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Ökonom Hüther zur Digitalsteuer
„Macron will einen kräftigen Nadelstich Richtung USA setzen“

Die Digitalsteuer, mit der Frankreich auf amerikanische Tech-Giganten abziele, sei steuersystematisch ein schwieriges Konstrukt kritisiert Michael Hüther vom Institut der Deutschen Wirtschaft. Unternehmen müssten dort besteuert werden, wo sie zu Hause seien, sagte er im Dlf.

Michael Hüther im Gespräch mit Dirk Müller |
US-Präsident Donald Trump steht mit seinem französischen Amtskollgen Emmanuel Macron bei dem G7-Gipfel in Biarritz eng zusammen. Macron spricht in Trumps Ohr und zeigt mit dem Finger auf dessen Brust.
Frankreichs Präsident Macron habe auf verschiedene Arten versucht, mit seinem US-Amtskollegen Trump zurechtzukommen, meint Hüther (dpa / picture alliance / Chopin Jean Daniel)
Dirk Müller: Der Konflikt könnte ein Prozent der gesamten Weltwirtschaftsleistung kosten, oder anders ausgedrückt, die globale Konjunktur um fast ein Prozent schrumpfen lassen. Das sind hunderte Milliarden, vielleicht mehr als 700 Milliarden. Das sind zumindest Zahlen, die im Moment kursieren. Wir reden vom Handelskonflikt, vom Zollkrieg Washingtons gegen den Rest der Welt, oder die Perspektive vertauscht, auch umgekehrt betrachtet.
Donald Trump jedenfalls sammelt damit zuhause im Wahlkampf mächtig Punkte. Konfrontation vor allem mit China, Konfrontation ebenso mit Europa und jüngst ganz besonders mit Frankreich, weil Emmanuel Macron - ohnehin offenbar ein spezieller westlicher Partner von Donald Trump - fest entschlossen ist, die Digitalsteuer auf den Weg zu bringen. Das heißt eine Steuer gegen die Internet-Riesen, gegen Google, Amazon, Apple und Facebook – ein 'No Go' für die amerikanische Regierung, die wieder mit Gegenmaßnahmen droht, Zölle beispielsweise auf Champagner, Käse, auf Luxusprodukte, und diese Stimmung könnte auch dann wieder auf Europa zurückschlagen.
Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Professor Michael Hüther, ist heute Morgen bei uns am Telefon. Guten Morgen.
Michael Hüther: Guten Morgen, Herr Müller.
Müller: Herr Hüther, Kriege sind schlecht fürs Geschäft. Also weg mit der Digitalsteuer?
Hüther: Ja, ganz grundsätzlich kann man fragen, ob so eine Digitalsteuer sinnvoll ist, denn wir besteuern ja auch ansonsten nicht speziell einzelne Branchen, sondern haben ein System der Ertragsbesteuerung, oder wir besteuern den Konsum oder bestimmte Vermögensbestände. Aber hier wird eine Steuer in die Diskussion gebracht, die speziell für Firmen ist, die ja gar nicht mal dann vor Ort Wertschöpfung machen, da die Produktion erzielen, sondern wegen ihrer Angebote im Digitalraum Dinge tun, und man dann sagt, wenn die aber erst relevant werden, weil die Bürger vor Ort sie nutzen, entsteht die Wertschöpfung.
Dann könnte umgekehrt Trump auch eine anders geartete PKW-Steuer erheben auf deutsche PKW, die erst deshalb wertvoll werden, weil sie in den USA gefahren werden, genutzt werden. Steuersystematisch ist diese Digitalsteuer schon eine seltsame Art.
"Steuersystematisch ein schwieriges Konstrukt"
Müller: Das stört Sie nicht, dass diese Milliarden-Imperien in Europa so gut wie keine Steuern zahlen?
Hüther: Na ja. Sie zahlen dort Steuern, wo sie mit ihrem Unternehmen vor Ort sind, und auch dort, wo sie Beschäftigte haben. Aber diese Plattformen an sich sind ja schwer zu greifen und sie erzielen natürlich Wertschöpfung, aber sie erzielen sie dort, wo sie zuhause sind, und so ist es bei uns auch. Die PKW werden dort besteuert, wo sie produziert werden, und das ist bei uns der Fall. Dort haben wir die Ertragsbesteuerung.
