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Öffentlich-rechtlicher Rundfunk
"Unterscheidbarkeit zu den Privaten herausstellen"

Der oberste sächsische Medienpolitiker Oliver Schenk will den Auftrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk schärfen. Im Deutschlandfunk sagte der Christdemokrat, es sei Aufgabe der Politik, den Auftrag so zu formulieren, dass sich die Öffentlich-Rechtlichen stärker von den privaten Sendern unterschieden.

Oliver Schenk im Gespräch mit Bettina Köster |
Ein Mann hält eine Fernbedienung vor einen Fernseher, auf dem die Tagesschau läuft.
Öffentlich-rechtliche Sender setzen stärker auf journalistische Berichterstattung als der private Rundfunk (picture alliance / dpa / Marius Becker)
Bettina Köster: Es war nicht gerade ein Weihnachtsgeschenk, als die öffentlich-rechtlichen Sender letzte Woche aus Karlsruhe erfahren haben, dass ihre Eilanträge zum Rundfunkbeitrag zurückgewiesen wurden. Also, keine Beitragserhöhung um 86 Cent auf 18,36 Euro im Januar. Die Empörung der Intendanten war groß. Einige Medienrechtler glauben allerdings, dass es im Hauptverfahren des Bundesverfassungsgerichts für die Sender noch gut gehen könnte. Wir haben darüber auch letzte Woche hier in @mediasres berichtet.
Gleichzeitig forderte der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil eine Reformdiskussion über den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Darüber wird in der Rundfunkkommission allerdings schon länger diskutiert. Und diese Debatte soll jetzt auch weiter fortgesetzt werden. Wie und in welche Richtung es gehen soll, das habe ich mit dem Sächsischen Staatsminister Oliver Schenk, der auch einer der beiden Sprecher der Rundfunkkommission der Länder ist, besprochen. Die fordert beispielsweise mehr ostdeutsche Wirklichkeit vor und hinter der Kamera. Und ich fragte Herrn Schenk, ob das in den Auftrag der Sender geschrieben werden sollte?
Oliver Schenk: Das muss man sich dann angucken, aber wichtig ist es, glaube ich auch vor dem Hintergrund der Akzeptanz, der breiten Aufstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland, dass alle Regionen hier gleichermaßen vorkommen, und auch die Berichterstattung diese Regionen mit abbildet. Denn wir sehen ja, es ist eine der zentralen Aufgaben auch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, aus den Regionen heraus Berichterstattung zu organisieren und die Lebenswirklichkeit aus diesen Regionen abzubilden. Und dazu gehört es auch, dass Menschen, die aus diesen Regionen kommen, die einfach auch einen anderen Zugang in diese Regionen hinein haben, weil sie dort verwurzelt sind, weil sie da aufgewachsen sind, dort auch diese Berichterstattung ein Stück weit stärker mitorganisieren und auf den Weg bringen. Und deshalb ist das ein Wunsch, eine Forderung, die nicht nur von mir als ostdeutscher Politiker, sondern von vielen anderen auch hier vertreten wird, damit diese Lebenswirklichkeit auch deutschlandweit wahrgenommen wird.
Köster: Es gibt ja auch immer wieder die Beschwerden über teure Sportrechte und kostspielige Unterhaltungsshows. Sehen Sie da Möglichkeiten, den Rotstift anzusetzen?
"Nischen abdecken"
Schenk: Ich glaube, das ist die Frage: Was ist der Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen in der heutigen Zeit? Und wir sagen, dass der öffentlich-rechtliche gemeinsam mit dem privaten [Rundfunk] unsere sogenannte duale Medienordnung bilden und das ein zentraler Pfeiler unserer Demokratie und unseres Gemeinwesens ist. Und die Frage ist halt in der heutigen Zeit: Gehört es dazu, teure Sportrechte zu erwerben? Das kann man kritisch sehen. Sicherlich muss man darüber informieren, wie bestimmte Spiele ausgegangen sind. Kurze Berichterstattung gibt es von heute.
Aber der Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen muss, glaube ich, stärker auch sein, Nischen abzudecken, diese Unterscheidbarkeit zu den Privaten herauszustellen. Deshalb ist es, glaube ich, gut, man hat das gesehen jetzt beim Thema Handball, was mit großem Erfolg übertragen worden ist. Aber es gibt auch andere – den ganzen Bereich des Wintersports, Volleyball – und ich glaube, das ist grundsätzlich die Herangehensweise für den Öffentlich-Rechtlichen, damit er eine gute Zukunft hat, diese Unterscheidbarkeit zu den Privaten herauszuarbeiten. Und das ist eine Aufgabe, die wir als Politik haben, dass wir diesen Auftrag spezifizieren, dass wir ihn schärfen und stärker noch mal auf diese Unterscheidbarkeit auch abstellen zu den privaten Anbietern. Und dass es nicht nur um Quote geht, sondern wirklich auch darum, Dinge auf den Weg zu bringen, die in anderen Formaten nicht stattfinden.
Köster: Die Schweiz ist ein Land, in dem im kommenden Jahr, jetzt ab dem 1.1., die Rundfunkgebühren gesenkt werden, also statt 365 Franken im Jahr zahlen Privathaushalte künftig 335 Franken. Das sind ungefähr 310 Euro. Meinen Sie, dass die Richter jetzt auch auf die Schweiz schielen und dass das die Entscheidung beeinflussen wird?
