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Öffentlicher Dienst
"Weiter großes Lohngefälle in Engpass-Berufen"

Der neue Tarifabschluss könne den öffentlichen Dienst wieder etwas attraktiver machen, sagte Arbeitsmarktforscher Werner Eichhorst im Dlf. Gerade bei den Einstiegsgehältern habe die Privatwirtschaft aber häufig bessere Angebote. Deshalb sei es sinnvoll, auch mit den nicht monetären Aspekten zu werben.

Werner Eichhorst im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    15.04.2018, Brandenburg, Potsdam: Kurz vor dem Start der dritten Verhandlungsrunde im Tarifstreit für den öffentlichen Dienst protestieren Mitglieder der Gewerkschaft Verdi vor dem Tagungshotel. Ein Demonstrant hält ein Bündel mit Spielgeld. Bisher lehnen die Arbeitgeber die Gewerkschaftsforderungen nach sechs Prozent mehr Geld, mindestens aber 200 Euro, ab. Es geht um 2,3 Millionen Beschäftigte bei Kommunen und beim Bund.
    Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst (picture alliance / dpa / Ralf Hirschberger)
    Dirk-Oliver Heckmann: Der Tarifabschluss sollte ja auch dazu dienen, dem Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst entgegenzuwirken, denn öffentliche Arbeitgeber haben in letzter Zeit bei der Besetzung von Stellen immer öfter das Nachsehen. Kann das damit gelingen? Das habe ich Professor Werner Eichhorst, Arbeitsmarktexperte des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit in Bonn, gefragt.
    Werner Eichhorst: Ich denke, im Vergleich zu Abschlüssen in der jüngeren Vergangenheit ist dieser Abschluss schon interessant, auch im Hinblick auf die Gewinnung von Fachkräften für den öffentlichen Dienst und zwar aus zweierlei Gründen. Zum einen gibt es ja doch insgesamt eine ganz ordentliche Gehaltsanhebung, die auch durchaus am oberen Rand dessen ist, was andere Sektoren jetzt vereinbart haben. Das Zweite – und ich denke, das ist noch viel interessanter – ist, dass die einzelnen Entlohnungsgruppen unterschiedlich bewertet werden, und dort wurde sicher auch ein Stück weit die Knappheit von Arbeitskräften und von Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigt. Insofern kann das durchaus dazu beitragen, den öffentlichen Dienst insgesamt ein Stück weit attraktiver zu machen, soweit man eben das mit Entgelt erreichen kann.
    "Noch nicht das Ende der Fahnenstange"
    Heckmann: Das heißt, bestimmte Personengruppen, Beschäftigtengruppen werden höhergruppiert, und damit wird der öffentliche Dienst insgesamt attraktiver?
    Eichhorst: Ja, genau, und das gilt insbesondere für die Einstiegsgehälter. Traditionell ist es ja so, dass beim öffentlichen Dienst insbesondere auch lange Betriebszugehörigkeiten honoriert werden und die Einstiegsgehälter relativ mager ausfallen. Das wird jetzt ein Stück weit korrigiert und ist sicher dann ein Schritt in die richtige Richtung, wenn der öffentliche Dienst auf dem externen Arbeitsmarkt rekrutieren möchte.
    Heckmann: Ein Schritt in die richtige Richtung, aber auch ein Schritt, der wirklich ausreichend ist, um den öffentlichen Dienst wirklich attraktiver zu machen?
    Eichhorst: Ich denke, das wird natürlich die Zukunft zeigen, auch wie sich dort die Entwicklung in den Jahren nach 2020 weiter vollzieht. Es gibt natürlich in bestimmten Engpass-Berufen immer noch ein großes Lohngefälle auch gerade zwischen der Privatwirtschaft und dem öffentlichen Dienst, und ich denke, das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange. Man muss aber auch sehen, dass der öffentliche Dienst neben den Entgeltbestandteilen natürlich andere Vorteile mit sich bringt, beispielsweise sehr flexible Arbeitszeitmodelle, auch Familienfreundlichkeit und insgesamt eine große Stabilität auch der Beschäftigung, und für bestimmte Zielgruppen ist das dann auch noch mal interessant.
