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Ölrausch im Eis

Exploration. - Seit der Klimawandel in der Arktis die Temperaturen steigen läßt, zieht sich das Meereis zurück und die Schätze unter dem Meer werden zugänglicher. Dort vermuten Experten große Öl- und Gaslagerstätten. In diesem Jahr hat eine schottische Firma ihre Probebohrungen ausgeweitet.

Von Monika Seynsche | 24.06.2011
    Das Meer schimmert dunkelblau, fast schwarz zwischen Tausenden fußballgroßer Eisbrocken. Der Rumpf des kleinen Fischkutters stößt sie aus dem Weg, während er an hochaufragenden, blau-weiss glitzernden Eisbergen vorbeituckert – einige von ihnen so hoch wie zehnstöckige Häuser. Gletscher wie der Jakobshavn und unzählige andere an der Westküste Grönlands schicken solche Eisriesen ins Meer. In ein Meer, in dem eine schottische Firma seit dem vergangenen Jahr nach Öl bohrt.

    "Sicherheit ist das Allerwichtigste für uns. Alle unsere Programme bauen darauf auf, wie ich Ihnen im folgenden erklären werde."

    Das tut der Bohrungsleiter Craig McGregor in einem Webcast auf der Internetseite der Firma. Für ein Interview mit dem Deutschlandfunk steht niemand von Cairn Energy zur Verfügung. Alle Experten seien zu beschäftigt, heißt es aus der Pressestelle. In zwei Gebieten westlich der grönländischen Hauptstadt Nuuk hat die Firma Anfang Juni angefangen zu bohren. Das Wasser ist hier 900 bis 1000 Meter tief, so dass von einem Bohrschiff und einem Halbtaucher aus gebohrt wird, einer Plattform also, deren untere Hälfte unter dem Meeresspiegel liegt. Beide können ihre Position mit Hilfe von GPS und mehreren Schiffsschrauben sehr genau über dem anvisierten Bohrloch halten.

    "We have a dual rig strategy, so that in the event of any problems whatsoever we always have the facility for the second rig to conduct an intervention."

    Der Einsatz von zwei Bohrplattformen gehöre zur Strategie, sagt Craig McGregor. Sollte bei einer Bohrung etwas schief gehen, kann die andere Plattform ihre eigene Bohrung unterbrechen und schnell kommen, um einzugreifen, etwa mit einer Entlastungsbohrung. Beide Bohrlöcher sind am Meeresgrund außerdem mit Ventilen, sogenannten Blow-out-preventern, ausgerüstet, die nach Angaben der grönländischen Regierung alle zwei Wochen getestet werden müssen. McGregor:

    "Wir haben eine Flotte von 14 Schiffen draußen. Je ein Rettungsschiff für jede Plattform, sechs Eismanagementschiffe und eine Reihe von Mehrzweck- und Lagerschiffen."

    Die Eismanagementschiffe sollen die Ölplattformen vor Eisbergen schützen. Nähert sich ein Eisriese dem Bohrgebiet, können die Schiffe versuchen ihn wegzuschleppen. Funktioniert das nicht, muss die Bohrung gestoppt und die Plattform in Sicherheit gebracht werden. Trotz aller Sicherheitsmaßnahmen ist Peter Wadhams skeptisch. Der Physiker an der Universität von Cambridge ist auf Meereis spezialisiert und kennt die Region vor Westgrönland. Seiner Ansicht nach lässt sich ein Ölunfall unter Eis nie völlig ausschließen.

    "Dann haben Sie ein Öl-Gas-Gemisch, das zur Unterseite des Eises aufsteigt und sich dort als dünne Schicht ablagert. Das Eis wandert während des Winters, immer neues Öl steigt auf, so dass am Ende ein mehrere hundert Kilometer langer Ölfilm entstehen kann. Im Frühjahr schmilzt das Eis, und das Öl verteilt sich über weite Gebiete in der Umwelt."

    Um ein solches Szenario zu verhindern schreibt die grönländische Regierung einen Bohrstopp im Herbst vor, einige Monate bevor sich das Meereis bildet. Damit bliebe noch Zeit genug für eine Entlastungsbohrung, sagt Jørn Skov Nielsen, der Leiter des grönländischen Rohstoffdirektorats.

    "Natürlich kann niemand ausschließen, dass es zu einem Unfall kommt, aber ich denke, wir tun alles, um ihn zu verhindern, und wir werden alles tun um ihn zu bekämpfen, sollte er eintreten."

    Für diesen Fall ist ein Notfallplan vorgeschrieben, der detailliert beschreibt, was zu tun ist. Nielsen:

    "Wir kennen diesen Plan, die Marine kennt ihn, die Polizei, das nationale Umweltforschungsinstitut und auch alle anderen relevanten Behörden, die ihn kennen müssen, haben Zugang zu allen Details des Plans."

    Öffentlich zugänglich ist der Notfallplan allerdings nicht, was sowohl Peter Wadhams als auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace bemängeln.