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Österreichs "Haus der Geschichte"
Deutungsstreit über die Last der Vergangenheit

Österreich soll zum 100. Jahrestag der Republikgründung im November nach deutschem Vorbild ein „Haus der Geschichte“ bekommen. Doch es gibt Unklarheiten und gravierende Meinungsverschiedenheiten. Die Auseinandersetzung spiegelt wider, dass im Land selbst über historische Grundfragen kein Konsens herrscht.

Von Norbert Mappes-Niediek |
    Ein prächtiger klassizistischer Bau, die Wiener Hofburg in Österreich. Ein sommerlicher Tag mit einem Schäfchenwolken und einigen Passanten.
    Österreich: Neue Burg der Hofburg zu Wien (dpa / picture alliance / Daniel Kalker)
    Es wird viel gehämmert, getragen, aufgestellt, aber auch viel diskutiert in den ehrwürdigen Sälen der Wiener Hofburg.
    "Alles in der Bandbreite von, natürlich, österreichischen Berühmtheiten, deren Position zur Geschichte wir zeigen, bis hin beispielsweise zum sogenannten Waldheim-Pferd, der ganz großen Protestskulptur, die wird raumfüllend sein."
    Noch rund zwei Wochen ist es hin, dann eröffnet, auf den Tag genau 100 Jahre nach der Ausrufung der Republik am 10. November 1918, hier das neue "Haus der Geschichte" Österreichs.
    Eine Malerrolle liegt auf dem mit Pappe abgedeckten Parkett eines Museumssaal. Arbeioter schieben im Sommer 2018 Spanplatten durch den großen Raum, in dem später Ausstellungen des "Hauses der Geschichte" in Wien stattfinden sollen.
    Renovierungsarbeiten in den Räumlichkeiten des Museums "Haus der Geschichte" in Wien (dpa / APA / HANS PUNZ )
    Strenggenommen ist es gar kein Haus, bloß eine Etage, ein wenig verloren in der riesigen Residenz der Habsburger-Kaiser. Und diskutiert wird auch nur hier, im "Haus der Geschichte" selbst, wo nun österreichische Selbstsicht und Zeitgeschichte verhandelt werden soll.
    FPÖ hüllt sich in Schweigen
    Knapp ein Jahr nach dem spektakulären Machtwechsel nach rechts und ultrarechts ist es hinter Österreichs politikhistorischen Kulissen ansonsten erstaunlich ruhig. Den Anspruch, als historische Autorität aufzutreten, will Direktorin Monika Sommer erst gar nicht erheben.
    "Was sich auch heute dramatisch verändert hat an der Idee des Museums, ist dass das Museum nicht mehr die alleinige Deutungshoheit über die Geschichte hat."
    Nicht das Ergebnis einer Diskussion soll die Ausstellung zeigen, sondern diese vielmehr erst möglich machen.
    Die Historikerin Heidemarie Uhl, die dem internationalen wissenschaftlichen Beirat des Hauses angehört: "Die Ausstellung wird auch zu einem Reibebaum werden. Ich denke, das ist auch ihre Funktion, dass man sich an der österreichischen Geschichte auch in neuer Form, mit neuen Diskussionen gewissermaßen abarbeiten kann. Und so einen Ort braucht es."
    Noch jedenfalls umgibt das Projekt eine geradezu gespenstische Stille. Die rechte FPÖ, die in das Vorhaben weder direkt noch indirekt eingebunden ist, sich ansonsten aber mit Verve in jede Debatte stürzt, hüllt sich zum "Haus der Geschichte" in Schweigen.
    Vielleicht komme die Kritik ja noch, meint Eva Blimlinger, die Rektorin der Akademie der bildenden Künste und eine der wenigen Kritikerinnen des Projekts. Aber: "Nur glaube ich, dass jetzt schon absehbar ist, in ein bisschen vorauseilendem Gehorsam, dass die Darstellung so sein wird, dass sie eben politisch nicht kontroversiell sein wird. Das ist genau das Drama dran."
    Museum auf Bewährung
    Vor vier Jahren machte der damalige Kulturminister Josef Ostermayer, ein Sozialdemokrat, die seit Urzeiten gewälzten Pläne für ein Österreich-Museum konkret. Doch seither ist das Vorhaben Stück um Stück geschrumpft. Erst war noch von einem Haus die Rede, dann war es nur noch die Etage. Monatelang wurde gestritten, ob man um des neuen Hauses willen der Sammlung alter Musikinstrumente einen Umzug zumuten könne. Nach Ostermayers Abschied anderthalb Jahre später fehlte es dann erst recht am Willen. Sein Nachfolger Thomas Drozda, ebenfalls Sozialdemokrat, verringerte dann noch einmal die räumlichen und finanziellen Dimensionen des Projekts - wegen des Koalitionspartners, sagt er.
