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Ökonom kritisiert Trumps Wirtschaftspolitik
"Welche Forderungen Trump an Europa richtet, das wissen wir noch nicht"

Ob Strafzölle oder Importstopps: Wie so vieles in der derzeitigen US-Politik sei auch bei die Wirtschaftspolitik Donald Trumps noch unklar, sagte der Ökonom Heribert Dieter im DLF. Klar sei aber, dass Trump entschlossen sei, alles zu tun, um die US-Wirtschaft nach vorne zu bringen, notfalls auch mit unprofessionellen Mitteln.

Heribert Dieter im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Container im Hafen von Long Beach in Kalifornien warten auf ihre Abfertigung
    US-Präsident werde alles dafür tun, um sein Versprechen, die Wirtschaft voranzubringen, zu verwirklichen, sagte der Ökonom Heribert Dieter im DLF. (AFP/dpa picture alliance/Hector Mata)
    Christiane Kaess: Hohe Defizite der USA im Handel mit Ländern wie China, Deutschland und Japan – das ärgert US-Präsident Trump ganz gewaltig. Deshalb hat er jetzt eine Untersuchung angeordnet, um die Hintergründe aufzudecken und offenbar, um Gegenmaßnahmen vorzubereiten. Strafzölle gegen ausländische Stahlhersteller, darunter auch deutsche Firmen, die hat die US-Regierung bereits angekündigt.
    Darüber sprechen möchte ich mit Heribert Dieter. Er ist Ökonom bei der Stiftung Wissenschaft und Politik und jetzt am Telefon. Guten Tag, Herr Dieter!
    Heribert Dieter: Ja, ich grüße Sie, guten Tag!
    Kaess: Das Handelsdefizit der Vereinigten Staaten – sind die anderen Länder schuld daran?
    Dieter: Nein, die anderen Länder sind natürlich nicht schuld daran, aber die Regierung Trump tut so, als ob die anderen Ländern ursächlich für die amerikanischen Defizite sind, und sie hat eine radikale Politik begonnen. Wir wissen noch nicht, wie weit das gehen wird, aber sie hat, wie das im Vorbericht anklang, begonnen, Strafzahlungen zu erheben von Stahlunternehmen. Das ist nichts Neues, aber es wird europäische Reaktionen erfordern.
    Kaess: Was, glauben Sie denn aus Ihrer Sicht, ist der wahre Grund hinter diesem Handelsdefizit?
    Dieter: Nun, Trump wurde gewählt, um in den USA Arbeitsplätze zu scahffen, er hat groß angekündigt, dass er Amerika wieder nicht nur militärischen Fragen, sondern auch in der Wirtschaftspolitik wieder nach vorne bringen wird, und dazu braucht er Erfolge, dazu braucht er Beschäftigungszuwächse, und die bekommt er vermutlich nur dann, wenn die amerikanische Industrie stärker geschützt wird, und dazu ist er zu Maßnahmen bereit, die unprofessionell sind. Die sind allerdings nicht ohne Vorbild.
    George Bush hatte auch Anfang der 2000er-Jahre auch Strafzölle auf Stahlimporte verhängt. Die Europäer gingen dann nach Genf, haben bei der WTO gewonnen und haben dann ihrerseits Strafzölle verhängt, bis das Ganze dann von beiden Seiten wieder abgeblasen wurde. Also komplett neu ist das nicht, was Trump macht, aber gefährlich ist es gleichwohl.
    Kaess: Aber warum ist es überhaupt zu diesem Handelsdefizit gekommen, was ist die Ursache dafür?
    Dieter: Die Amerikaner haben seit vielen Jahren ein Handelsdefizit. Sie importieren mehr als sie exportieren. Das Ganze hat dann auch noch eine zweite Seite, das ist die Kapitalbilanz, und das heißt, die Amerikaner sparen weniger als sie investieren. Das heißt, wenn die Amerikaner ihre Defizite abbauen wollen, das müssen sie das ändern. Dann müssten sie weniger importieren. Also sie müssten auch gleichzeitig mehr sparen, und wer die amerikanische Gesellschaft kennt, weiß, dass Konsum in den USA einen ganz hohen Stellenwert hat. Das heißt, der Abbau, die Veränderung von Verhaltensweisen amerikanischer Verbraucher wird nicht leicht sein, und ich glaube auch nicht, dass das kurzfristig zu erreichen sein wird. Deshalb wählt Trump den Weg, er macht das Ausland verantwortlich, und so albern das klingen mag, aber für die amerikanische Öffentlichkeit scheint das eine gewisse Überzeugungskraft zu haben.
