüsten. Neben dem laufenden TV- und Hörfunkbetrieb sind sie auch im Netz vertreten: mit Webseiten, Mediatheken, Podcasts, Apps und auf Social Media. Der Rundfunkbeitrag wird von allen bezahlt und muss deshalb allen etwas bieten – auch denen, die nicht mehr „klassisch“ TV schauen oder Radio hören.
    Für die Gebührenperiode 2025-2028 haben die Sender bei der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs KEF ihren Bedarf angemeldet. Die KEF hatte daraufhin den Ministerpräsidenten vorgeschlagen, den Rundfunkbeitrag um 58 Cent auf 18,94 Euro zu erhöhen. Doch diese Erhöhung haben die Länderchefs für die nächsten zwei Jahre auf Eis gelegt. Die Sender sollen zunächst ihre Rücklagen aufbrauchen. Doch geht das so einfach?

    Die KEF und die Höhe des Rundfunkbeitrags

    Die Politik soll über die Rundfunkfinanzierung keinen Zugriff auf die Programmgestaltung bekommen. Deshalb gibt es die unabhängige Expertenkommission KEF. Die Sender melden dort ihren Bedarf an. Die KEF prüft, ob die Sender das Geld wirklich benötigen. Die KEF segnet nicht alles, was die Sender an Geld haben möchten, auch ab.
    Die Höhe des Rundfunkbeitrages, den die KEF errechnet, darf wiederum nicht ohne weiteres von der Politik wieder infrage gestellt werden. Rundfunkreform und Rundfunkfinanzierung sind getrennt voneinander zu behandeln. Hubertus Gersdorf, Professor für Medienrecht an der Universität Leipzig, betont das Trennungsgebot: "Die Beitragsfestsetzung darf mit Reformvorhaben nicht verbunden werden, das ist verfassungsrechtlich ausgeschlossen.“
    Die politische Debatte verläuft allerdings anders. Mehrere Länderchefs haben immer wieder betont, dass sie erst Reformen von den Sendern erwarten, dann könne über eine Beitragsanpassung gesprochen werden. Auf den Münchner Medientagen im Oktober 2024 sagte Markus Söder: „Ich finde, in die jetzige Landschaft passt eine Beitragserhöhung nicht. Was rein passt, ist erstmal Reformen zu machen. Strukturen zu verändern.“

    Verfassungsbeschwerde von ARD und ZDF

    ARD und ZDF haben im November Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht eingelegt - noch vor dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz, die Erhöhung des Beitrages um zwei Jahre hinauszuschieben. Denn zu diesem Zeitpunkt stand bereits fest, dass die Erhöhung nicht zum 1.Januar 2025, wie eigentlich festgesetzt, in Kraft treten konnte. Alle Landtage müssen eine solche Erhöhung nämlich vorher absegnen.
    ARD und ZDF wollen gerichtlich klären lassen, dass sie einen Anspruch auf die bedarfsgerechte Beitragserhöhung haben, die von der KEF ermittelt wurde. SWR-Intendant Kai Gniffke, zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinreichung ARD-Vorsitzender, betonte gegenüber der Tagesschau: „Wir wollen festhalten am Prinzip der staatsfernen Finanzierung des öffentlichen Rundfunks, denn: wenn dieses Verfahren einmal weg ist, ist es für immer weg“. Deutschlandradio hat sich nicht an der Klage beteiligt, weil seine Einnahmen aus dem Rundfunkbeitrag ab 2025 auch ohne Erhöhung stabil bleiben.

