Birgid Becker: Mit Stefan Kooths vom Kieler Institut für Weltwirtschaft habe ich vor der Sendung gesprochen und ihn gefragt, wie viel Kraft Volkswirtschaften haben, um Terror auszuhalten und ob der Brückenschlag zum 11. September, der Vergleich mit den Anschlägen auf das World Trade Center in New York vor 14 Jahren, ob dieser Vergleich überhaupt gewagt werden kann.
Stefan Kooths: Ich wäre sehr vorsichtig mit diesem Vergleich, denn nach dem 11. September hat es ja tatsächlich erhebliche Einflüsse auch gehabt, auf den Luftverkehr etwa, der zum Erliegen kam, wo tatsächlich ökonomische Aktivität unterbrochen werden musste. Das ist in diesem Ausmaß derzeit überhaupt nicht erkennbar. Deshalb sollten wir es vielleicht eher vergleichen mit den Auswirkungen, die wir ja am Anfang des Jahres im Januar schon hatten, als es ebenfalls einen Terroranschlag in Paris gegeben hat, und da sehen wir keine bedeutsame Auswirkungen, weder auf die Entwicklung in Deutschland, noch die im übrigen Euroraum.
Becker: Nun gab es ja in den vergangenen Jahren immer wieder Anschläge oder Versuche dazu von Islamisten auch in Europa. Wir müssen also als Referenzgröße gar nicht unbedingt den 11. September heranziehen. Madrid, der Nahverkehr 2004, dann Juli 2005 in London die U-Bahn, Charlie Hebdo Jahresanfang haben Sie selber genannt. Wie viel an Terror kann eine Volkswirtschaft aushalten?
Kooths: Wir müssen hier immer aufpassen, dass wir nicht in den Bereich des Zynischen kommen. Denn rein ökonomisch betrachtet sind diese Terroranschläge natürlich nur winzige Nadelstiche. Das kann aber nicht die menschlichen Verluste, die wir dabei beklagen, in irgendeiner Weise relativieren. Von daher sind die konjunkturellen Effekte diejenigen, die uns dabei am aller wenigsten Sorge machen sollten.
Märkte können sich in einem Umfeld von Terror nicht entfalten
Becker: Und trotzdem: Wo gibt es doch Wunden, die man vielleicht auf den ersten Blick nicht sieht, die aber volkswirtschaftlich doch relevant werden können, wenn eine Stimmungslage sich eintrübt, wenn die Konsumlaune schwindet, wenn Menschen aus Angst vor Anschlägen öffentliche Orte meiden zum Beispiel?
Kooths: Das alles sind natürlich Gründe, die auch die ökonomische Aktivität beeinträchtigen können. Wir dürfen niemals vergessen, dass marktwirtschaftliche Aktivität, dass jede Form von ökonomischer Kooperation auf friedliche Zusammenarbeit angewiesen ist. Märkte können in einem Umfeld von Terror sich natürlich nicht entfalten. Deshalb sind das natürlich dann negative Einflüsse, aber gegeben unserer gesamten ökonomischen Aktivität keine, die jetzt hier zum Game Changer werden. Wenn wir das jetzt in der Zeit betrachten, dann werden wir feststellen, dass die konjunkturelle Richtung dadurch insgesamt nicht geprägt wird.
Vermutlich wieder wegstecken
Becker: Wie sehr hängt aber trotzdem, Professor Kooths, unsere Ökonomie auch ab von Unbeschwertheit, von der Unbeschwertheit seiner Bürger, von Zuversicht, von Optimismus oder von Lebensfreude? Wer das alles nicht hat, kauft ja wo möglich nicht, baut sich kein Haus oder hat keine Freude an einem schnellen Auto.
Kooths: Das mag sehr kurzfristig möglicherweise einen gewissen Effekt haben, aber so wie der Mensch tickt wird er auch diesen neuerlichen Terroranschlag mit der Zeit wieder allmählich relativieren, ihn möglicherweise auch im täglichen Leben vergessen. Das gilt natürlich nicht für die unmittelbar Betroffenen und die Angehörigen, die noch vermutlich geraume Zeit trauern werden, aber die große Mehrheit der Bevölkerung wird diesen Terroranschlag relativ schnell, was die ökonomischen Entscheidungen angeht, vermutlich wieder wegstecken, so wie es in der Vergangenheit auch immer wieder der Fall ist. Das ist Teil der menschlichen Natur. Anders könnten wir auch mit solchen barbarischen Akten kaum fertig werden.
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