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Österreich
Ein Rücktritt mit Risiken für die EU

In Brüssel fragen sich Parlamentarier, ob die österreichischen Sozialdemokraten in der Bevölkerung so sehr an Zustimmung verloren haben wegen der Flüchtlingspolitik oder trotz der Flüchtlingspolitik. Die Meinungen dazu könnten nicht unterschiedlicher sein. Klar ist allerdings: Nach dem Rücktritt von Kanzler Werner Faymann müssen sich die EU-Partner auf unruhige Zeiten in Österreich einstellen.

Von Annette Riedel |
    Kann der Rücktritt des österreichischen Regierungschefs Faymann Einfluss auf die EU-Flüchtlingspolitik haben? Gerät über der Flüchtlingskrise das europäische Projekt in dem Maße in Gefahr, wie das Thema zunehmend an Bedeutung in den nationalen Politiken zu gewinnen scheint? Die österreichische Europaabgeordnete der Grünen, Ulrike Lunacek beantwortet die Frage mit einem gewissen Optimismus:
    "Wir sind in einer ganz schwierigen Lage und ich hoffe, dass mein Land, Österreich, jetzt mit einem neuen Bundeskanzler – er immer das jetzt dann auch sein wird – tatsächlich hier auch konstruktiver auch wieder europäische Politik macht und nicht mit Alleingängen viele andere europäische Partner vor den Kopf stößt."
    Eine Hoffnung, die Lunaceks Kollege im Europaparlament, Jo Leinen, von der SPD, also aus Faymanns Parteifamilie, nicht zu teilen vermag.
    "Man muss jetzt befürchten, dass es einen Rechtsruck in Österreich gibt, dass Töne angeschlagen werden, um der FPÖ entgegen zu kommen, das ist letztlich ein Rückschritt, was die Werte Europas angeht und was auch die wichtige Position von Österreich in dem Konzert der europäischen Familie angeht."
    Ruck nach rechts
    Die Frage, die sich manch EU-Parlamentarier stellt, ist die, ob die österreichischen Sozialdemokraten in der Bevölkerung so sehr an Zustimmung verloren haben wegen der Flüchtlingspolitik oder trotz der Flüchtlingspolitik. Will sagen, kam die Große Koalition in Wien und damit die SPÖ und damit Frontmann und Regierungschef Faymann mit seiner Abschottungspolitik gegenüber Flüchtlingen zu spät und zu halbherzig daher – hatten sich also diejenigen Menschen, die eine Abschottung befürworten, da schon den diese länger, lautstärker propagieren, also der FPÖ, schon zugewandt? Oder haben die österreichischen Wähler bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen vor zwei Wochen den Kandidaten beider Regierungsparteien wegen des Schwenks zum "Das Boot ist voll"-Kurs ihre Stimme nicht mehr geben wollen? Die Grüne Lunacek und der SPD-Kollege Leinen neigen eher zu der Einschätzung, dass die Große Koalition in Wien mit ihrem Ruck nach rechts in der Flüchtlingspolitik Rechtspopulisten nicht – wie wahrscheinlich gehofft - das Wasser abgegraben hat, sondern stattdessen zu deren Wasserträgern wurden.
    "Wenn in der Großen Koalition über den Koalitionspartner und die Innenministerin in der Salami-Taktik quasi die Politik gemacht wird, die Herr Orban in seiner Radikalität vorexerziert hat, dann schwächt das alle demokratischen und liberalen Kräfte und letztendlich wird man dann Opfer seiner eigenen Fehler und seiner wankelhaften Haltung."
    "Es ist einfach so, dass in der Vergangenheit viele der größeren europäischen Parteifamilien in den Regierungen sich immer weiter nach rechts bewegt haben. Wir haben in Österreich ein Sprichwort, das sagt: "Die Leute gehen lieber zum Schmied als zum Schmiedle". Das heißt, dass sie lieber denen, die hier Klartext sprechen, dann folgen. Das ist ja auch in der Slowakei mit Fico so gewesen. Wenn ich (also nicht), aber wenn die als Sozialdemokraten und als Europäische Volkspartei Politik machen, um etwa in Österreich den Freiheitlichen Wählerstimmen wegzunehmen, dass das so nicht funktioniert, sondern, dass die dadurch nur gestärkt werden. Und ich hoffe, sie lernen es einmal."
    Auswirkungen auf Flüchtlingspolitik
    Der CDU-Europa-Parlamentarier Herbert Reul erwartet nicht, dass der Wechsel an der Spitze der österreichischen Regierung spürbare Auswirkungen auf die österreichische oder die EU-Flüchtlingspolitik haben wird.
    "Ich vermute, dass das keine großen Veränderungen bedeuten wird. Die Sozialisten in Österreich werden einen anderen an die Stelle setzen. Ob der dann noch so eine Figur ist wie Faymann (und der war eine) – da habe ich meine Zweifel. Faymann war jemand, der auch im europäischen Konzert ein Name war. Das müssen die erst mal wieder hinkriegen."
    Wie groß der "Flurschaden" der Entwicklungen in Wien am Ende für Europa sein könnte, hängt aus Sicht von der Grünen Ulrike Lunacek und des Sozialdemokraten Jo Leinen vor allem davon ab, wie sich Österreich nach den Präsidentschaftswahlen politisch aufstellen wird – SPÖ und ÖVP stärker noch zu "Schmiedles" werden, oder den "Schmieden" der FPÖ politisch klar und eindeutig etwas entgegensetzen.