Alles andere unterliegt dann den sonstigen systematischen Steuern. Die Digitalsteuer ist schon steuersystematisch in unser System der Besteuerung hineingedacht, ein schwieriges Konstrukt, und man sieht auch, wenn man genau hinschaut, das eigentliche Ziel. Macron will hier einen Nadelstich, und zwar einen ziemlich kräftigen Nadelstich Richtung USA setzen.
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Müller: Nun ist das kein besonders hohes Volumen, wenn wir das hier richtig nachgelesen haben: 1,4, 1,5 Milliarden, vielleicht zwei Milliarden Dollar. Das ist ja im Vergleich zu dem, was insgesamt auf dem Spiel steht, gar nicht so viel. Ist das eine reine politische Aktion?
Hüther: Es ist eine politische Aktion. Es ist eine Symbolaktion. Macron hat ja verschiedene Wege versucht, mit Trump zurechtzukommen. Wir erinnern uns an die Bilder des sehr versöhnlichen, des sehr umgarnenden am Anfang. Und er ist doch jetzt auf eine andere Strategie eingeschwenkt, auch auf Konflikt zu gehen.
Dieses alles ist jetzt nicht von den Volumina per se bedeutend. Sie haben es erwähnt. Aber es ist natürlich im Umfeld wirksam, wo über den USA-China-Handelskonflikt, wo über den Brexit, wo über die Frage, wie die Welthandelsorganisation weiter entwickelt wird und ob sie überhaupt eine Zukunft hat, so viel Sand ins Getriebe des internationalen Handels gestreut wird, dass man fragt, ist das sinnvoll, oder haben wir hier nicht ein generelles Problem, wie organisieren wir eigentlich die Weltwirtschaft. Und wir sind weggekommen – und da ist Trump natürlich ein Haupttäter – von der regelbasierten, auf Institutionen beruhenden Welthandelsordnung, die wir eigentlich vor 24 Jahren mit der Welthandelsorganisation, als sie ´95 gegründet wurde, erhofften, etabliert zu haben.
Müller: Jetzt wird Donald Trump ja immer wieder zitiert. Er sagt das auch im Wahlkampf, in vielen Interviews auch. Am Ende dieses Handelskonfliktes werden die Amerikaner davon profitieren. – Kann er damit recht haben?
"Man sieht, es ist Sand im Getriebe"
Hüther: Ein Handelskonflikt, der so massiv geführt wird - und es ist immer die Frage, wie er gemacht wird - hat natürlich am Ende immer Verlierer, und zwar eigentlich auf allen Seiten. Die Frage ist, wie weit man es treibt.
Was die USA mit China im Augenblick machen ist etwas, das sehr viel stärker China trifft als die USA, weil sie sehr gezielt Produkte in den Blick nehmen, die für China relevant sind und, wenn dort dann Zölle erhoben werden, dieses auch entsprechende Konsequenzen hat. Und man sieht ja auch, dass die Verlangsamung der chinesischen Volkswirtschaft sich schon zeigt und auch bei uns ankommt.
Auf der anderen Seite gewinnt natürlich keiner, wenn wir uns gegenseitig schwächen. Die Idee, der eine macht einen Handelskonflikt und ist der große Gewinner, das ist eine absurde Vorstellung, weil so viel Unsicherheit ins System kommt, die auch diejenigen, die am Spielfeldrand stehen, wie wir im Augenblick, mit betrifft. Sonst würden wir ja gar nicht darüber reden. Wir sind ja nicht im Augenblick das Haupt-Zielland oder das Haupt-Zielthema für Trump, auch wenn er immer wieder von den Autos redet, die deutschen Autos, die da herumfahren. Das Thema ist ja doch im Hintergrund. – Man sieht, es ist Sand im Getriebe.