    "Es war der Widerstand der ÖVP, der sich immer hinter finanziellen Argumenten versteckt hat, groß genug."
    Skeptisch beäugt auch die neue Regierung das "Haus der Geschichte". Der heutige Kulturminister Gernot Blüml von der konservativen ÖVP will sich zu dem Haus, das größtenteils in sein Ressort fällt, gar nicht äußern.
    Beirats-Mitglied Heidemarie Uhl: "Es wird in Aussicht gestellt eine Evaluierung des Projektes."
    Ein Museum auf Bewährung – mit dünner personeller Ausstattung ins Rennen um die Publikumsgunst geschickt. Nicht einmal für eine Dauerausstellung, wie sie jedes noch so kleine Land Mitteleuropas im Nationalmuseum hat, reichten Platz und Geld. Stattdessen soll anderthalb Jahre lang eine – ebenfalls dürftig alimentierte – Sonderausstellung zu "100 Jahren Republik" gezeigt werden. Titel: "Aufbruch ins Ungewisse".
    Monika Sommer, Direktorin des Museums "Haus der Geschichte" am 25. Juli 2018 in den renovierten Museumsräumlichkeiten des Hauses der Geschichte in Wien. 
    Monika Sommer, Direktorin des Museums "Haus der Geschichte": "Das Museum hat nicht mehr die alleinige Deutungshoheit über die Geschichte." (dpa / APA / HANS PUNZ )
    Das Verhältnis zu Deutschland im historischen Wandel
    Auszustellen, vorzuführen, zu diskutieren gäbe es allerdings gerade jetzt mehr als genug. Im November 2017 hat Österreich seine bisher schärfste politische Wende erlebt. An solchen Bruchpunkten beginnt meistens auch der Versuch, Geschichte neu zu erzählen. Und etliches an den ersten 100 Jahren der Republik Österreich ist, wenn nicht offen, dann doch zwiespältig – etwa das Verhältnis zu Deutschland.
    "Also erst in den 70er-Jahren sagt die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher auf der Straße: Wir sind Österreicher und nicht Deutsche", erklärt der Innsbrucker Historiker Dirk Rupnow.
    Zwischen den Weltkriegen, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, verstehen sich Österreicher ganz eindeutig als Deutsche: Sozialdemokraten und Nationalliberale treten für den Anschluss an Deutschland ein. Das ändert sich auch nicht, als 1933 in Berlin die Nazis an die Macht kommen.
    "Selbst die, die behaupten, dass Österreich eigenständig sein muss, neben NS-Deutschland, sagen: Das ist ein deutscher Staat."
    Ein harter Kern der heute mitregierenden Freiheitlichen definiert die Österreicher bis heute als Deutsche, nicht als eigenständige Nation.
    Nazizeit als Teil der österreichischen Geschichte
    Wo man in Deutschland die heiklen Punkte im österreichischen Geschichtsbewusstsein vermutet, liegen sie dagegen eher nicht, erklärt Stefan Benedik, einer von drei Kuratoren der Ausstellung im "Haus der Geschichte". Entgegen dem deutschen Vorurteil ist auch das Verhältnis zum Nationalsozialismus nicht mehr strittig.
    Hier markiert 1986 eine Zeitenwende: Der Präsidentschaftskandidat Kurt Waldheim wurde als früherer SA-Mann entlarvt, es gab einen internationalen Skandal. Waldheim behauptete nicht nur, von den Nazi-Verbrechen nichts gewusst zu haben - und fühlte sich allein, weil er Österreicher war, von vornherein exkulpiert. Mit der bis dahin verbreiteten Erzählung von Österreich als erstem Opfer des Nationalsozialismus war es danach weitgehend vorbei.
    Stefan Benedik ist stolz, dass seine Ausstellung die Nazizeit erstmals als Teil der österreichischen Geschichte zeigt. Früher habe man eine bruchlose Geschichte erzählt, oft beginnend mit dem Mittelalter.
    "Und diese lineare, kontinuierliche Geschichte, die wird dann unterbrochen von 38 bis 45 als vorgestellte Fremdherrschaft."
