Die Diskussion um unnötige Plastikverpackungen und –utensilien ist inzwischen bei vielen Verbrauchern und in der Politik angekommen. Der Bundestag will in Zukunft Einweg-Plastik wie Gabeln oder Strohhalme verbieten. Auch Verbraucher werden kritischer, was zum Beispiel den Kauf von Gemüse und Obst in Plastikverpackungen betrifft. Viele Obst-, Gemüse- oder Fleischlieferanten versuchen darum, die Plastikschälchen und -umwickelungen durch beschichtete Kartonverpackungen zu ersetzen. Doch auch die sind keine nachhaltige Lösung für unser Müllproblem, erklärt Gunda Rachut, Chefin der Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister.
Sandra Pfister: Frau Rachut, man muss jetzt erst mal sagen, Sie sind dafür zuständig, dass es beim Recycling in Deutschland gut läuft und dass nicht geschummelt wird. Plastik war schlecht, das haben wir jetzt fast alle verinnerlicht. Jetzt sagen Sie, die Papierkartons, die sind auch nicht so viel besser. Warum?
Gunda Rachut: Ich muss zunächst einmal einhaken: Plastikverpackungen sind nicht schlecht, auch nicht ökologisch. Das wird zwar verbreitet, aber es ist so nicht wahr. Eine Ökologie einer Verpackung orientiert sich an mehreren Punkten. Dazu gehört das Füllgut, dazu gehört die Logistik, und da schneidet eine Plastikverpackung oftmals gar nicht schlecht ab. Sie werden bei uns gesammelt, sie landen nicht im Meer, und das ist der Hauptpunkt, und das ist in anderen Ländern sicherlich anders.
Jetzt kommt noch dazu, dass jetzt Plastikverpackungen vor diesem eigentlich schon nicht ganz richtigen Hintergrund häufig ersetzt werden durch eine nicht ganz so gute Verpackung. Das hängt ein bisschen damit zusammen: Wenn ich eine Verpackung aus zwei Materialien herstelle, in diesem Fall Papier und Kunststoff, und diese Verpackung wird in eine Recycling-Anlage geliefert – diese Recycling-Anlage ist für einen einzigen Stoff ausgerichtet, im Zweifel für Papier. Das heißt, der Kunststoffanteil wird abgelöst und verbrannt. Wir hoffen eigentlich oder das ist unsere Arbeit, dass Verpackungen möglichst komplett recycelt werden, und das geht hier gar nicht.
"Es wird entsorgt und ist insofern nicht recycelt"
Pfister: Das geht nicht, weil es ein Verbundstoff ist, weil das Plastik direkt mit dem Papier so eng verschmolzen ist, dass man es nicht ablösen kann?
Rachut: Papierfasern werden abgelöst, aber diese Fabrik stellt Papier her. Die kann mit dem Kunststoff nichts anfangen und insofern ist der Kunststoffanteil für diese Fabrik Abfall. Sie kann damit nichts anfangen, möchte das auch gar nicht. Das heißt, es wird entsorgt und ist insofern nicht recycelt.
"Der Kunststoffanteil kann dann nicht verwertet werden"
Pfister: Gäbe es die Möglichkeit, es zu recyceln, und der wirtschaftliche Anreiz ist einfach nicht da?
Rachut: Die sind in der Regel nicht in einer Qualität, dass man sie recyceln könnte. Sonst würden die das auch in Recycling-Anlagen geben. Das sind sehr dünnwandige Folien. Die sind häufig Schnipsel, es wird vorher zerkleinert, bevor es dann in eine Art Rührbottich – das nennt sich Pulper – geht. Da werden die Papierfasern abgelöst. Das heißt, die gesamte Technologie in diesen Fabriken ist darauf ausgerichtet, die Papierfasern möglichst gut herauszulösen und nicht irgendetwas mit dem Kunststoff zu machen. Und das führt dazu, dass der Kunststoffanteil dann auch nicht verwertet werden kann.
Für Tetrapacks gibt es spezielle Recycling-Anlagen
Pfister: Ist es denn jetzt ein deutlicher Unterschied zu Tetrapacks? Das ist ja auch ein Verbundstoff aus Papier und Plastik und da kann man doch das Papier auch irgendwie vom Plastik lösen und beide verwenden. Oder ist das eine Illusion?
Rachut: Nein, da ist es ein bisschen anders und da gibt es spezielle Recycling-Anlagen, die tatsächlich auch eine Technologie haben, die Reststoffe, das heißt die Kunststoffe beziehungsweise auch die Alu-Anhaftungen möglichst vollständig zu verwerten. Das sind aber wirklich ganz spezifische Anlagen, die jetzt nicht für diese Verbunde geeignet wären.
"Immer das gesamte Verpackungssystem anschauen"
Pfister: Das heißt, diese Pappverpackungen, wenn sie keine Tetrapacks sind, in dieser Verbundform, die sind überhaupt nicht so ökologisch, wie wir das vielleicht dachten? Aber in der Abwägung ist es besser als die Unmengen Plastik, die wir vorher hatten?