Müller: Schauen wir weiter nach vorne. Vielleicht noch mal eine Zahl, Sie haben es gerade noch einmal genannt. Hauptkonkurrent beziehungsweise das Hauptziel von Donald Trump ist ja im Moment jedenfalls China. Da soll es eine Verschärfung der Zölle geben, aus amerikanischer Sicht – ist jedenfalls angedroht -, Strafzölle gegen Laptops und Smartphones von 160 Milliarden Dollar, 160 Milliarden Euro. Das ist ja eine Riesensumme. Das ist etwas, was wirklich etwas bewirkt?
Hüther: Das wirkt, und man sieht das ja auch an den Reaktionen der Chinesen. Die werden da schon jetzt ein bisschen beweglicher. Die werden sich genau überlegen, wann sie Konzessionen machen. Aber sie werden sie machen müssen, denn die Chinesen leben ja auch davon, dass sie ihre Produkte in die Welt bringen. Insofern ist das etwas, wo man schon sieht, es wirkt. Aber hier darf man nicht vergessen: Trump tut dies Richtung China durchaus mit einem breiten innenpolitischen Konsens. Es sind nicht nur seine Wähler. Wenn Sie in Washington unterwegs sind, ist das sehr von beiden Parteien getragen, Demokraten und Republikaner, natürlich auch Demokraten, die sagen, wir haben hier keine fairen Praktiken.
Unsere Hoffnung auf eine Demokratisierung Chinas ist nicht aufgegangen und wir sehen, dass sie mit Instrumenten arbeiten, die nicht gerade dem entsprechen, was wir als freien Handel sehen. Insofern ist auch aus europäischer Sicht durchaus berechtigt, China kritisch zu sehen. Das ist ein Punkt, wo Trump ein Thema aufgegriffen hat, was man innenpolitisch motiviert sehen kann, wo er aber eigentlich sehr viel mehr Unterstützung aus der Sache auch gewinnt, weil es nicht am Thema vorbei ist, sondern weil es ein Thema in den Mittelpunkt rückt, das berechtigt ist.
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Müller: Jetzt geht es bei den europäisch-amerikanischen Dimensionen immerhin insgesamt um ein Handelsvolumen von 1,3 Billionen US-Dollar. Das ist die Zahl, die wir gestern gefunden haben. Und da wissen wir noch nicht so genau, beziehungsweise die Politik weiß es auch nicht so genau, was Donald Trump alles will. Es wird ja über Autos verhandelt, Industriegüter, es geht um Mais, Soja, landwirtschaftliche Produkte aus der amerikanischen Sicht. Wie wahrscheinlich ist das, dass Europa so einigermaßen ungeschoren davon kommt?
Hüther: Es gibt schon einen qualitativen Unterschied und der wiederum wird dann auch in Washington aus dem Kongress heraus sehr deutlich angemahnt. Wir können, sagen die Parlamentarier in Washington, Europa nicht genauso behandeln wie China. Europa ist unser Verbündeter. Wir sind in der NATO in einer Sicherheitspartnerschaft. Wir haben eine lange gemeinsame Tradition des Miteinanders in dieser westlich-transatlantischen Welt. Das hat auch bei Trump zu einigen Korrekturen geführt. Wir erinnern an den Besuch von Jean-Claude Juncker im letzten Sommer, wo es dann zu einem Moratorium kam und wo dann im Grunde auch Dinge erst mal sehr stark in den Hintergrund gerückt sind. Ich glaube, das darf man nicht vergessen. Insofern ist das ein anderes Bild.
Aber Trump sieht das natürlich im größeren Rahmen. Er sagt, wo ist eigentlich Europa, wenn es um Sicherheitsfragen geht. Wie arbeiten wir insgesamt zusammen. Deswegen wird er Europa auch nicht ganz aus dem Fokus nehmen. Aber die Bedrohung scheint mir hier doch geringer zu sein. Es scheint auch in den USA langsam angekommen zu sein, auch in der Trump-Administration, was die deutsche Automobilwirtschaft dort tut, welche Produktionsstätten sie hat, dass BMW der größte Exporteur von Autos aus den USA in andere Länder ist. Die Investitionszusagen, die die deutschen Unternehmen dort gemacht haben, haben doch sehr zur Befriedung geführt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.