    Wobei die Österreicher auf unzähligen Kriegerdenkmälern aus der Nachkriegszeit die Helden priesen, die "für die Heimat" gefallen seien, nicht etwa für fremde Herrscher.
    Besetzt oder befreit
    Es musste dem Volke erst mühsam erklärt werden, dass es Hitlers Opfer gewesen war – wie Karl Renner es tat, der erste Kanzler nach dem Krieg: "Da keine Republik Österreich bestanden hatte, die einen Krieg erklärt hätte, und wir selbst ja überrannt und okkupiert, da wir ungefragt in den Krieg verwickelt worden waren, waren wir zum Unterschiede zu 1918 ja ein befreites Land!"
    Seit dem Fall Waldheim unterscheidet sich die Gedenkkultur in Österreich von der deutschen so gut wie nicht mehr, erläutert Stefan Benedik: "Dort, wo Gedenken früher wirklich tabu war, im ländlichen Raum, in den kleinen Gemeinden, sind jetzt plötzlich Opferdenkmäler entstanden."
    Ein bezeichnender Unterschied aber blieb: Der Kult um das Jahr 1955. Damals einigte sich die wiederhergestellte Republik Österreich mit den alliierten Siegermächten des Zweiten Weltkriegs auf den Abzug der Besatzungstruppen. Auch in Deutschland wurden zu der Zeit die Hohen Kommissare abgezogen und das Besatzungsregime aufgehoben – jedoch weitgehend geräuschlos.
    In Österreich dagegen ist die Unterzeichnung dieses Vertrages für die Mehrheit der Bevölkerung bis heute das zentrale Datum der Zeitgeschichte – und nicht etwa der 27. April 1945, als Österreich sich wieder für unabhängig erklärte, oder der 8. Mai 1945, als Nazi-Deutschland kapitulierte.
    Die Historikerin Heidemarie Uhl: "Wenn man sich zum Beispiel anschaut die Weizsäcker-Rede von 1985. Die hatte in Österreich nie eine Resonanz, weil das Jahr 1945 in Österreich nie eine Rolle gespielt hat, und wenn, dann war das ein Konflikt. Also waren wir besetzt? Befreit? Laut Opferthese hätten wir ja befreit sein müssen. Nach landläufiger Meinung waren wir aber besetzt."
    Richard von Weizsäcker 1985 bei seiner Rede am Pult des Bundestags in Bonn.
    Der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985 bei seiner in Deutschland vielbeachteten Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes. In Österreich stieß die Rede laut Historikerin Heidemarie Uhl kaum auf Resonanz. (dpa / Heinrich Sanden)
    Nach zehn Jahren Besatzung war dann nach dieser landläufigen Meinung der Tag der endgültigen, der eigentlichen Befreiung gekommen. Das Datum wurde sorgfältig inszeniert. Bundeskanzler Leopold Figl trat auf den Balkon der Hofburg und rief dem Volke zu: "Österreich ist frei!"
    Eine Tonaufnahme gab es nicht, und so sprach Figl seine Worte später einfach nach: "Mit dem Dank an den Allmächtigen wollen wir die Unterschrift setzen, und mit Freude rufen wir aus: Österreich ist frei! "
    Leopold Figl in seinem Arbeitszimmer im Jahr 1958 als österreichische Außenminister.
    Leopold Figl war - von 1945 bis 1953 - der erste Bundeskanzler Österreichs nach dem Zweiten Weltkrieg. Später war er als Außenminister an den Verhandlungen zum Österreichischen Staatsvertrag beteiligt (IMAGNO)
    Den Satz kennt in Österreich jedes Kind. Geht es um 1945, stehen die Nazis und ihre politischen Erben beschämt da. Beim Andenken an 1955 dagegen können alle mitfeiern, gleich wie sie zum Nationalsozialismus stehen – eine dauerhafte und immer wieder nützliche Möglichkeit, den Graben zwischen Demokraten und Faschisten zuzuschütten. Der Balkon der Hofburg, von dem aus Figl das Volk grüßte, war derselbe, von dem 17 Jahre zuvor Adolf Hitler sich hatte zujubeln lassen.
    Deutungsstreit zwischen Historikern
    Viel mehr als über den Nationalsozialismus wird in Österreich über die Zeit davor gestritten – zwischen den Parteien, und auch im Wissenschaftlichen Beirat des Hauses der Geschichte.
    Direktorin Sommer: "Es hat sich gezeigt, dass allein schon mit der Benennung dieser Jahre dieser wissenschaftliche Beirat keinen Konsens finden konnte."
