"Meine Familie wurde ausgerottet. 19 Mitglieder wurden ermordet."
Mit festem Blick in die Kamera erzählt Rudolf Gelbard, was Nationalsozialisten ihm im Alter von 12 Jahren angetan haben. Mit viel Glück hat er die Haft im Konzentrationslager Theresienstadt überlebt. Nie im Leben hätte er sich träumen lassen, dass in seiner Heimat Österreich wieder eine Partei wie die FPÖ an die Macht kommt, deren Mitglieder die damaligen Täter noch heute ehren.
"Und darum trifft mich das besonders, dass durch den jetzigen Wahlausgang eine Partei stark gewonnen hat – von den Burschenschaften durchsetzt. Es gibt sieben Beispiele von schwersten Kriegsverbrechen, wo Burschenschafter beteiligt waren. Und alle diese Burschenschafter sind nach wie vor in den Ehrenlisten und Tafeln ihrer Verbindungen."
Botschaft an die Politik und die Menschen in Österreich
Vor gut einer Woche haben Aktivisten der Organisation "SOS Mitmensch" das Video bei Facebook online gestellt, um so ein Zeichen gegen den allzu unkritischen Umgang mit der FPÖ zu setzten, der in der österreichischen Öffentlichkeit herrscht, so der Sprecher der Organisation Alexander Pollak :
"Wir haben allerhöchste Hochachtung vor der Courage von Herrn Gelbard. Er ist 87 Jahre alt, hat den Holocaust überlebt. War im Konzentrationslager. Ihn macht es tief betroffen, wie sich die politische Lage in Österreich entwickelt. Dass eben auch rechtsextreme Kreise an die Regierungsmacht zu kommen drohen. Deswegen war es ihm wichtig, eine Botschaft an die Politik und die Menschen in Österreich zu senden."
Holocaust-Überlebender wird als Lügner beschimpft
Doch nicht wenige Österreicher gehen auf Facebook dazu über, den Holocaust-Überlebenden als Lügner zu beschimpfen oder ihn, einer der letzten Zeitzeugen des NS-Terrors, gar persönlich zu beleidigen. Da wird Gelbard seitenweise unterstellt, er erzähle Lügengeschichten oder er sei von Linksterroristen finanziert. Alexander Pollak hatte mit diesen heftigen Reaktionen nicht gerechnet.
"Also uns ist bewusst, dass die Stimmung derzeit sehr aufgeheizt ist. Es ist auch klar, dass wenn Personen an die Öffentlichkeit gehen – auch Holocaustüberlebende, dass sie das im Wissen tun müssen, dass es da auch sehr harsche Reaktionen gibt. Aber die Heftigkeit der Hetze und der geschichtsrevisionistischen Aussagen hat uns auch überrascht und macht uns betroffen. Wir haben auf Facebook viele Postings löschen müssen und User sperren müssen."
Kein Aufschrei im Netz und bei den österreichischen Medien
Einen großen Aufschrei im Netz oder in den österreichischen Medien über den Umgang mit dem KZ-Überlebende Rudolf Gelbard hat es bislang nicht gegeben. Und bei der Organisation SOS-Mitmensch ist man jedenfalls froh, dass der 87-Jährige keinen eigenen Facebook-Account hat und von den Hasskommentaren nicht allzu viel mitbekommt. Sonst würde er sich in der wenig optimistischen Einschätzung seines Schicksals nur bestätigt fühlen: "Imre Kertész, der ungarische Nobelpreisträger und Auschwitz-Überlebende hat einmal gesagt: 'Unser Überleben war eine Art Betriebsunfall'".