    Strukturreformen: Abbau, Zusammenlegungen und Streichungen

    Die Sender arbeiten seit längerem daran, Mehrfachstrukturen abzubauen, teure Liegenschaften zu verkaufen und im Hörfunk Programmstrecken zusammenzulegen. ARD-weit werden so genannte Kompetenzzentren aufgebaut, um beispielsweise die Berichterstattung über Gesundheit, Klima und Verbraucher zu bündeln. Mehrarbeit bei überregionalen Themen soll so vermieden werden. Mit der dadurch entstehenden Kostensenkung sollen Mittel für die digitale Transformation frei werden.
    Nach dem Willen der Politik sollen zusätzlich Sender eingestellt werden: Mindestens 16 ARD-Hörfunkkanäle und knapp die Hälfte der zehn Fernseh-Spartensender von ARD und ZDF. Welche das sein werden, können die Öffentlich-rechtlichen Anbieter selbst entscheiden. ARTE soll, so der Plan, zu einer europäischen Kulturplattform ausgestaltet werden – eventuell unter Einbindung des Kulturkanals 3sat.
    Medienexperten glauben allerdings nicht, dass diese Maßgaben der Politik Geld einsparen werden. Das Potential dafür sei bei Spartenkanälen minimal, für eine Kulturplattform müsse sogar noch zusätzlich Geld in die Hand genommen werden. Die CSU-Politikerin Gerda Hasselfeldt, Vorsitzende des ZDF-Fernsehrates, sagte dem BR: „Ich glaube, dass diese Reduzierung der Kanäle im Wesentlichen eine Symbolwirkung hat“.

    Streitpunkt Presseähnlichkeit

    Der Öffentlich-rechtliche Rundfunk soll die Grundversorgung der Bürger mit Bildung, Information und Unterhaltung sicherstellen. Das schließt auch die Versorgung via Internet und Online-Plattformen ein. Doch im Netz sind ARD, ZDF und Deutschlandradio Konkurrenten der Zeitungshäuser. Diese befinden sich wie die Sender in der digitalen Transformation. Sie haben allerdings große Probleme, ihre Angebote im Netz zu refinanzieren.
    In den frei verfügbaren Nachrichtentexten und Hintergrundberichten der öffentlich-rechtlichen Sender, die online nachzulesen sind, sehen die Verlage eine unzulässige Marktverzerrung. Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) erklärt: „Diese Angebote erschweren und verhindern in Teilen den Verkauf von digitalen und gedruckten Presseprodukten. Sie schaden damit der Medienvielfalt.“ Die Politik verlangt deshalb schon jetzt von den Sendern, im Netz keine „presseähnlichen Angebote“ zu machen.
    Doch: Was ist im Netz presseähnlich? Der österreichische Wirtschaftswissenschaftler Leonhard Dobusch, Mitglied im ZDF-Verwaltungsrat, findet das Konzept „retro“: „Heute, wo alles crossmedial ist, wo es kein Online-Angebot von Tageszeitungen oder Wochenzeitungen gibt, das nicht auch Bilder und Audios und Videos liefert, sollen jetzt quasi die Öffentlich-Rechtlichen auf Texte verzichten? Das Einzige, wozu das führt, ist, dass die öffentlich-rechtlichen Online-Angebote schlechter werden und schlechter auffindbar sind.“

    Bestehende Einschränkungen im Digitalen werden verschärft

    Im geplanten Reformstaatsvertrag für ARD, ZDF und Deutschlandradio heißt es: „Texte sind nur noch sendungsbezogen und in Ausnahmefällen möglich.“ In der Praxis bedeutet das: Es muss immer erst eine Hörfunk -oder Fernsehsendung gelaufen sein, bevor die Sender Textinformationen zu einem Thema online zur Verfügung stellen dürfen. Eine zeitliche Verzögerung, die im schnellen Internet einen erheblichen Wettbewerbsnachteil bedeutet.
    Über eine so genannte „Positivliste“ wird diese strenge Regel wieder modifiziert. Texte auf Social Media Plattformen sind zum Beispiel nicht betroffen, und bei Eilmeldungen sind Schlagzeilen erlaubt. „Ereignisse von besonderer gesellschaftlicher Bedeutung“ können mit Echtzeitberichterstattung begleitet werden.
    Doch diese Definition lässt Platz für Interpretationen und führt zu Verunsicherung in den öffentlich-rechtlichen Online-Redaktionen. ARD-Generalsekretärin Susanne Pfab hält die Einschränkungen nicht mit dem Auftrag des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks vereinbar. "Die beabsichtigte Regelung gefährdet die publizistische Qualität und widerspricht dem Informationsbedürfnis der Menschen. Gerade die Erreichbarkeit der jungen Zielgruppe würde deutlich erschwert."
    In Kraft treten kann der Staatsvertrag erst, wenn alle 16 Landesparlamente zugestimmt haben.