Britta Fecke: Immer häufiger und immer früher wird für ganze Regionen die höchste Waldbrandstufe ausgerufen wie jetzt in Brandenburg. Die Tendenz ist also deutlich, es wird heißer und über längere Zeit trockener in Deutschland. Was können wir tun, um unsere Wälder, um unsere grüne Lunge zu erhalten? Darüber möchte ich mit Professor Pierre Ibisch vom Fachbereich für Wald und Umwelt an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde sprechen. Herr Ibisch, welche Wälder beziehungsweise Pflanzengesellschaften sind denn besonders anfällig für solche Flächenbrände, oder sind das bei diesen Witterungsverhältnissen eigentlich alle in Mitteleuropa?
Pierre Ibisch: Das ist eigentlich relativ klar und gut verstanden, dass hier vor allem unsere Nadelholzmonokulturen betroffen sind, vor allem dann, wenn sie besonders wenig strukturiert sind, vielleicht nur einschichtig sind, keine Laubbäume im Unterwuchs nachwachsen. Das sind also von der Artenzusammensetzung und auch von der Struktur her sehr einförmige Bestände mit Nadelbäumen, die dann auch noch gut brennen, mit einem Unterwuchs gegebenenfalls, Gras, dünne Zweige, die viel Treibstoff darstellen, und das sind genau die Wälder, in denen sich die Brände dann schnell ausbreiten.
Fecke: Wenn wir Buchenmonokulturen hätten, würden die weniger gut brennen?
Ibisch: Buchenmonokulturen könnte ich mir so gar nicht vorstellen. Wenn wir über Buchen reden, denken wir natürlich an eher sich selbst organisierende, sich selbst regulierende Waldökosysteme wie sie typisch sind für unsere Region. Die funktionieren ganz anders, auch in Bezug auf Wechselwirkung mit dem Boden. Es wird Humus gebildet, diese Wälder speichern sehr viel mehr Wasser. Wenn wir Wälder natürlich sich entwickeln lassen, gibt es Totholz, das auch entsprechend viel Feuchtigkeit enthält, und diese Wälder, die brennen dann nicht.
Biomasse spielt wichtige Rolle für Feuchtigkeit eines Waldes
Fecke: Heißt das, wenn mehr Humus auf dem Boden ist, ist auch die Verdunstungsrate geringer, und damit wird mehr gespeichert?
Ibisch: Das ist genau richtig. Also es sind mehrere Faktoren, die hier zusammenkommen. Es ist auch die Art des Kronenschlusses, die Beschattung spielt eine Rolle. Es ist auf jeden Fall von großer Bedeutung die Biomasse, tot und lebendig, die Wasser hält und tatsächlich zur Kühlung beiträgt und auch Temperaturschwankungen und Temperaturextreme abpuffert. Das ist das, was wir ganz deutlich messen können, auch im letzten extremen Jahr ganz klar gesehen haben im Vergleich zwischen zum Beispiel Kiefernplantagen und Buchenwäldern.
Fecke: Aber schattig ist es ja auch unter der Kiefernplantage.
Ibisch: Das ist nicht so sehr schattig. Also da kommt schon viel Sonne zum Boden. Es gibt noch mehr Probleme auch letztendlich, wie wieder Boden beeinträchtigt wird durch die Nadelbäume, wirklich weniger Wasser durchlässt, weniger Feuchtigkeit speichert, und das führt dazu, dass diese Wälder schlicht und einfach jetzt anfälliger sind gegenüber Bränden.
Nicht immer ist Totholz ein Brandbeschleuniger
Fecke: Brennt das auch durch den Harz noch viel besser?
Ibisch: Selbstverständlich spielt das bei Nadelbäumen eine Rolle. Das ist auch bei Fichten so, und weltweit kennen wir natürlich die Waldbrände tatsächlich aus Wäldern, in denen sehr häufig gerade Kiefern beteiligt sind, die Pionierbäume sind, die eine Rolle spielen in Ökosystemen, die aber nicht dafür da sind, flächig und über lange Zeit sozusagen vorgehalten zu werden in sehr einförmigen Beständen. Es gibt auch natürlicherweise weltweit einförmige Kiefernwälder, wo auch Feuer eine natürliche Rolle spielt, aber eigentlich ist das nichts, was bei uns in den gemäßigten Wäldern Europas eine Rolle spielt.