Rachut: Das muss man in der Gesamtbetrachtung sich angucken. Jede Verpackung ist schwerer beispielsweise, das heißt es wird mehr CO2 bei der Logistik verbraucht. Ich muss wirklich mir immer das gesamte Verpackungssystem anschauen, muss schauen, was muss dieses Verpackungssystem leisten, und wenn dann die Verpackung zudem noch weniger Recycling-fähig ist als möglicherweise eine Kunststoffverpackung, dann ist es nicht ganz unwahrscheinlich, dass sie schlechter abschneiden würde in einer Gesamtbewertung.
"Sie werden nur anteilig recycelt"
Pfister: Wenn diese beschichteten Papierverpackungen, die Sie beschreiben, nicht recycelt werden, wo landen die dann?
Rachut: Die werden recycelt, aber nur anteilig. Das heißt, sie haben spezielle Papierfabriken, die eine besondere Verarbeitungslinie für diese Verbunde haben, und haben auch in der Regel spezielle Produkte. Das heißt, zum Teil werden dickwandige Produkte daraus hergestellt wie Aktenordner oder Spiegelkartons, wo diese Fasern genutzt werden können. Anteilig werden sie recycelt, aber sie sind weniger Recycling-fähig als eine Verpackung aus einem Monomaterial.
Pfister: Das könnte dann auch dazu führen, dass die Recycling-Quote unter 55 Prozent liegt. Das vermutet zumindest das Duale System Deutschland bei diesen Verbundstoffen. Diese 55 Prozent, die sind gesetzlich vorgeschrieben. Haben Sie irgendeine Handhabe, diese Stoffe zu verbieten?
Rachut: Wir kontrollieren die Recycling-Quoten. Insofern werden wir dazu auch was sagen. Wir sind nur gerade in der Auswertung. Dass die Recycling-Quote nicht erreicht wird, hängt eher damit zusammen, dass es im Moment so viele werden und diese Kapazitäten gar nicht vorhanden sind. Wir müssen ja entsprechend auch erst mal Verwertungskapazitäten schaffen, wenn ganz viele Verpackungen in dieser Art plötzlich am Markt erscheinen, und die gibt es einfach so nicht.
"Die beste Verpackung ist die, die gar nicht anfällt"
Pfister: Wir wollen uns ja richtig verhalten, wir als Verbraucher. Wir haben die beschichteten Papierschälchen gekauft, weil wir denken, sie sind besser für die Umwelt. Was raten Sie uns? Was können wir tatsächlich tun? Was ist die richtige Wahl?
Rachut: Das ist eigentlich relativ einfach: Die beste Verpackung ist die, die gar nicht anfällt. Das heißt, möglichst, wenn es geht, unverpackt kaufen. Die Recycling-Gerechtigkeit einer Verpackung zu beurteilen, ist für den Verbraucher relativ schwer. Wir haben einen Mindeststandard herausgebracht. Nach diesem Mindeststandard wird die Recycling-Fähigkeit einer Verpackung bemessen. Das heißt, ich kann gucken, wie Recycling-fähig das ist. Das ist aber für den Verbraucher relativ komplex.
Unser Ansatz ist, eigentlich zu versuchen, die Produzenten dahin zu bringen, die Verpackungen Recycling-fähig zu gestalten, so dass der Verbraucher nicht ewig nachdenken muss, sondern guten Gewissens, wenn es denn nicht ohne Verpackung geht, doch mal zu einer Verpackung greifen kann. Aber das ist natürlich auch der Grund, warum wir jetzt darauf aufmerksam machen, dass das vielleicht nicht so eine gute Alternative ist.
Pfister: Wenn ich jetzt vorm Regal stehe, bei dem einen ist die reine Plastikverpackung, bei dem anderen sehe ich, es ist die beschichtete Papierverpackung, was wäre dann die bessere Wahl?
Rachut: Das ist tatsächlich so abstrakt nicht zu beantworten, so leid es mir tut. Würde ich gerne!
"Materialien trennen"
Pfister: Es wird ja auch immer wieder thematisiert, dass die Leute nicht genau wissen, wo sie den Müll hinwerfen sollen. Wenn ich denke, ich habe jetzt so eine Papierverpackung gekauft, müsste ich die zu den Plastikverpackungen werfen, müsste ich die zu den Papierverpackungen werfen? Wo soll ich die hinwerfen?
Rachut: Was immer gut ist, ist, wenn er schon sieht, dass die Verpackung aus zwei Materialien besteht, diese zu trennen. Er kann das manchmal mit einem kleinen Reißtest machen. Wenn er sieht, er reißt es ein, und sieht schon, da ist eine Folie, dann würde es in den gelben Sack gehören. Das ist der kleine Standardtest für den Verbraucher.
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