    "Die Rhetorik, die hier ins Spiel gebracht wird, ist gefährlich"
    Kaess: Jetzt ist der Vorwurf zum Beispiel an Deutschland, Deutschland handle unfair, er sieht auch Regelverstöße. Können Sie irgendwo tatsächlich Regelverstöße gegen internationales Handelsrecht sehen?
    Dieter: Also Regelverstöße im engeren Sinne natürlich nicht, aber es gibt durchaus ein Problem: Unternehmen werden in Amerika vergleichsweise hoch versteuert. Die Körperschaftssteuer liegt seit drei Jahrzehnten bei 35 Prozent. Die liegt in den meisten anderen Industrieländern zehn Prozentpunkte niedriger. Das ist ein Problem für die USA.
    Sie kritisieren insbesondere das Mehrwertsteuerregime, das andere Länder, natürlich auch Deutschland, anwenden. Sie sagen, wenn ein Auto aus Deutschland exportiert wird, dann wird diese Steuer nicht erhoben, und das betrachten sie als unfair. Berater von Trump haben in Beiträgen in der vergangenen Woche geäußert, dass immerhin 150 Handelspartner der USA Mehrwertsteuern erheben und damit Exporte begünstigen, während es in den USA eine Verbrauchssteuer gibt. Die einzelnen Bundesstaaten erheben Verbrauchssteuern, und dort gibt es diesen Abzug für Exporte nicht, und daran will man arbeiten.
    Das ist grundsätzlich vermutlich nicht falsch, aber die Rhetorik, die hier ins Spiel gebracht wird, ist gefährlich.
    Kaess: Jetzt soll ja nach Namen und Produkten recherchiert werden, die die USA als Ursache für dieses Handelsdefizit sehen. Welche Produkte könnten denn da betroffen sein?
    Dieter: Das ist natürlich ... erst mal nach Volumen wären das gewisse Autos. Dann fragt man sich natürlich, wie das funktionieren soll, wenn jetzt beispielsweise deutsche Automobilhersteller an den Pranger gestellt werden sollten, dann erscheint das vergleichsweise absurd, weil die gleichen Hersteller, also BMW, Mercedes und andere, natürlich in den USA produzieren, also auch dort produzieren und von dort aus nach Europa exportieren. Es ist, wie so vieles bei der Wirtschaftspolitik der Regierung Trump, ist noch unklar. Es gibt Ankündigungen, aber welche Forderungen Trump an Europa richtet, das wissen wir noch nicht.
    Es gibt vermutlich drei Strategien, um auf dieses zu antworten. Das Erste ist, einfach mal abwarten und schauen, was die Regierung tatsächlich möchte.
    Das Zweite ist, den Dialog mit den Amerikanern suchen und das möglichst bald. Das Dritte ist, möglicherweise auch eigene Politiken einmal zu überprüfen. Es ist Fakt, dass die Länder der Eurozone insgesamt im vergangenen Jahr einen Handelsbilanzüberschuss von 400 Milliarden Dollar erwirtschaftet haben, und das kann nicht allein auf die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen zurückgeführt werden. Da müssen noch andere Politiken greifen, und die kann man ruhig einmal auf den Prüfstand stellen und sich fragen, ob es nicht sinnvoller wäre, hier was etwas zu verändern.
    Kaess: Schauen wir noch kurz auf eine Forderung vonseiten der USA: Die USA will Sicherheiten von den Unternehmen haben. Geht das überhaupt, so etwas zuzusichern?
    Dieter: Ja, mit Sicherheiten, das ist natürlich ... In einem laufenden, sozusagen, Zollverfahren können die Unternehmen Sicherheiten stellen, um zu gewährleisten, dass Länderverfahren zu ihren Ungunsten, also zuungunsten der Unternehmen ausgeht, dass die Strafen dann auch bezahlt werden. Die USA gehen ja selbst sehr selbstherrlich vor. Das ist allerdings auch nichts Neues, das haben sie auch in anderen Verfahren schon gemacht. Das kennen wir auch aus Strafverfahren wegen europäischer Banken, wo vergleichsweise willkürlich enorm hohe Strafzahlungen erhoben wurden. Also grundsätzlich ist das nicht neu, was die Regierung Trump tut, aber sie tut es mit einer großen Entschlossenheit und scheint gewillt zu sein, die internationalen Regelwerke, die ja unter der Mitwirkung der USA geschaffen wurden, einfach über den Haufen zu werfen, und das stimmt natürlich sehr nachdenklich.
    Kaess: Dankeschön für diese Einschätzungen, Heribert Dieter. Er ist Ökonom bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, und die schlechte Leitung bitten wir zu entschuldigen – wir haben ihn in Hongkong erreicht.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.