1.000 Hektar Wald bewirtschaftet Matthias Graf von Schwerin bei Hirschfelde im östlichen Brandenburg. Während der Landesvorsitzende des Ökologischen Jagdverbandes mit seinem Jeep durch Pfützen brettert, freut sich auf der Rückbank Bracken-Hündin "Hummel" auf einen Gang durchs Revier.
"So, jetzt steigen wir hier einmal kurz aus." Graf Schwerin geht ein paar Schritte in den Wald. Er muss sich dabei durch Brombeergestrüpp kämpfen und läuft sorgsam um kleine Douglasien herum.
"Wir stehen hier in einem 60 Jahre alten Kiefernbestand, ein für Brandenburg ganz typischer Bestand, allerdings sieht es hier nicht typisch brandenburgisch aus, weil wir hier intensive Verjüngung haben von Sträuchern und Ebereschen, Eichen, sonstigem Laubwald – ohne Zaun und ohne verbissen zu sein."
Ein guter Jäger halte sich an den Abschussplan
Hier wird mit bis zu 30 Mann fleißig gejagt, mit Sammelansitzen und organisierten Gemeinschaftsjagden, bei denen Treiber und Stöberhunde das Wild aus der Deckung scheuchen. Sonst hätten die jungen Laubbäume keine Chance, groß zu werden: Rehe und Hirsche würden sie anfressen.
"Wir müssen den Bestand reduzieren, um zu erreichen, dass einerseits gesunde Wildbestände existieren und andererseits der Wald sich von alleine entwickeln kann", sagt Graf Schwerin. "Und von alleine entwickeln heißt, dass eben mehrere Baumarten, Nadelholzarten und Laubholzarten, ohne Zaun entstehen können."
Denn artenreiche Wälder können Klimaschwankungen, Trockenheit, Stürmen und Schädlingen besser widerstehen. Zwar muss sich jeder Inhaber oder Pächter eines Jagdreviers an einen Abschussplan halten, doch es gebe wegen des energiereichen Futters auf den Feldern trotzdem viel zu viele Rehe, Hirsche und Wildschweine, kritisiert Öko-Jäger Schwerin.
Öko-Jagdverband: Wenige Mitglieder, hoher Fachleute-Anteil
"Ich kenne einige konservative oder klassische Jäger, die sich in erster Linie damit beschäftigen, ihre Wildbestände im Revier hoch zu halten, damit sie möglichst viel sehen und damit sie am besten auch noch Stapel Trophäen haben. Das hat mit ökologischer und mit langfristig ökologischer Jagd nichts zu tun, das hat auch mit Nachhaltigkeit nichts zu tun."
Der ÖJV wurde 1988 gegründet. Mit bundesweit 2.000 Mitgliedern sei er zwar eine kleine Splittergruppe, sagt die junge Forstwissenschaftlerin und Jägerin Hanna von Versen. Dafür sei der Anteil von Fachleuten in den Reihen des ÖJV hoch.
"Wir betrachten Jagd als eine der Primärproduktion nachgeordnete Funktion auf der Fläche", erklärt Hanna von Versen, "sprich, dass sie sich in ihren Zielen der Forst- bzw. Landwirtschaft oder auch der Fischereiwirtschaft unterordnen muss. Insofern entsteht dadurch eine Zielhierarchie und eine ganz klar zweckgebundene Form der Jagdausübung."
Der Wolf wird begrüßt - er übernehme Teile der Jagdarbeit
Die Ökologischen Jäger legen darum auch nicht Strecke, also die erlegten Tiere auf dem Waldboden aus, sondern bringen das Fleisch sofort in Kühlkammern. Ein Bruch der Tradition, für manchen Waidmann ebenso undenkbar, wie auf weibliche Wildschweine mit Frischlingen zu schießen.
Das muss aber sein, meint Graf Schwerin, um der Wildschweine Herr zu werden, die sich wegen des üppigen Maisangebots auf den Feldern stark vermehrt haben und überall große Schäden anrichten. Auch in Sachen Wolf hat der Graf andere Ansichten: Der Ökologische Jagdverband begrüßt die Rückkehr des großen Räubers ausdrücklich.
Jäger sollten auf Bewirtung schauen, nicht auf Revier und Trophäe
"Es ist ein Märchen, wenn man sagt, der Wolf frisst alles auf, es gibt kein Wild mehr. Natürlich ändert der Wolf dort, wo er auftritt, das Verhalten des Wildes. Das heißt aber, dass diejenigen Jäger, die sich darüber beschweren, dass das Wild vielleicht heimlicher ist, nur zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Jagd jetzt anspruchsvoller ist. Wo man vielleicht nicht jedes Mal, nachdem man seinen Hochsitz bestiegen hat, nach 20 Minuten den ersten Bock sieht und nach 40 Minuten den zweiten – also wer eine anspruchsvolle Jagd nicht haben will, ist nach meinem Verständnis auf dem Hochsitz falsch, der sollte lieber Briefmarken sammeln, aber nicht zur Jagd gehen."
Die Jäger dürften nicht länger nur ihr eigenes Revier im Blick haben, meint der Brandenburger ÖJV-Vorsitzende. Sonst werde die Jagd in Zukunft gesellschaftlich geächtet.