Boyband? Schlager- und Macho-Stars? Oder einfach: Der Hype des Jahres?
"Es wird uns sicher vorgeworfen werden, was ich jetzt sage, aber ich sage es oft: Wir sind schon getragen von dem Gefühl, hier etwas ganz besonderes zu machen. Wir haben das erwartet, muss ich ehrlich sagen, dass das solche Wellen schlägt."
Marco Michael Fitzthum: mittelgroß, keine 30, Geheimratsecken, Zigarette im Mund. Immer. Genau wie diese Lederjacke für fünf Euro vom Flohmarkt.
"Aber jetzt muss sie ins Krankenhaus, langsam ist es vorbei. Sie beginnt sich auch durch den Schweiß zu verziehen, sie ist also schon vier Zentimeter kürzer geworden."
"Männlichkeit definiert sich durch Taten"
Weil er sie voll geschwitzt auf der Bühne immer noch trägt. Und die Hüfte nach vorne schwingt und seinen Balztanz zu den Schnaps getränkten Hits aufführt. Fast 100 Konzerte haben Wanda im letzten Jahr gespielt. Mitgrölabenteuer für die sonst so beherrschten Hipster.
"Ich glaube, ich habe jetzt öfter im Bus geschlafen als in meiner eigenen Wohnung. Kann es an zwei Händen abzählen, wie oft ich zu Hause war dieses Jahr. Es gibt so Tage, um die Grundfunktion aufrecht zu halten, damit man nicht stirbt. Freizeit oder Urlaub oder ein Wochenende gibt's nicht."
Meint der Gitarrist Manuel Christoph Poppe. Ob das stimmt? In Interviews erzählt die Band gern Widersprüchliches, offensichtlichen Quatsch, übertreibt, kokettiert. Ein wohlkalkulierter Beitrag zur Mythenbildung
Damit hätten sie jetzt auch einfach weiter touren können. Doch: kein Jahr nach ihrem Debüt "Bussi", das zweite Album. Warum nicht mehr Zeit nehmen für den zweiten Schlag?
"Aber das ist nicht männlich. Männlichkeit definiert sich durch Taten. Es war die Idee unseres Managers, vom Stefan Redelsteiner, der ein wahnsinniger Beatles-Fan ist. Der hat gemeint: Der Takt der Beatles war zwei Alben im Jahr. Und das war der Ursprungsplan: Wir wollten sechs Monate nach "Amore" schon "Bussi" raus hauen. Irgendwie war dann klar - das geht sich halt nicht ganz aus."
Wanda wollen hoch hinaus. Der Beatles-Vergleich ist da durchaus ernst zu nehmen. Sie haben dieses Tempo trotz der Endlos-Tour geschafft. Weil Marco Michael Fitzthum vor einem Jahr nicht nur das Debüt "Amore" geschrieben hat. Sondern "Bussi" gleich mit.
Deshalb klingt "Bussi" wie eine Fortsetzung von "Amore". Ein paar Schunkelmomente. Nicht ganz so viele Hits. Etwas mehr Hall auf den Stimmen, etwas mehr großes Kino mit Trompeten und orchesterhaften Sounds, die den Songs etwas den Reiz nehmen. Doch es spielt am Ende keine Rolle, weil es bei Wanda um den Live-Moment mit grölenden Fans geht.
Shitstorm wegen eines Videos mit Ronja von Rönne
In den besten Momenten erinnert "Bussi" daran, warum Wanda diesen rasanten Aufstieg hingelegt hat: Weil sie sich eben nicht vom platten Partyrock vereinnahmen lassen, sondern Marco Michael Fitzthum immer etwas Melancholisches mitschwingen lässt.
"Man kann leicht kaputt gehen in diesem Geschäft. Und bisher haben wir wenige Fehler gemacht.
Einen Tag nach diesem Interview in Köln kam dann aber doch der erste, naja, "Fehler".
Das Video zur Single "Bussi Baby" löst einen kleinen Shitstorm aus: Da liegt plötzlich Ronja von Rönne im Bett. Die Anti-Feministin, die im April diesen Jahres mit einem abstrusen Artikel in der Welt erklärt hat, warum sie der Feminismus anekelt. Was sie nun in diesem Video zu suchen hat? Wanda sagen dazu: Anti-Feministen seien sie nicht. Und gewusst, wer die Rönne ist, hätten sie auch nicht. Dieser Sexismus-Vorwurf erzählt viel über die Logik des Hypes: Während des rasanten Aufstiegs müssen Kritiker und Fans wohl besoffen vor Glück überhört haben, dass auch "Amore" schon voller schlüpfriger Anspielungen war. Oder etwa nicht?
"Mein Glied unterwirft sich der Diktatur deines Mundes."
Dem Erfolg von Wanda wird dieser Zwischenfall wohl keinen Abbruch tun. Rönne hin oder her. Als hätte sich Rock'n'Roll je für die Gleichstellung von Mann und Frau eingesetzt.