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Ökosystem im Klima-Check

Umwelt. - Pflanzen nehmen Kohlendioxid auf und bauen in es Blättern, Ästen und Blüten ein. Aus diesem Grund setzen Klimaforscher auch auf die Flora des Planeten, um den menschlichen Treibhausgasausstoß zu kompensieren. Doch die biologischen Speicher leiden offenbar selbst unter den steigenden Temperaturen.

Von Volker Mrasek | 18.09.2008
    Auf was für Ideen Naturwissenschaftler so kommen. John Arnone und seine Kollegen am Wüsten-Forschungsinstitut in Reno in den USA transplantierten ein komplettes Ökosystem. Sie schnitten quasi Tortenstücke aus einer Präriegras-Landschaft in Oklahoma, jedes von ihnen mehrere Quadratmeter groß, und setzten die Schollen in Nevada wieder ein. In speziellen, Garagen-großen Klimakammern auf dem Gelände ihrer Forschungsstätte ...

    "Wir haben die Gräser nicht eingepflanzt, sondern einfach das komplette Ökosystem verfrachtet, samt der oberen zwei Meter Boden."

    Sinn und Zweck der ungewöhnlichen Aktion: Die US-Forscher wollten wissen, wie ein intaktes Ökosystem auf starke Hitzewellen reagiert. Und das unter möglichst realistischen Bedingungen. Dafür sperrten sie das Präriegras insgesamt vier Jahre lang in die Versuchskammer:

    "Wir haben sogar den Niederschlag simuliert. Bevor wir das Experiment starteten, haben wir uns die Klimamessreihen der letzten Jahre am natürlichen Standort des Ökosystems angeschaut. Und dann den Regen in den Klimakammern entsprechend dosiert."

    Im zweiten Versuchsjahr drehte Projektleiter Arnone die Heizung auf. Die Prärie-Schollen mussten nun vier Grad höhere Temperaturen aushalten als in einem Durchschnittssommer. In den beiden Jahren darauf herrschten dann wieder Normalbedingungen in den Klimakammern. Während der ganzen Zeit kontrollierten die Forscher den Bodenwassergehalt, die pflanzliche Biomasse und den Austausch von Kohlendioxid zwischen den Schollen und der Atmosphäre:

    "In dem Moment, als wir die Temperatur erhöhten, wurde die Luft in den Kammern trockener. Die Pflanzen öffneten ihre Blatt-Spaltöffnungen nun nicht mehr so stark, um Wasserverluste zu vermeiden. Dadurch nahmen sie aber auch nicht mehr so viel Kohlendioxid auf. Die Photosynthese-Rate ging zurück, und die Pflanzen bauten nicht mehr so viel Biomasse auf."

    Damit hatte John Arnone ja noch gerechnet: dass die Vegetation in einem Hitzejahr kein so großer Speicher für das Treibhausgas Kohlendioxid ist wie sonst üblich. Tatsächlich lagerten die trockengestressten Präriegräser zwei Drittel weniger Kohlendioxid ein als unbehandelte Kontrollpflanzen. Doch dieser Effekt war auch im Folgejahr noch zu beobachten – obwohl die Gräser wieder genügend Wasser bekamen und kräftig wuchsen:

    "Zu unserer Überraschung ging der Kohlendioxid-Ausstoß der Mikroorganismen im Boden im Jahr nach der Hitze dramatisch hoch. Das lag daran, dass sich der Wasserhaushalt normalisierte und die Mikroben wieder damit begannen, Pflanzenstreu zu zersetzen, wobei dann Kohlendioxid entsteht. Aus unseren Daten schließen wir, dass die Mikroorganismen dabei auch pflanzliches Material aus dem Vorjahr abbauten. Wegen der Hitze und Trockenheit war es liegengeblieben. Deshalb erreichte das Ökosystem auch nicht wieder seine ursprüngliche Speicherkapazität für Kohlendioxid."

    Laut Arnone bedeckt Grasland ein Fünftel der Fläche auf allen Kontinenten. Es handele sich also um ein wichtiges Ökosystem. Der Forstwissenschaftler vermutet, dass auch Wälder ähnlich auf Hitzewellen reagieren. Allerdings hat noch niemand Bäume samt Boden in Klimakammern verpflanzt. Studien wie die aus dem Wüsten-Forschungsinstitut in Nevada seien sehr wichtig, um heutige Klimamodelle zu überprüfen. Das sagt Chris Jones vom Hadley-Zentrum für Klimavorhersage in England. Der Physiker betreibt Modelle, in denen auch Vegetation und Böden simuliert werden:

    "Einige unserer Studien deuten an, dass um die Jahrhundert-Mitte herum ein Hitzesommer wie zuletzt 2003 häufiger auftreten könnte. Und dass Ökosysteme infolge des Klimawandels weniger Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen. Das führt dann zu einer noch stärkeren Erwärmung."

    Die Befunde aus der US-Prärie lassen vermuten, dass die Klimamodelle hier nicht unbedingt falsch liegen.