    In Österreich verliefen die 30er-Jahre anders als in Deutschland. Kurz nachdem Ende Januar 1933 in Berlin die Nazis die Macht übernommen hatten, schaltete am Tag vor der deutschen Reichstagswahl, dem 5. März, in Österreich der christlich-soziale Bundeskanzler Engelbert Dollfuß das Parlament aus, das sich in einer Geschäftsordnungsdebatte verheddert hatte.
    Der konservative Historiker Helmut Wohnout betont die Bedrohung von außen, aus Deutschland: "Wenn Sie sich ansehen, wie nach dem 5. März 1933 etwa im Zeitraum von zehn Tagen dominosteinartig die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht nationalsozialistischen deutschen Landesregierungen gekippt sind, so haben die Nationalsozialisten tatsächlich geglaubt, das in Österreich nahtlos fortsetzen zu können und die Regierung Dollfuß zu stürzen."
    Der Deutung, dass Dollfuß in einer Art Notwehr gegen das deutsche NS-Regime handelte, widerspricht der Sozialhistoriker Emmerich Tálos vehement. Vielmehr seien die regierenden Christlich-Sozialen mit der parlamentarischen Demokratie prinzipiell nicht einverstanden gewesen.
    "Im Unterschied zu Italien, im Unterschied zu Deutschland wurde seitens der wesentlichen politischen Akteure eine gesellschaftspolitische Vorstellung schon lange vor 1933 in den politischen Diskurs eingeführt, und diese Vorstellung hieß 'ständische Ordnung'."
    Der Sozialhistoriker Emmerich Talos im Rahmen eines Interviews mit der Austria Presse Agentur über den Austrofaschismus am Donnerstag 18. Oktober 2018 in Wien. 
    Der Sozialhistoriker Emmerich Tálos widerspricht der Deutung, dass der österreichische Bundeskanzler Engelbert Dollfuß in einer Art Notwehr gegen das deutsche NS-Regime handelte (dpa / APA / ANNIEV KOSTA)
    Anknüpfend an romantische, vormoderne Ideen, wie sie auch der damalige Papst Pius XI. vertrat, nannte das Dollfuß-Regime sich 'Ständestaat', und wurde auch im historischen Rückblick von Konservativen so genannt.
    Tálos: "Dieser Begriff spiegelt die Selbstdeutung der damals Herrschenden. Aber dieser Begriff hat mit der Realität der Jahre 1933 bis 38 nichts zu tun."
    Auf der Linken dagegen wird das Regime von Dollfuß und, nach dessen Ermordung durch die Nazis 1934, seinem Nachfolger Kurt Schuschnigg als "Austrofaschismus" bezeichnet. Inzwischen herrscht immerhin Einigkeit darüber, dass es sich um eine Diktatur handelte.
    Helmut Wohnout: "Ich selbst habe erstmals zu Beginn der 1990er-Jahre zur Charakterisierung den Begriff einer Regierungsdiktatur gewählt, den ich dann später noch auf den Begriff der Kanzlerdiktatur zugespitzt habe."
    Weil die Ausstellung im "Haus der Geschichte" zu diesem Kapitel nun eine Überschrift brauchte, knüpfte Direktorin Sommer schließlich an Wohnouts Wortwahl an und schuf den Begriff "Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur": "Das war eine Entscheidung, die ich allein getroffen habe. Der Beirat ist eben zu keinem Konsens gekommen."
    Der Historikerstreit ist alles andere als "bloß akademisch"; er zielt vielmehr mitten ins Selbstverständnis des Landes und seiner Parteien. In Deutschland war das Grundverständnis immer klar: Bis 1933 war Deutschland eine Demokratie, danach eine Diktatur. Nach 1945 knüpften Sozialdemokraten, Christdemokraten und Liberale da an, wo sie 1933 aufgehört hatten, und bildeten gemeinsam das System der Bonner Parteien.
    Fehlende Debatte über die 30er-Jahre in der ÖVP
    In Österreich dagegen tun sich nur die Sozialdemokraten mit der Geschichte leicht: Sie können einfach auf die Zeit vor 1933 zurückgreifen. Die christdemokratische Volkspartei dagegen, die ÖVP, knüpfte an die Zeit vor dem Anschluss 1938 an - und damit bewusst auch an die Jahre der Diktatur unter Dollfuß und Schuschnigg. Bis vor kurzem hing im Fraktionssaal der ÖVP in Wien das Portrait des Diktators Dollfuß.