    "Stabilität und geeignetete Work-Life-Balance"
    Heckmann: Das stimmt. Diese Vorteile gibt es. Und trotzdem gibt es den einen oder anderen Bewerber, der sich dann doch für eine andere Stelle entscheidet, nämlich in der Privatwirtschaft. Wie groß ist denn das Problem des Fachkräftemangels im öffentlichen Dienst und ist das Geld überhaupt die Hauptursache?
    Eichhorst: Wie ich ja schon sagte: Die verschiedenen Motivationen überlagern sich hier ein Stück weit. Es gibt ja auch Befragungen beispielsweise unter Hochschulabsolventen, die auch eine sehr starke Nähe zum öffentlichen Dienst oder ein großes Interesse am öffentlichen Dienst ausdrücken, eben aufgrund dieser Stabilität und vielleicht auch einer geeigneten Work-Life-Balance. Das kann da schon helfen. Der öffentliche Dienst hat sicher dort Probleme, wo er in direkter Konkurrenz steht mit gut bezahlten Stellen im privaten Sektor, und das gilt natürlich insbesondere in den technischen Berufen, im IT-Bereich, teilweise aber auch in medizinischen Berufen, und dort muss sicher noch mal genauer geschaut werden, ob dann dieser Abschluss hier als Einstieg in eine etwas andere Entlohnungspolitik wirklich ausreichen wird.
    "Orientierung am Dienstalter und einer gewissen Solidarität"
    Heckmann: Wie sollte diese Entlohnungspolitik aussehen?
    Eichhorst: Ich denke, man muss auch im öffentlichen Dienst ein Stück weit den Knappheiten und den Gegebenheiten des Arbeitsmarktes gerecht werden und auch konkurrenzfähig sein mit den doch sehr attraktiven Angeboten aus dem privaten Sektor. Das läuft ein Stück weit zuwider der im öffentlichen Dienst traditionell sehr starken Orientierung am Dienstalter und einer gewissen Solidarität, oder man kann auch sagen Kompression der Löhne zwischen den einzelnen Berufsgruppen.
    Heckmann: Heißt auf gut Deutsch, Herr Eichhorst, die öffentlichen Arbeitgeber müssen einen großen Sack Geld auf den Tisch legen, um zu erreichen, dass sich ein IT-Spezialist beispielsweise für den öffentlichen Dienst entscheidet?
    Eichhorst: Ja, so kann man das sagen. Ich denke, das ist ein Punkt, der auch in Zukunft noch mal eine große Rolle spielen wird. Über die Dienstaltersstufen, die man ja auch klassischerweise im öffentlichen Dienst hat, kann man das nicht abfangen, weil man gerade auf Einstiegsgehälter schaut und diese als Vergleichsmaßstab heranziehen muss. Insofern macht es vielleicht Sinn, hier einzelne Berufsgruppen gesondert zu betrachten, wie das jetzt schon passiert ist, und vielleicht zu Gunsten etwas höherer Einstiegsgehälter dann diese Altersstufen ein Stück weit flacher zu gestalten.
    "Fachkräfte gewinnen - nicht zu niedrigen Kosten"
    Heckmann: Aber die Frage ist ja, ob der öffentliche Dienst mit dem Privatsektor überhaupt jemals wird konkurrieren können. Der jetzige Abschluss, der kostet die Kommunen allein schon 7,5 Milliarden Euro über 30 Monate.
    Eichhorst: Ja, nun. Ich meine, wer Fachkräfte gewinnen möchte, der kann das natürlich nicht zu niedrigen Kosten haben. Wenn man die Fachkräfte nicht selber ausbildet, dann muss man sich gerade unter Hochschulabsolventen attraktiv machen, und das geht sicher nicht zu geringen Kosten. Der öffentliche Dienst sollte aber durchaus auch mit den schon angesprochenen anderen Aspekten wuchern, also gerade den nichtmonetären Bestandteilen und Aspekten des Arbeitsverhältnisses.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.