Archiv

Ökonom Heribert Dieter zu USA und EU
„Der Handelskonflikt ist noch nicht gelöst“

US-Farmer dürfen mehr Rindfleisch in die EU exportieren. Dennoch sei Brüssel nicht vor US-Präsident Donald Trump eingeknickt, sagte Heribert Dieter von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Dlf. Es sei richtig, den USA entgegenzukommen – denn Trump könne sich schon bald wieder auf die EU kaprizieren.

Heribert Dieter im Gespräch mit Peter Sawicki | 03.08.2019
    US-Präsident Donald Trump (r.) und Jani Raappana (l.), stellvertretende Missionsleiter für die finnische EU – Ratspräsidentschaft, applaudieren als US-Handelsvertreter Robert Lighthizer (v. r.) und Stavros Lambrinidis, Botschafter der Europäischen Union in den USA, Abkommen über die Ausfuhr von US-Rindfleisch in die Europäische Union in Washington, DC, unterzeichnen. 2019
    US-Präsident Donald Trump applaudiert bei der Unterzeichnung des Abkommens über die Ausfuhr von US-Rindfleisch in die Europäische Union (dpa / picture alliance / CNP / Kevin Dietsch)
    Peter Sawicki: Donald Trump und seine Handelspolitik bleibt ein Thema, das weltweit beachtet wird und das sich bemerkbar macht. Über die neusten Entwicklungen haben wir vor der Sendung mit dem Handelsexperten Heribert Dieter von der Stiftung Wissenschaft und Politik gesprochen. Die erste Frage an ihn lautete: Knickt Brüssel vor Trump ein?
    Heribert Dieter: Nein, Brüssel knickt nicht ein. Es gibt eine Erweiterung der zollfrei importierbaren Mengen an Rindfleisch aus den USA, allerdings zu den Konditionen, die die Europäer vorgegeben haben. Es wird also nicht gewöhnliches amerikanisches Rindfleisch sein, sondern nicht hormonbehandeltes. Das ist eine Auflage der Europäischen Union, und die hat sich hier auch durchgesetzt.
    Die Mengen, die jetzt hier vereinbart worden sind, Herr Trump hat das heute sehr pompös – wie immer – verkündet, die Mengen sind allerdings nicht besonders beeindruckend. Es geht um eine Erhöhung des zollfreien Zugangs für amerikanische Rindfleischproduzenten von 150 auf 420 Millionen Dollar. Das ist möglicherweise für den einen oder anderen Farmer relevant, aber in der Gesamtschau ist das relativ wenig.
    "Den wütenden amerikanischen Präsidenten nicht noch weiter verärgern"
    Sawicki: Gut, wenn Sie sagen, dass das kein Einknicken ist, wie würden Sie diesen Schritt dann bewerten?
    Dieter: Nun, gegenwärtig versucht die Europäische Union auf allen Ebenen, auf Herrn Trump ein wenig zuzugehen. Minister Altmaier hat ja im vergangenen Monat, im Juli, vorgeschlagen, sämtliche Industriezölle der Europäischen Union abzuschaffen. Das wurde auch interpretiert, wie ich meine zu Recht, als ein Signal an die Amerikaner, wobei relativ unklar ist, wie Herr Altmaier sich das im Einzelnen vorstellt.
    Wenn die Europäische Union jetzt die Zölle generell auf null senken würde, dann wäre das etwas, wovon alle WTO-Mitgliedsländer profitieren würde – einschließlich China. Wenn man das nur für die Amerikaner machen wollte, dann müsste man mit den Amerikanern ein Freihandelsabkommen vereinbaren.
    Also, noch relativ unklar, was Herr Altmaier da meinte, aber generell versuchen die Europäer den wütenden amerikanischen Präsidenten nicht noch weiter zu verärgern und ihm zumindest mit kleineren Schritten entgegenzukommen.
    Sawicki: Ist das sinnvoll, so eine Strategie zu fahren?
    Dieter: Ja, es ist sinnvoll, wenn man sich anschaut, wie die Zahlen ausschauen. Die Eurozone wird im laufenden Jahr einen Überschuss in der Leistungsbilanz, also Handels- und Dienstleistungsbilanz, von 500 Milliarden US-Dollar haben, und die Amerikaner haben mehr oder weniger genau das als Defizit.
    Das heißt, an irgendeiner Stelle könnte Herr Trump mal wieder von den Chinesen kurz Abstand nehmen und könnte wieder sich auf die Europäer kaprizieren – und das ist eine Gefahr, die die Europäer sehen müssen.
    "Das ist seine Strategie"
    Sawicki: Das heißt, der Handelskonflikt ist damit auch noch nicht gelöst?
    Dieter: Nein, der Handelskonflikt ist noch nicht gelöst. Die Defizite der Amerikaner steigen weiter an, es wird jetzt prognostiziert, dass nächstes Jahr das Defizit der Amerikaner im Handel 600 Milliarden Dollar erreichen wird, das heißt, das sind 600 Milliarden Dollar, die die USA vom Rest der Welt auch leihen müssen, um diese Bilanz auszugleichen.
    Das ist ein Problem, dem Herr Trump sich widmet – sehr intensiv. Gegenwärtig mit größerer Inbrunst verfolgt er die Handelspolitik der Chinesen, wobei die Chinesen eigentlich gar keine großen Überschüsse, zumindest mit der gesamten Welt, mehr haben, wohl noch mit den USA, aber nicht mit der gesamten Welt. Und dieser Konflikt wird länger anhalten als der mit den Europäern.
    Mit den Europäern ist das im Grunde eine Sache, die lösbar wäre, auch wenn sich die Europäer auf die Amerikaner zubewegen würden. Mit den Chinesen ist es etwas anders, weil das ist ein struktureller Konflikt, und der wird auch noch einige Jahre, ich befürchte, viele Jahre anhalten.
    Sawicki: Trump sagt selber, es gab zuletzt positive Gespräche zwischen Washington und Peking, jetzt kündigt er aber neue Strafzölle ab dem 1. September an. Fällt er Peking in den Rücken?
    Dieter: Das ist seine Strategie. Die Strategie ist ja, das hat man ja schon an vielen Stellen gesehen, er lobt seine Verhandlungspartner, um dann im nächsten Schritt neue Strafmaßnahmen zu verkünden.
    Und es ist tatsächlich so, dass viele Beobachter ein Problem haben mit der chinesischen Art des Wirtschaftens, um es jetzt mal relativ grob zu sagen. Also, wir wissen nicht, in welcher Art und Weise Subventionen in chinesische Staatsunternehmen fließen, und diese Unternehmen konkurrieren dann auf Weltmärkten mit privaten Firmen aus OECD-Ländern.
    Das ist ein Strukturproblem, dass Herr Trump jetzt mal auf die Agenda gesetzt hat, das allerdings auch die Europäische Union schon seit geraumer Zeit thematisiert. Trump ist in dieser Frage nicht alleine, und das ist ja diese merkwürdige Konstellation, die wir gegenwärtig beobachten: Auf der einen Seite streitet sich Trump mit den Europäern über das eine oder andere, aber gleichzeitig ist er mit den Europäern in Bezug auf China in einer Art handelspolitischem Bündnis – zusammen auch mit den Japanern.
    Es ist also relativ unübersichtlich, aber klar ist, dass das Problem der intransparenten Strukturen in China uns erhalten bleiben wird, und die chinesische Regierung ist keineswegs bereit, hier Zugeständnisse zu machen, weil das rührt an den Kern ihres Wirtschaftsmodells. Und es ist schwer zu erkennen, wie für dieses Problem eine Lösung gefunden werden könnte.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.