    Emmerich Tálos: "Ein Politiker, der in der Vorbereitung der Verfassung von 1934 sich äußerst befriedigt gezeigt hat, dass selbst der Begriff Parlament abgeschafft wird, dass so ein Politiker eigentlich kein Anrecht hat, in einem Parlamentsklub einer demokratischen Partei angebracht zu sein."
    Das sah wohl auch Sebastian Kurz so, der neue Kanzler und ÖVP-Vorsitzende, der das Bild im vorigen Jahr beim Umbau des Parlaments kommentarlos verschwinden ließ.
    Eine Debatte über die 30er-Jahre hat in der ÖVP allerdings nie stattgefunden, und erst recht nicht bei den Freiheitlichen, ihrem Koalitionspartner. Liberale hatte es in Österreich auch vor dem Krieg nur wenige gegeben, und wo doch, waren sie oft Juden und wurden ermordet oder vertrieben. Die 1955 gegründete FPÖ stand in der Tradition der Deutschnationalen der Zwischenkriegszeit, die schon immer völkisch gedacht hatten und dann fast restlos in der NSDAP aufgegangen waren. Eine Erzählung von demokratischen Parteien jedenfalls, die sich gemeinsam gegen autoritäre Extremisten von rechts und links zur Wehr setzen, wie etwa das deutsche "Haus der Geschichte" in Bonn und Berlin sie zelebriert, gibt es in Österreich nicht.
    Wie in einem Puzzle würden im "Haus der Geschichte" stattdessen historische Versatzstücke zusammengesetzt, kritisiert die Rektorin Eva Blimlinger: "Ich glaube, bei Puzzles ist das so, die kann man dann mit einer Tinktur bestreichen und aufhängen. Man sieht aber immer noch, dass es ein Puzzle ist."
    Kein Bild.
    "Was ist die Idee oder die These, diese 100 Jahre zu präsentieren? Dazu brauche ich ja eine Idee. Was will ich sozusagen damit zeigen, was will ich dem Besucher, der Besucherin über diese 100 Jahre mitteilen?"
    "Fast unlösbare Aufgabe" für die Kuratoren
    Weil ihr das niemand sagen konnte, ist die Akademie-Rektorin Eva Blimlinger aus dem Beirat ausgetreten, und mit ihr ging Wolfgang Baumgartner, der in Wien das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands leitet.
    "Im Endeffekt war mein Eindruck der, dass hauptsächlich drei junge Kuratoren vor eine Aufgabe gestellt wurden, die so, glaube ich, fast unlösbar ist: Nämlich in etwas mehr als einem Jahr 100 Jahre österreichische Republikgeschichte so aufzuarbeiten, dass sie auf einen Konsens trifft."
    Blick auf den Servicedesk im Eingangsbereich zum "Haus der Geschichte Österreich" am Dienstag, 23. Oktober 2018, auf dem Wiener Heldenplatz.
    Am 10. November 2018 wird das "Haus der Geschichte Österreich" offiziell eröffnet (dpa / APA / ROBERT JAEGER)
    Unklar ist, ob zehn Kuratoren und zehn Jahre gereicht hätten: Das Museum kann nicht ersetzen, was der ganzen Nation unklar ist. Was hält das Land durch die turbulenten Zeitläufte stabil? Auf welche Lehre kann es sich berufen? Und was sind eigentlich die österreichischen Werte, von denen bei der Integration von Migranten immer die Rede ist? Und schließlich: Wie verträgt sich das Geschichtsbild der Freiheitlichen, einer prägenden Regierungspartei, eigentlich mit den unscharfen Bildern, die einst die Große Koalition aus Sozial- und Christdemokraten entworfen hat? Die Partei selbst schweigt sich aus – wie alle anderen Parteien auch.
    Blimlinger: "Die Politik hat sich bis dato überhaupt nicht eingemischt, überhaupt nicht, inhaltlich nicht, überhaupt nicht.".
    Nach dem Rücktritt der beiden Beiratsmitglieder hat der parteilose Bildungsminister keinen Ersatz benannt. Auf die Frage, ob nach den informellen Proporz-Regeln des Landes jetzt nicht zwei rechte Historiker an der Reihe wären, sagt Geschichts-Haus-Direktorin Monika Sommer: "Das kann ich Ihnen nicht sagen. Das ist außerhalb meiner Informationen."
    Aufbruch ins Ungewisse: Der Titel der Ausstellung trifft die Sache schon mal auf den Kopf.