Fecke: Sie haben vorhin das Totholz kurz angesprochen, das ist ja auch wichtig für den Kreislauf und die Bereitstellung neuer Nährstoffe im Ökosystem Wald. Ist es nicht trotzdem auch noch ein Zündstoff, wenn der Waldbrand kommt?
Ibisch: Es wird jetzt häufiger gesagt, das Totholz wäre da ein Problem. Man muss differenzieren. Wir dürfen hier nicht über Totzweige reden und kleines Geäst, sondern in einem Urwald, in einem alten Wald, da sind das mächtige Stämme, die dann tatsächlich verrotten, sich zersetzen und viel Feuchtigkeit vorhalten und den Boden befeuchten, und das ist tatsächlich kein Brandbeschleuniger.
Wälder sind zu jung und zu biomassearm, weil der Mensch zu sehr eingreift
Fecke: Lassen Sie uns noch mal kurz auf die Artenzusammensetzung schauen in natürlichen Waldbeständen, also eben nicht in Forsten. Wie gut kann denn die Buche, wenn es die letzte Sukzessionsstufe hier ist in Deutschland – also dann wird die ja flächenmäßig relativ gut vorkommen, wenn es nicht zu sonnig ist –, wie gut kommt die Buche klar mit langen, heißen Sommern?
Ibisch: Im Moment besser als wir das vielleicht erwartet haben, was auch gar nicht nur mit den Eigenschaften der Buche selbst zu tun hat, sondern auch mit dem gesamten Waldökosystem, das sie ausbildet. Das heißt nicht, dass wir jetzt auf Ewigkeit da optimistisch sein können. Das Entscheidende ist, dass wir auch bei der Anpassung jetzt an den Klimawandel in der Forstwirtschaft nicht immer über einzelne Baumarten reden, sondern wirklich Ökosysteme haben, die mit den verschiedenen Optionen, die sie haben – dazu gehören verschiedene Baumarten, wir haben ja dutzende Baumarten in Deutschland –, jetzt einfach spielen können und schauen können, wie kleinräumig auch differenziert die Anpassung geschieht. Da haben wir eigentlich das hauptsächliche Problem, dass wir das nicht zulassen, dass wir zu sehr eingreifen, dass wir auch zu viel Biomasse entnehmen. Die Wälder sind zu jung, zu biomassearm, Totholz kommt nicht vor. Das ist eigentlich die entscheidende Frage: Warum ist das immer noch so, und, klar, das sind dann Fragen, die ökonomisch und auch politisch zu beantworten sind.
Fecke: Lassen Sie uns einmal so einen Blick in die Zukunft wagen. Es gibt ja Satellitenbilder, die ziemlich zeigen, dass zum Beispiel die Havellandschaft immer weniger Wasser hat und zunehmend versteppt. Werden wir da irgendwann auch so eine Macchia kriegen mit Steineichen, oder werden unsere Baumarten trotzdem uns erhalten bleiben?
Ibisch: Wir müssen hier uns fragen, über welche Zukunft reden wir, und wie gut wird die Menschheit wirklich in der Lage sein, den Klimawandel einzudämmen. Wenn die schlimmsten Szenarien eintreffen bis zum Ende des Jahrhunderts, dann wird es auch in Deutschland und in vielen anderen Regionen der Erde wirklich eng für die Wälder. Wir sehen das bereits in mediterranen Gebieten. Ich habe jüngst mit Kollegen gesprochen im Südwesten der Vereinigten Staaten, wo tatsächlich Nadelwälder abbrennen und die Wissenschaftler nicht mehr sehen, dass sie wiederkommen. Das heißt, da passiert ein Biomwechsel, das heißt, das ist immer auch ein reales Risiko, dass Wälder nicht wieder sich einstellen und ersetzt werden durch Graslandschaften. Klar.
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