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Österreich
Kulturszene stemmt sich gegen Rechts

In Österreich regiert seit einem Jahr die konservative ÖVP zusammen mit der EU-und ausländerfeindlichen FPÖ. Viele befürchten eine autoritäre Entwicklung wie etwa im Nachbarland Ungarn. Die Kulturschaffenden des Landes wollen dies verhindern - und engagieren sich mit Verve gegen den Rechtsruck.

Von Günter Kaindlstorfer |
    04.10.2018, Österreich, Wien: Menschen nehmen an einer Demonstration auf dem Ballhausplatz teil. Mehrere Tausend Demonstranten haben in Österreich gegen die rechtskonservative Regierung protestiert. Die Menge am Ballhausplatz vor dem Bundeskanzleramt in Wien skandierte am Donnerstagabend den 04.10.2018 Parolen gegen Rassismus und Sozialabbau und warnte vor einem Schwund der Demokratie.
    Protest gegen Regierung in Wien (Georg Hochmuth/APA/dpa)
    Sollte Österreich in den nächsten Jahren einen autoritäreren Weg nach ungarischem oder polnischem Muster einschlagen: An den Kulturschaffenden des Landes wird es nicht liegen. Die engagieren sich seit Amtsantritt des Kabinetts Kurz-Strache mit Verve gegen den zum Teil massiven Rechtsruck in der österreichischen Politik.
    Schriftsteller Michael Köhlmeier erregte mit Rede Aufsehen
    Allen voran die nationalen Kulturtanker: Die Wiener Staatsoper brachte zum ersten Jahrestag der Regierungsvereidigung im Dezember Johannes Maria Stauds Populismus-kritische Oper "Die Weiden" zur Uraufführung - Libretto: Durs Grünbein. Der Autor Doron Rabinovici und der Journalist Florian Klenk gestalteten fürs Burgtheater vor kurzem eine kritische Collage mit Texten von Salvini, Strache, Orban und Co. - eine umjubelte Produktion.
    Und im Parlament in Wien erregte der Schriftsteller Michael Köhlmeier Aufsehen mit einer Rede, in der er der ÖVP-FPÖ-Regierungsriege - anlässlich einer sogenannten "Gedenkveranstaltung gegen Gewalt und Rassismus" - die Meinung geigte. Er stelle sich eine Reihe von Fragen, sagte Köhlmeier in seiner Rede:
    "Was wirst du zu jenen sagen, die hier sitzen und einer Partei angehören, von deren Mitgliedern immer wieder einige, manche im Wochenrhythmus, naziverharmlosende oder antisemitische oder rassistische Meldungen abgeben, entweder gleich in der krassen Öffentlichkeit oder klamm versteckt in den Foren und sozialen Medien - was wirst du zu denen sagen? Willst du so tun, als wüsstest du das alles nicht? Als wüsstest du nicht, was gemeint ist, wenn sie ihre Codes austauschen? Einmal von 'gewissen Kreisen an der Ostküste' sprechen, dann mit der Zahl 88 spielen oder, wie eben erst, den Namen George Soros als Klick verwenden zu Verschwörungstheorien in der unseligen Tradition der 'Protokolle der Weisen von Zion'"?
    Vierter von vier Tagen zur Veranstaltungsreihe Ein Fest für Michael Köhlmeier im Rahmen der Salzkammergut Festwochen, im Stadttheater Gmunden. Das Bild zeigt den österreichischen Schriftsteller Michael Köhlmeir während einer Lesung im Stadttheater Gmunden 2018 - Vierter von vier Tagen zur Veranstaltungsreihe Ein Fest für Michael Köhlmeier im Rahmen der Salzkammergut Festwochen, im Stadttheater Gmunden
    Der Schriftsteller Michael Köhlmeier im Rahmen der Salzkammergut Festwochen (imago / Rudolf Gigler)
    Elfriede Jelinek gehörte zu den Initiatorinnen der Donnerstagsdemos
    "In Erwägung unserer Schwäche machtet/
    ihr Gesetze, die uns knechten sollen./
    Die Gesetze seien künftig nicht beachtet,/
    in Erwägung, dass wir nicht mehr Knecht sein wollen..."
    Brecht-Eisler gehen immer, auch auf den "Donnerstagsdemos", zu denen Gewerkschaften, Parteien, Kulturschaffende und zivilgesellschaftliche Gruppen Woche für Woche aufrufen: Jeden Donnerstag ziehen zwischen fünf- und zwanzigtausend Demonstrierende durch die Wiener Innenstadt, um gegen die Regierung anzuskandieren. Immer wieder mit dabei: die Provokationsdichterin Stefanie Sargnagel.
    "Man soll natürlich mit seinen politischen Gegnern reden, man soll auch mit Rechten reden. Das Problem ist immer nur, wenn ich mit ihnen reden will, dann beschimpfen sie mich als fette Hure, die von Flüchtlingen vergewaltigt gehört. Das ist ein bisschen das Problem mit diesen frauenschützenden rechten Männern, sie wollen immer gleich, dass man vergast wird. Deshalb ist es ein bisschen schwierig für mich, da in Dialog zu treten."
    Ozonlöcher als geringeres Übel
    Donnerstagsdemos finden nicht nur in Wien, sondern regelmäßig auch in anderen österreichischen Städten statt. Eines der Ziele der Organisatoren: Gegen die rechtspopulistische Agenda der Regierung Einspruch zu erheben und zu verhindern, dass diese Agenda als politische Normalität erscheint.
    Elfriede Jelinek gehörte zu den Initiatorinnen der Donnerstagsdemos. Zu den Rednerinnen auf den diversen Kundgebungen seit Oktober 2018 zählten unter anderem die Schriftstellerin Barbara Frischmuth, die Philosophin Isolde Charim, die Schauspielerin Erni Mangold und der in Österreich populäre Volksrocker Willi Resetarits, bekannt als "Ostbahn-Kurti"
    Die Sorge um Österreichs politische Zukunft treibt auch den Dramatiker Peter Turrini um. In einer Rede vor der SPÖ-Fraktion im österreichischen Parlament formulierte der Schriftsteller kürzlich gewohnt deftig:
    "Ein Gespenst geht um in Europa. Nichts Unmenschliches ist ihm fremd. Es scheint, als sei ein Wettrennen darüber ausgebrochen, wer der größere Feind des Nächsten ist, wer die Schwächeren am besten verhöhnen kann. Der politische Begriff des Rechtsrucks greift zu kurz: Hier geht es auch um den Charakter des Einzelnen. Ich habe deshalb meiner Rede den Titel gegeben: Was uns bedroht, sind nicht die Ozonlöcher, sondern die Arschlöcher."
    Bastion Burgtheater
    Die Regierung Kurz-Strache, das ist sicher, wird auch in Zukunft mit dem Widerspruch Peter Turrinis und anderer Kulturschaffender rechnen müssen, umso mehr, als mit Martin Kusej nächsten Sommer auch ein erklärter Regierungsgegner die Direktion des Burgtheaters übernehmen wird, viele erwarten sich davon zusätzlichen Schwung für die hoch- und gegenkulturelle Oppositionsarbeit.
    Bundeskanzler Kurz und sein Kabinett haben sich zur Kritik der Künstlerinnen und Künstler bisher nicht geäußert. Aber für Kultur, das lässt sich nach einem Jahr bereits sagen, interessiert sich die Regierung ohnehin nicht besonders.