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Ökobilanz
Papiertaschen umweltverträglicher als Plastikbeutel?

In Deutschland muss an der Supermarktkasse inzwischen für eine Plastiktüte Geld bezahlt werden. Das Ziel: Den Verbrauch der Tüten zu senken. Der Lebensmittelhändler Rewe bietet nur noch Alternativen an: Jutebeutel und Papiertaschen. Doch hat die braune Papiertüte wirklich eine bessere Umweltbilanz als die Platiktüte?

Von Susanne Kuhlmann |
    Eine Plastiktüte liegt an der Kasse eines Rewe-Marktes in Düsseldorf auf einem Laufband.
    Rewe verkauft keine Plastiktüten mehr. (dpa-Bildfunk / Rolf Vennenbernd)
    Sind Papiertaschen die bessere Wahl, um den Lebensmitteleinkauf nach Hause zu tragen? Gerhard Kotschik, Verpackungsexperte beim Umweltbundesamt, ist skeptisch.
    "Aus unserer Sicht ist das nicht die Alternative der Wahl. Papiertüten benötigen ebenfalls sehr viel Energie und Rohstoffe zur Herstellung und belasten damit die Umwelt ebenfalls."
    Das bedeutet im Einzelnen:
    "Das Holz muss geerntet werden, die Fasern müssen gewonnen werden, und dann muss daraus die Papiertüte hergestellt werden. Die können sehr unterschiedlich im Aufwand sein. Teilweise sind es fast schon Verbunde oder nassfest gemachte Papiere, die ebenfalls einen erhöhten Produktionsaufwand haben."
    Katharina Istel ist beim Umweltverband Nabu für Fragen zum nachhaltigen Konsum zuständig. Auch sie ist der Meinung, dass Papiertaschen keineswegs umweltverträglicher sind als Plastikbeutel. Bei Tüten aus Frischfasern statt Altpapier soll die Energiebilanz sogar deutlich schlechter ausfallen.
    "Allerdings hat die Papiertüte den Vorteil, dass wenn die Tüte aus Versehen in der Natur landet, die baut sich ab, im Gegensatz zur Plastiktüte, die sich nur in immer kleinere Mikroplastikteilchen zersetzt."
    Lebensmittelhändler sind sehr zurückhaltend, was Papiertragetaschen aus Recyclingpapier angeht, denn in der Vergangenheit wurden in Verpackungen aus Altpapier immer wieder Mineralölrückstände aus den Druckfarben nachgewiesen.
    Loses Obst und Gemüse am besten in gar keine Tüte
    Manchmal haben Kunden die Wahl, ihr loses Obst und Gemüse in einen Papier- oder einen dünnen Plastikbeutel zum Zuknoten zu stecken. Welche Entscheidung ist die umweltverträglichere?
    "Der Vergleich mit den Papierbeuteln beim Obst und Gemüse würde in der Ökobilanz wahrscheinlich keinen klaren Sieger ergeben, zumindest nicht eindeutig zur Papiertüte führen. Diese Verpackungen für loses Obst und Gemüse schneiden aber insgesamt wesentlich besser ab als das vorverpackte Obst und Gemüse, denn diese Verpackungen sind wesentlich aufwendiger."
    Möhren beispielsweise liegen in einer stabilen Plastikschale und sind zusätzlich von einem Klarsichtbeutel umhüllt. Wer sie lose kauft und in einen Knotenbeutel oder eine Papiertüte steckt, kommt mit wesentlich weniger Material aus. Katharina Istel schlägt trotzdem vor, auch für loses Obst und Gemüse möglichst gar keine Tüte zu nehmen.
    "Am besten wäre es, wenn Kunden von sich aus öfter auf den Knotenbeutel verzichten würden, wenn sie zum Beispiel einzelne Äpfel kaufen, und idealerweise würden Supermärkte auch anbieten, dass man eigene Mehrwegbeutel mitbringen kann."
    Gerhard Kotschik vom Umweltbundesamt findet Plastiktüten nicht per se schlimm, besonders, wenn es um die dünnen Knotenbeutel für Frisches geht. Allerdings gibt er zu bedenken:
    "Schlimm ist es, wenn Plastik und Plastiktüten in die Umwelt gelangen. Der Plastikbeutel gehört am Ende seiner Nutzung, wenn er kaputt ist, wenn man ihn nicht mehr braucht in den gelben Sack oder die gelbe Tonne. Dann kann er auch recycelt werden."
    Korb, Kiste oder Beutel mit zum Einkauf nehmen
    Ansonsten sollte man sich angewöhnen, nicht nur den Einkaufszettel mitzunehmen, sondern auch einen Korb oder eine Kiste, um später alles nach Hause zu transportieren.
    "Die umweltfreundlichste Alternative zur Plastiktüte ist, eine eigene Tasche, einen eigenen Rucksack, einen eigenen Beutel oder auch eine alte Tüte – ob Plastik oder Papier – mit zum Einkauf zu nehmen. Je öfter ein Tragesystem benutzt wird, desto besser ist die Ökobilanz. Und man braucht nicht jedes Mal aus schlechtem Gewissen einen Baumwollbeutel zu kaufen. Der muss nämlich über 100 Mal öfter genutzt werden als eine Plastiktüte, damit es sich ökobilanziell rechnet."
    Praktisch sind auch kleine Faltbeutel, die sogar in die Jackentasche passen.
    "Es wäre schön, wenn zukünftig das Thema Einwegtüte keine Rolle mehr spielt, weil jeder einen kleinen Beutel mit dabei hat."