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Ölrausch in der Arktis

Rohstoffe. - Finanziell hängt Grönland am Tropf Dänemarks, und das wollen die 56.000 Grönländer so schnell wie möglich ändern. Deshalb hoffen sie, dass vor der Küste Öl gefunden wird. Erste Explorationsbohrungen wurden bereits niedergebracht. Die Umweltschutzorganisation "Greenpeace" hat eine dieser Bohrplattformen besetzt. Man plädiert für den beschleunigten Ausstieg aus dem Ölzeitalter. Inzwischen gehen die Erkundungsarbeiten im Meer vor Westgrönland weiter.

Von Dagmar Röhrlich | 02.09.2010
    Die Schätzungen sind optimistisch: Der US Geological Survey vermutet, dass in Grönlands Meeren nördlich des Polarkreises mehr als ein Fünftel der technisch förderbaren Öl- und Gasvorkommen stecken. Diese Vorkommen sind zwar noch nicht entdeckt, aber nach den Regeln der Geologie sollten sie dort stecken. Auch die Grönländer sind zuversichtlich:

    "Wir wissen, dass im Nordwesten wie im Nordosten Grönlands an vielen Stellen an Land Öl aus natürlichen Quellen sickert. Dieses Öl ist analysiert worden, und es ist der richtige Typ, das heißt: Wir können erwarten, dass es im Untergrund Öl- und Gaslagerstätten gibt."

    Wer in grönländischen Gewässern nach Öl suchen will, muss die strengen norwegischen Sicherheitsstandards erfüllen, erklärt Henrik Stendal vom Rohstoffamt Grönlands. Unter den harschen Bedingungen in der Arktis lohnt sich die Förderung daher erst ab einem Ölpreis von 40 Dollar pro Fass. Derzeit liegt er bei mehr als 70 Dollar. Jørgen Hammeken-Holm vom grönländischen Rohstoffamt:

    "Wir vergeben die Lizenzen für zehn Jahre an die Ölfirmen. Normalerweise sammeln sie dann drei bis vier Jahre lang Seismik- und Umweltdaten, um sich auf die Bohrung vorzubereiten. Alle Lizenzen sind in dieser ersten Phase. Eine Firma ist allerdings schneller, weil sie kleiner ist und ohne großen organisatorischen Überbau auf jede sich bietende Möglichkeit reagieren kann."

    Diese Firma ist die schottische Cairn Energy, die es ebenso wie US-Riesen Exxon und Chevron in die Diskobucht und die Baffin Bay zieht. Dort arbeiten auch der dänische Ölkonzern Dong, ebenso die kanadische Firma Hoskie Energy und die schwedische PA Resources. Seit dem Sommer bohre man, bestätigt Cairn-Manager Simon Thomson:

    "Natürlich hoffen wir, dass wir Kohlenwasserstoffe finden, aber wir haben unseren Investoren mitgeteilt, dass statistisch gesehen nur jede zehnte Bohrung erfolgreich sein wird, denn das Gebiet ist riesig und nicht näher erforscht."

    Aber alleine unter der Baffin-Bucht könnten sich 4 Milliarden Tonnen Öl und Gas befinden. Simon Thomson:

    "Es ist ermutigend, dass wir bereits mit unserer ersten Bohrung Hinweise auf eine Lagerstätte gefunden haben. Wir haben in einer dünnen Sandlage Gas entdeckt. Das ist kommerziell nicht ausbeutbar, aber es ist ein sehr gutes Indiz. Bis zum Ende der Sommersaison werden wir die Daten bewertet haben."

    Die Bohrungen laufen in Wassertiefen von 300 bis 500 Metern. Das Reservoir selbst wird 4000 bis 5000 Metern tief im Untergrund vermutet. Seit den 1970er-Jahren waren in den Gewässern um Grönland immer wieder die Erdölsucher unterwegs - und immer waren sie erfolglos. Eine Zeitlang war deshalb niemand an den Lizenzen interessiert, aber inzwischen werden sie den Behörden fast schon aus den Händen gerissen. Jørgen Hammeken-Holm:

    "Im April ist eine neue Lizenzrunde für die Baffin Bay erfolgreich zu Ende gegangen, und derzeit laufen die Verhandlungen mit den Ölunternehmen, um die Verträge endgültig unter Dach und Fach zu bringen. In einem oder zwei Monaten hoffen wir so weit zu sein. Auch 2012 und 2013 wird es weitere Lizenzrunden für den Nordosten Grönlands geben."

    Dort laufen in diesem Sommer seismische Untersuchungen. Das Erdölmuttergestein im Osten Grönlands sei besonders viel versprechend. Henrik Stendal:

    "Er soll aus dem Jura stammen und wir wissen, dass diese Schichten denen vor Norwegen ähneln. Die beiden Regionen sind vergleichbar, und vor Norwegen gibt es eine Menge Öl und Gas. Dort sind die Leute sehr optimistisch."

    Allerdings sind die Ökosysteme in der Arktis äußerst sensibel. Deshalb hagelt es Kritik So könnte durch das Packeis im arktischen Winter ein mögliches Leck über Monate nicht geschlossen werden. Die Experten vom grönländischen Rohstoffamt teilen diese Bedenken nicht. Da nur bis September gebohrt werden dürfe, das Eis aber erst im Dezember komme, bliebe genügend Zeit für Entlastungsbohrungen. Zudem müsse immer eine Reserveplattform bereit stehen, und zwei ferngesteuerte, unabhängig voneinander verschliessbare Sicherheitsventile seien Pflicht.