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Öffentliche Debatte über Atommüllendlager in Bure

In dem französischen Dorf Bure soll ein Atommüllendlager eingerichtet werden. Deswegen finden dort 14 Diskussionen mit Bürgern und Verantwortlichen statt, die - laut staatlicher Agentur für Atommüll - zeigen soll, was für die Bevölkerung akzeptabel ist. Die Antiatombewegung will das boykottieren.

Von Suzanne Krause |
    Cigéo hat die staatliche Agentur für Atommüll, Andra, ihr Endlager getauft: das Zentrum für umkehrbare Tiefenlagerung hoch radioaktiven Atommülls. Darauf arbeitet die Andra seit nunmehr 20 Jahren hin. Für schwach radioaktiven Abfall stehen in Frankreich schon mehrere Anlagen zur Verfügung.

    In Bure ist ein Standort in 500 Meter Tiefe geplant, umgeben von Tongestein, auf einer Fläche von 15 Quadratkilometern. 100 Jahre lang soll Atommüll hier eingelagert werden. Falls in diesem Zeitraum andere technische Lösungen zur atomaren Entsorgung entwickelt würden, ließen sich die Container mit radioaktivem Abfall problemlos bergen. Sonstigenfalls, um das Jahr 2125 herum, ist es mit der Umkehrbarkeit der Tiefenlagerung vorbei. Dann wird das voll beladene Cigéo versiegelt, erläutert Fabrice Boissier, bei Andra zuständig für Risikofragen.

    "Die geologische Endlagerung soll eine definitive Lösung darstellen. Sie berücksichtigt zwei wichtige Prinzipien, auf denen das Parlament bestand. Zum einen den Schutz von Mensch und Umwelt, heute wie für die gesamte Zeitdauer der Abfalllagerung, bis die Radioaktivität abgeklungen ist. Und das zweite ethische Prinzip: Die Verwaltungslast der Anlage soll nicht künftigen Generationen aufgebürdet werden."

    Auch die öffentlichen Diskussionsveranstaltungen sind vom Endlager-Gesetz vorgegeben. Die Kommission verschreibt sich mehreren Prinzipien. Neutralität und Unabhängigkeit; Transparenz, das heißt: Alle Beiträge und Informationen müssen veröffentlicht werden. Außerdem sollen bei der Debatte alle Fragen beantwortet werden. Hinzu kommt die Vorgabe, alle Redner, egal ob Experten oder Laien, gleichzubehandeln. Die Fragen und Sorgen der Bevölkerung zählten, versichert der Leiter der Kommission für die nationale Debatte, Claude Bernet. Doch er fügt an:

    "Dank der Diskussionen werden der Bauherr Andra und der französische Staat, der die Genehmigung erteilen soll, über ein Bild wenigstens eines Teils der öffentlichen Meinung verfügen. Die öffentliche Debatte ist nicht dazu da, diesen oder jenen Aspekt des Projekts zu verändern. Vorschläge sind dabei nicht gefragt."

    Kurzum: Die Diskussion soll nuanciert spiegeln, welche Lösung, welche Variante für die Bevölkerung am ehesten akzeptabel sei. Andra wird das bei dem Antrag auf Baugenehmigung berücksichtigen. Zum Prozedere gehört ein weiteres öffentliches Anhörungsverfahren. 2019 sollen die Bauarbeiten starten, im Jahr 2025 soll Cigéo in Betrieb gehen.

    Ein Großteil der Anti-Atombewegung im Land wird die offizielle Debatte allerdings boykottieren. Darunter sind lokale Widerstandsvereine wie Bure Stopp. Seit 2004 betreibt die Organisation eine Anlaufstelle mitten in Bure, bei der auch Frank Linke aktiv ist. Der Deutsche hatte sich vor 35 Jahren im französischen Osten niedergelassen, er empfindet die öffentliche Debatte als Farce. Schließlich gehe es, so sagt er, schon längst nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie.

    "In Deutschland, Gorleben, steht auch alles still. Und die Franzosen würden gerne auf ihr Namensschild schreiben können, dass sie jetzt die Lösung haben für die Atommülllagerung."

    Für Frankreich ist das auch eine Frage der Glaubwürdigkeit, wichtig, nicht zuletzt im Zusammenhang mit den französischen Exporten von Nukleartechnik. Bei den kommenden öffentlichen Diskussionsveranstaltungen werden Atomgegner wie Frank Linke draußen, vor dem Saal, das Wort ergreifen.