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ÖPNV in Brandenburg
Coronakrise verschärft Verödung ländlicher Regionen

Fahrgastzahlen brechen ein, Abos werden gekündigt: Die Härte der Coronakrise spüren auch regionale Verkehrsunternehmen. In Brandenburg rufen mehrere von ihnen nun nach Corona-Hilfen - sonst könnten manche Busse und Bahnen im zweiten Halbjahr 2020 nicht mehr fahren.

Von Christoph Richter |
    Ein Bus auf einer Landstraße in Brandenburg
    Im schlimmsten Fall müssen viele Busse und Bahnen in der zweiten Hälfte des Jahres in den Depots bleiben (imago images / Christian Thiel)
    Die Busse im Landkreis Potsdam-Mittelmark fahren noch. Der RegioBus, wie das Unternehmen heißt, fährt im Stundentakt quer durch die Region, die an Berlin und das Land Sachsen-Anhalt grenzt. Bekannt ist die Gegend für seinen Beelitzer Spargel und die mittelalterlichen Burgen im Hohen Fläming. Doch jetzt – zu Zeiten der Corona-Pandemie – sind die Tageseinnahmen um mehr als neunzig Prozent eingebrochen erzählt Geschäftsführer Hans Jürgen Hennig.
    "Die Situation ist sehr schwierig, das kann sich jeder vorstellen. Von den Einnahmen haben wir im Moment etwa nur sieben Prozent. Das heißt, bei den Bussen, die abends reinkommen, ist abends die Kasse leer."
    33D-Modell des Coronavirus SARS-CoV2
    Alle Beiträge zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
    Denn beim Regiobus Potsdam Mittelmark gibt es im Bus keine Fahrkartenautomaten. Man kann nur beim Fahrer bezahlen, doch das sei durch die Kontaktbeschränkungen derzeit nicht möglich.
    "Deswegen der hohe Ausfall. Wir haben ein paar Agenturen, Zeitungskioske, kleine Läden, aber die sind zum Teil auch von Schließung betroffen, so dass der Vorverkauf faktisch nicht stattfindet."
    Es drohen Liquiditätsprobleme
    Allein für den April rechnet Hennig mit Verlusten von 500.000 bis 700.000 Euro, nur für das Verkehrs-Unternehmen Regiobus Potsdam-Mittelmark.
    "Das bringt uns im zweiten Halbjahr – so wie auch alle anderen Verkehrsbetriebe – in erhebliche Liquiditätsprobleme."
    Mit jährlich 14 Millionen Fahrgästen ist der Regiobus das größte Nahverkehrsunternehmen im Land Brandenburg. Ein Trost seien Briefe der Kunden an das Verkehrsunternehmen, erzählt Verkehrsdirektor Hennig. Denn so mancher Fahrgast schicke nun per Post Geld, um so seine Fahrscheine zu bezahlen.
    Ein handschriftlicher Brief mit einer Aufstellung getätigter Fahrten und Preisberechnung
    Fahrgäste schicken ihr Geld per Post, weil sie beim Fahrer nicht mehr bezahlen dürfen (Deutschlandradio / Christoph Richter)
    "Ich hatte auch vorige Woche einen Anruf, von einem Fahrgast, der sagte, er fährt seit 50 Jahren nicht schwarz. Und jetzt auch nicht. Also, wir verschicken in Einzelfällen per Post die Fahrscheine. Oder wie in dem Fall, wo der Fahrgast unaufgefordert, das Geld, was er hätte bezahlen müssen, in einen Briefumschlag steckt und abgibt."
    Jetzt hofft Hans-Jürgen Hennig auf die Politik. Damit man am Ende nicht Pleite geht, damit die Busse in der Region Potsdam-Mittelmark auch weiterfahren.
    "Wir gehen fest davon aus, dass die Politik, sowohl die lokale Politik, als auch die Landespolitik und vielleicht auch die Bundespolitik, hier gemeinsam eine Lösung finden. Denn unser Problem ist das Problem aller Verkehrsunternehmen in Deutschland."
    Denn die Landkreise werden die Defizite nicht ausgleichen können, das sei so gut wie sicher, schiebt Hennig noch hinterher.
    Verkehrsunternehmen im Rettungsschirm nicht enthalten
    Auch der Linkenpolitiker Sebastian Walter hat Signale aus den Landkreisen erhalten, dass sie sich bezüglich der Verkehrsbetriebe im Land alleingelassen fühlten. Der Fraktionschef der Linken im Brandenburger Landtag findet es problematisch, dass in dem zwei Milliarden schweren Rettungsschirm des Landes Brandenburg Zahlungen an die Verkehrsbetriebe nicht enthalten sind.
    "Es geht um die Sicherung des öffentlichen Personen-Nahverkehrs. Hier hat das Land eine Verantwortung, hier muss das Land helfen. Und hier gehen wir auch davon aus, dass Mittel aus dem Rettungsschirm auch für den ÖPNV zur Verfügung stehen."
    Etwa weitere 80 bis 90 Millionen Euro benötigt
    Denn die Gefahr, dass die ländlichen Regionen am Ende die Verlierer der Corona-Pandemie seien, sei durchaus gegeben. Pendler im ländlichen Raum können nicht einfach auf das Fahrrad ausweichen, wenn sie zwanzig bis fünfzig Kilometer fahren müssen, um zur Arbeit zu kommen.
    Seitens des brandenburgischen Verkehrsministeriums hat man bisher 75 Millionen Euro für die Verkehrsbetriebe im Land zur Verfügung gestellt. Doch diese Summe reiche nicht aus, meint Hans-Jürgen Hennig, der Geschäftsführer des Unternehmens Regiobus Potsdam. Es verschaffe ein bisschen Luft, löse aber nicht das Problem der Liquidität, die spätestens im Sommer aufgebraucht sei. Brandenburg-weit ist die Rede ist von weiteren 80 bis 90 Millionen Euro, die aller Voraussicht nach noch benötigt werden.
    Weshalb nun der Vorschlag einer Nahverkehrsabgabe im Raum steht, ähnlich wie man es bei Müll- oder Abwassergebühren praktiziert.
    "Ob die überwiegend von Unternehmen getragen wird, ob die von jedem einzelnen Bürger getragen wird, das sind Dinge, die diskutiert werden müssen. Die vielleicht in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich gelöst werden müssen, im Rahmen des Föderalismus."
    Sicher sei: Ohne zusätzliches Geld für die Verkehrsunternehmen gehe es nicht, sagt noch der studierte Nahverkehrsexperte Hennig. Ansonsten würden Busse und Bahnen bald in den Depots bleiben. Und viele Menschen – gerade auf dem Land – würden dann auch nicht mehr zum Arzt oder zur Arbeit kommen.