Schenk hält höheren Beitrag für gerechtfertigt
Schenk: Das ist schwer zu sagen, aber wir sind hier in einem Verfahren, was das Karlsruher Bundesverfassungsgericht selbst vorgegeben hat mit einer Kommission, die diesen Finanzbedarf ermittelt. Den hat sie ermittelt. Sicherlich auch auf Druck der Politik ist diese Erhöhung jetzt deutlich geringer als diese KEF, diese Institution, die diesen Betrag ermittelt, die uns noch vor zwei, drei Jahren gesagt hat, es könnte gut auch 2 oder 2,50 Euro werden. Jetzt reden wir über 86 Cent. Und insofern glaube ich, dass nach zehn Jahren von Beitragsstabilität es durchaus gerechtfertigt ist, auch hier über einen höheren Beitrag zu reden. Auch wenn das immer schwierige Debatten sind.
Und wir sehen das ja auch in den letzten Tagen und Wochen, dass es nicht leicht ist. Aber natürlich haben die Anstalten auch große Personalkörper. Sie haben diese große Herausforderung der Digitalisierung der Angebote, Plattformen zu schaffen, Mediatheken zu schaffen, um da auch einem veränderten Nutzungsverhalten der Bürgerinnen und Bürger Rechnung zu tragen. Das kostet. Und insofern, glaube ich, sind diese 86 Cent durchaus etwas, was gerechtfertigt ist. Und eine Vielzahl, also fast alle Landesparlamente, 15 Landesparlamente, haben sich ja auch auf den Weg gemacht und haben einem entsprechenden Staatsvertrag zugestimmt.
Oliver Schenk (CDU), Chef der Staatskanzlei in Sachsen, leistet im Landtag seinen Amtseid.
Oliver Schenk ist als Chef der Staatskanzlei in Sachsen auch für die Medienpolitik zuständig. (picture alliance / dpa / Robert Michael)
Köster: Nun soll ja die Entscheidung über die Finanzausstattung nicht mit dem medienpolitischen Forderungen verquickt werden. Passiert das jetzt nicht automatisch in einer solchen Engpasssituation?
Schenk: Das würde ich bedauern, weil ich finde, man muss diese Fragen wirklich auseinanderhalten. Auf der einen Seite die Finanzierung, die Beitragshöhe, was natürlich immer viele Diskussionen auf den Plan ruft. Das ist auch nachvollziehbar, weil es an das Portemonnaie jedes einzelnen Bürger geht. Auf der anderen Seite steht aber die Frage: Wie gestaltet man einen Auftrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in einer immer stärker digitalisierten Medienzeit? Was ist eine zeitgemäße Ausgestaltung? Diese Frage müssen wir jetzt auch diskutieren. Wir tun das schon seit langem. Aber es ist auch nicht ganz leicht, zwischen 16 Ländern dann einen gemeinsamen Konsens zu finden. Aber diese Frage dringt natürlich jetzt mit Hochdruck wieder auf die Tagesordnung.
Köster: Warum kommt davon so wenig an die Öffentlichkeit?
Schenk: Mediendiskussionen sind natürlich Spezialdiskussionen. Ich könnte die Frage zurückgeben: Vielleicht wird auch nicht ausreichend darüber berichtet. Aber es sind ja häufig auch sehr komplexe Fragen dort. Und die Formate, in denen darüber diskutiert wird, sind am Ende begrenzt. Und es ist auch ein zäher Prozess, muss man natürlich auch selbstkritisch einräumen, eine Abstimmung herbeizuführen zwischen vielen Parlamenten, vielen Regierungen, den Anstalten und insgesamt hier vernünftige Lösungen auf den Weg zu bringen.
Schenk kann sich automatische Steigerung des Beitrags vorstellen
Köster: Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat vor Weihnachten noch gefordert, sich endlich von dem bisherigen Verfahren, über die KEF – also die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der öffentlich-rechtlichen Sender – den Beitrag zu ermitteln, zu verabschieden. Damit ist sie nicht allein. Das wurde schon oft gefordert. Wie denkt die Rundfunkkommission darüber?
Schenk: Also ich kann mir die Indexierung persönlich gut vorstellen, weil es ein Verfahren ist, was vielleicht sehr transparent ist, was auch vom Verfassungsgericht schon seit Jahren auch als eine Möglichkeit vorgesehen ist. Wir führen diese Diskussion im Kreise der Länder, Kolleginnen und Kollegen, sehr intensiv. Wir waren da auch schon sehr weit gekommen zuletzt. Aber es ist dann auch wieder gescheitert. Aber es ist durchaus ein denkbarer Weg, und ich glaube, dass wir ihn auch noch einmal diskutieren werden, wenn es jetzt darum geht, diese ganze Fragen von Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die Struktur – wie muss er aufgestellt sein, um eine Stabilität, um auch effizient für die nächsten Jahre aufgestellt zu sein – und das Ganze zu entkoppeln von der Frage seiner Finanzierung? Und ob man das nicht stärker an einen Index knüpft, dann ist die Frage, welcher Index das ist. Das wird irgendwie so rund um das Thema Lebenshaltungskosten möglicherweise orientiert sein. Dann würde man auch an der Stelle die Länderparlamente ein wenig aus der Pflicht nehmen, über etwas abzustimmen, was sozusagen nur bedingt einer Abstimmung zugänglich ist, um die tatsächliche Arbeit und auch die politische Arbeit auf das viel wichtigere Thema von Auftrag und Struktur zu lenken, mit dem letztendlich dann auch die Finanzierung natürlich berührt und tangiert ist.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.