Archiv


Ölrausch in der Tiefsee

Ein Jahr nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko geht der Ölrausch in der Tiefsee offenbar ungebrochen weiter. Das Moratorium, das US-Präsident Barack Obama nach der Havarie der Deep Horizon für die Ölförderung in tiefen Gewässern ausrief, ist längst Geschichte.

Von Tomma Schröder |
    Die Bilder der ölverschmutzten Strände und Tiere sind gerade mal ein Jahr alt, doch der Hunger nach Erdöl ist nach wie vor groß. Und er wird auch in Zukunft vor großen Wassertiefen nicht haltmachen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover. Demnach hat sich der Anteil des Tiefwassererdöls an der Gesamtförderung in den letzten zehn Jahren verdreifacht. Und bis 2015 wird er von heute 7 auf 13 Prozent weiter rapide ansteigen, schätzt Dieter Franke von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe.

    "Während im Land eigentlich verschwindend geringe Neufunde waren in den letzen fünf bis zehn Jahren, wurden insbesondere im Tiefwasser, das heißt in Wassertiefen größer 500 Meter beträchtliche Neuentdeckungen gemacht. Und es dauert einige Jahre, bis die in die Förderung kommen."

    Oft vergehen zwischen der Entdeckung eines Öl- oder Gasvorkommens bis zur beginnenden Förderung über zehn Jahre. Zwar ist die Förderung auf dem Meer schon längst Routine, erfordert aber großen technischen Aufwand. Das gilt vor allem für die Vorkommen, die im Tiefwasser, also in Wassertiefen über 500 Meter, liegen. Denn hier ist es nicht mehr möglich, die Förderplattform auf den Meeresboden zu gründen. Noch aufwendiger und risikoreicher ist die Erdölgewinnung in sogenanntem Tiefstwasser, das wie im Fall der Deepwater Horizon mindestens 1500 Meter tief ist.

    "Ein erhöhtes Risiko kommt dadurch zustande, dass die Lagerstätten unter einem sehr viel größeren Druck stehen, wenn die entsprechende Wasserauflast darüber ist. Und das war ja auch eine der Ursachen, die zu dieser Katastrophe im Golf von Mexiko geführt haben. Dass eben aufgrund der hohen Druckverhältnisse das Bohrgestänge so verbogen wurde, dass einige Sicherheitsventile nicht gehalten haben."

    Dennoch wird auch im Tiefstwasser vermehrt gefördert. Den Tiefenrekord hält derzeit die Plattform Perdido von Shell, die im Golf von Mexiko aus knapp 2500 Metern Wassertiefe Erdöl fördert. Und das, obwohl es auch im Tiefwasser, also in Gewässern bis zu 1500 Meter Tiefe, noch reichlich Vorkommen gibt.

    "Das wird von der Industrie vor allem in Bereichen gemacht, in denen sie schon im Tiefwasser also bis 1500 Wassertiefe zugange ist. Dann ist dieser Schritt über diese 1500-Meter-Grenze leichter getan als in ein völlig neues Gebiet, was noch wenig untersucht ist, zu gehen."
    Gerade der Golf von Mexiko aber ist geologisch relativ gut untersucht. Dort und in einigen Gebieten des Südatlantiks befindet sich schließlich der Löwenanteil der bekannten Erdölvorkommen im Tiefwasser. Und diese Schätze werden bereits wieder fleißig gehoben. Die Sicherheitsvorschriften seien allerdings seit dem Unglück der Deepwater Horizon erheblich verbessert worden, meint Dieter Franke. Er hebt vor allem hervor, dass nicht mehr die einzelnen Subunternehmen, sondern durchgehend die explorierende Firma die Sicherheitsstandards kontrolliert.

    "Es ist schon auch so, dass die Firmen natürlich ein sehr, sehr großes Interesse daran haben, dass nichts schief geht. Und wenn man als Außenstehender mal eine Ölfirma besucht, dann stellt man fest, dass diese gelebte Sicherheitsphilosophie eigentlich für Außenstehende schon teils absurde Züge trägt, so hoch sind diese Auflagen."

    Doch selbst wenn die Sicherheitsvorschriften Katastrophen wie die der Deepwater Horizon in Zukunft verhindern könnten; auch beim ganz alltäglichen Betrieb der Plattformen gelangt Öl ins Meer. Insgesamt sei das aber in einem Jahr immer noch weniger als an einem Tag als Folge des Deepwater-Horizon-Unglücks ins Meer strömte, meint Franke, und verweist auf den weltweit steigenden Bedarf an Erdöl und Erdgas.

    "Solange wir bereit sind, die Risiken, die unser Lebensstandard mit sich bringt, zu tragen, so lange wird auch das Erdöl aus Tiefwasserregionen geliefert werden."

    Und zwar in sehr großem Maße, wenn der Geophysiker mit seinen Prognosen recht behält. Dass es dabei zu weiteren Zwischenfällen und Unfällen kommen kann, will Franke nicht ausschließen.

    "Jeder Eingriff in die Umwelt ist mit einem Risiko belastet. Das sogenannte Nullrisiko gibt es nicht. Das heißt, man kann die Sicherheitsauflagen beliebig vergrößern, es wird immer ein Risiko bleiben. Es ist keineswegs auszuschließen, dass sich derartige Unfälle wiederholen."