Die Richter gaben der Wahlanfechtung statt. Die Entscheidung kommt nur eine Woche vor dem geplanten Amtsantritt von Alexander Van der Bellen. Der hatte sich bei der Stichwahl am 22. Mai mit knappem Vorsprung gegen den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer durchgesetzt. Am Ende lag der Unterschied bei gerade mal rund 31.000 Stimmen. Die FPÖ hatte nach der knappen Niederlage ihres Kandidaten die Wahl wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten in 94 von 117 Bezirkswahlbehörden angefochten.
Zur Klärung der Vorwürfe hatte das Gericht 90 Zeugen geladen. Zahlreiche Wahl-Verantwortliche räumten bei den Befragungen Regelverstöße bei der Auszählung der Briefwahlstimmen ein. Demnach wurden etliche Vorschriften verletzt. So wurden aus Zeitnot Kuverts vorzeitig geöffnet und Stimmen auch teils von nicht Befugten ausgezählt. Hinweise auf Wahlbetrug oder Manipulationen gab es bisher aber nicht.
Kein Verlierer oder Gewinner
"Die Entscheidung macht niemanden zu einem Verlierer oder Gewinner", sagte der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Gerhart Holzinger, bei der Urteilsverkündung. Es gehe darum, Vertrauen in den Rechtsstaat und die Demokratie zu stärken.
Alexander Van der Bellen, der bei der nun für ungültig erklärten Wahl gewonnen hatte, sagte in einer Presseerklärung, einige seien erstaunt und verunsichert, dass sie wieder zu den Urnen gerufen würden. Aber da in einigen Bezirken das Wahlgesetz "nicht ordentlich vollzogen worden" sei, sei die Wiederholung ein Zeichen des Rechtsstaats und dass man in ihn vertrauen könne.
Van der Bellen: Stelle mich der Wiederholung
Van der Bellen sage: "Um allen Spekulationen vorzubeugen: Natürlich stelle ich mich der Wiederholung dieser Stichwahl und ich beabsichtige, sie auch zum zweiten Mal zu gewinnen."
"Wir werden eine breite Bürgerinnen- und Bürgerbewegung auf die Beine stellen und mit deren Unterstützung aus verschiedenen Bereichen und Parteien gewinnen", kündigte Van der Bellen an. Er forderte alle Österreicher auf, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. "Das ist kein Spiel, es ist etwas wichtiges."
Die Bundessprecherin der österreichischen Grünen, Eva Glawischnig, erklärte auf der Homepage der Partei: "Das Ergebnis ist zu akzeptieren. Das Vertrauen in den Rechtsstaat ist das Fundament unserer Demokratie." Einige Wahlleiter in wenigen Bezirken trügen durch ihren "schlampigen Vollzug" die volle Verantwortung für die Wiederholung der Wahl. Sie sei überzeugt, dass wieder eine breite Bewegung gemeinsam dafür kämpfen werde, damit Alexander Van der Bellen ein zweites Mal die Stichwahl gewinne.
Der unterlegene FPÖ-Kandidat Hofer sagte, es habe Raum für Manipulationen gegeben. Einzelne Personen hatten alleine ausgezählt. "Was diese Menschen getan haben, entzieht sich meiner Kenntnis", sagt Hofer zu möglichen Manipulationen bei der Stichwahl.
FPÖ-Chef Strache: Urteil ein "heilsamer Schock"
Der FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sagte, die Stichwahl wegen Unregelmäßigkeiten für ungültig zu erklären, sei ein "heilsamer Schock". Es gebe aber keinen Grund zu jubeln. Es sei ausdrücklich keine Manipulationen der Stimmen festgestellt worden.
Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn bezeichnete die Entscheidung des Verfassungsgerichtshof als "kräftiges Lebenszeichen" der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. "Wir müssen dankbar sein, dass wir in Österreich freie und geheime Wahlen haben - und Höchstrichter, die dieses Wahlrecht schützen", sagte der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz der Presseagentur Kathpress.
Bundespräsident Fischer, der zwölf Jahre Österreichs Staatschef war, lobte die Richter. "Die Demokratie hat eine Bewährungsprobe bestanden." Er sei stolz auf die Entscheidung.
Neuwahl vermutlich im Herbst
Die Neuwahl wird vermutlich im Herbst stattfinden und den Steuerzahler laut Innenministerium rund zehn Millionen Euro kosten. Bis dahin wird das dreiköpfige Präsidium des Nationalrats die Amtsgeschäfte des Staatsoberhaupts kommissarisch übernehmen. Diesem Gremium gehört auch FPÖ-Mann Hofer an.
Innenminister Wolfgang Sobotka von der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) hatte vor dem Urteil des Gerichts erklärt, dass eine Aufhebung der Abstimmung eine "Blamage" für das Land wäre.
(rm/vic/tzi)