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Özdemir bekam Kredit von PR-Berater Hunzinger

Ensminger: Eine Menge Überraschungen hat es ja in der vergangenen Woche gegeben. Bundesverteidigungsminister Scharping ist nicht mehr Verteidigungsminister, Peter Struck nicht mehr SPD-Fraktionsvorsitzender, dafür Verteidigungsminister, und noch während Struck am vergangenen Wochenende seinen ersten Amtsgeschäften nachging, wurde fast zeitgleich noch etwas bekannt: Nicht nur Rudolf Scharping hatte Kontakt zur Medienagentur Hunzinger, auch der Grünen-Abgeordnete im Bundestag, Cem Özdemir. Er hatte 1999 einen privaten Kredit von Hunzinger bekommen, und zwar in Höhe von 80.000 Mark. Und Cem Özdemir ist jetzt am Telefon. Herr Özdemir, Sie haben von sich gesagt, Sie seien naiv gewesen, als Sie den Kredit genommen hätten, aber damals waren Sie schon mehr als vier Jahre Abgeordneter. Ist Naivität da nicht eine zu schwache Entschuldigung?

    Özdemir: Zwei Dinge lege ich mir selber zur Last: Das Eine ich, dass ich keine Rücklagen für die Steuer gebildet habe. Da bin ich nicht der einzige; es gibt viele Kollegen, denen das schon passiert ist, vor allen diejenigen, die noch nicht so lange im Bundestag waren. Das Zweite ist, dass ich nicht zu einer regulären Bank gegangen bin, sondern die Möglichkeit angenommen habe, dass mir da ein privates Darlehen über einen privaten Kontakt vermittelt wurde. Ich sage aber nochmals: Ein privates Darlehen ist keine irgendwie geartete Zahlung, keine irgendwie geartete Spende oder Honorar. Eine irgendwie geartete Verbindung zur Firma Hunzinger oder auch zu anderen Mitgliedern der Firma, Verpflichtungen irgendwelcher Art gab es nicht. Insofern finde ich, dass ein Teil der Berichte, die am Sonntag kamen, auch neben der Sache waren. Ich habe selber, als dieses aufgekommen ist, alles zur Aufklärung beigetragen. Ich habe nicht mein Handy ausgeschaltet, ich bin nicht auf Tauchstation gegangen, sondern ich habe alle, die es hören wollten, in allen Fernsehkanälen, in allen Radiosendern, in allen Zeitungen ausführlich Auskunft gegeben. Auch der Vorwurf, der im Raume steht, ich hätte dieses bei Thierse angeben müssen, entbehrt nicht einer gewissen Absurdität. Dieses, was ich gemacht habe, ein privates Darlehen mit festen Zinsen anzunehmen, muss nicht bei Thierse deklariert werden. Insofern finde ich, dass ich mein Teil zur Aufklärung beigetragen haben.

    Ensminger: Wobei Sie sagen, Sie sind keine Verpflichtungen eingegangen. Aber man muss zugeben, wenn ein privates Darlehen so vergeben wird, dann sieht das nicht ganz koscher aus. Die Frage muss erlaubt sein: Wieso macht man so etwas?

    Özdemir: Es sieht deshalb nicht koscher aus, weil Herr Hunzinger heute in einem ganz anderen Kontext dasteht, als es im Januar 1999 der Fall war. Als ich dieses Darlehen angenommen und mehrere Leute gefragt habe, hat niemand gesagt, dass Herr Hunzinger in dem Kontext dasteht, wie er es heute tut. Das kann mir zum Vorwurf machen. Auch das hätte ich besser erkundigen müssen.

    Ensminger: Sie haben sich also vorher nicht erkundigt?

    Özdemir: Ich habe mich bei vielen Freunden und Bekannten erkundigt, und damals hat niemand gesagt, dass Herr Hunzinger in dem Kontext möglicherweise eines Tages noch stehen könnte, wie das heute der Fall ist. Selbstverständlich ist für mich klar: Seitdem Herr Hunzinger so genannt wird, wie er jetzt genannt wird, werde ich dieses Darlehen komplett mit Zinsen so schnell wie möglich auflösen. Und ich mache noch einen weiteren Schritt, weil die Bild am Sonntag gestern geschrieben hat, dass die Zinsen von 5,5 Prozent möglicherweise nicht marktüblich waren. Das weiß ich nicht, da kenne ich mich nicht so aus. Aber wenn dem so war, dann wird der Differenzbetrag komplett überwiesen, allerdings nicht an Herrn Hunzinger, sondern an das Rehabilitationszentrum für Folteropfer in Berlin. Auch damit glaube ich, dass ich sehr viel dazu beigetragen habe, dieses aufzuklären. Ich sage aber nochmals: Herr Hunzinger war 1999 nicht in diesem Zusammenhang. Und eines ist mir doch nochmals sehr wichtig, weil in der Öffentlichkeit alles zusammengerührt wird: Meine Bücher kann ich selber publizieren. Ich hatte bislang eigentlich keine Probleme damit, dass ich Verlage finden musste. Ich brauche also nicht die Verlage von Herrn Hunzinger, wie das bei anderen offensichtlich der Fall war. Einkaufen konnte ich eigentlich bisher auch ganz gut selber. Entweder lasse ich mich von meiner Freundin beraten oder vertraue auf meinen eigenen Geschmack. Und sonstige PR-Beratungen von Herrn Hunzinger oder von anderen habe ich bisher in meinem Leben auch noch nicht in Anspruch nehmen müssen. Dafür reicht die Pressestelle der Fraktion oder auch eigene Kontakte. Also was hätte Herr Hunzinger mir bieten können, und umgekehrt: Was hätte ich Herrn Hunzinger bieten könnte?

    Ensminger: Aber das ist ja genau die Frage: Wenn da kein Vorteil für Sie, kein Vorteil für Hunzinger war, warum sind Sie nicht gleich zur Bank?

    Özdemir: Wie gesagt, das muss ich mir vorwerfen. Das war ein Fehler. Ich war damals froh, dass es schnell ging. Ich war damals froh, nachdem ich das Konto überzogen hatte, dass ich da unbürokratisch den Kredit, das Darlehen bekommen habe und es in monatlichen Raten abzahlen konnte. Ich kann Ihnen im Nachhinein eines sagen: Das war der teuerste Kredit meines Lebens.

    Ensminger: Rudolf Scharping ist über seine Beziehung zu Hunzinger gestolpert. Ist das denn jetzt der Grund, warum Sie das Handy nicht ausschalten? Fürchten Sie, dass da doch noch Folgen für Sie kommen, und sind Sie lieber jetzt derjenige, der an die Öffentlichkeit geht?

    Özdemir: Nein, der einzige Grund ist der, dass ich das aufklären möchte, weil ich selber ein Interesse daran habe, dass mein Name nicht in dem Zusammenhang genannt wird, wie er zum Teil genannt wurde. Ich glaube, dass ich jetzt alles zu meiner Aufklärung beigetragen habe. Ich werde mich jetzt nochmals an Herrn Thierse wenden, damit es auch nochmals von der Bundestagsverwaltung aus ausdrücklich bestätigt wird und hoffe natürlich, dass die Medien, die jetzt berichtet hatten, dieses melden müssen, wenn das jetzt korrigiert wird, auch in der Form darstellen. Ich sage nochmals von meiner Seite aus: Ich bin eine Person des öffentlichen Lebens. Als solche - das ist klar - muss ich mir besondere Maßstäbe gefallen lassen. Das wusste ich auch vorher schon. Nur eines würde ich schon auch gerne sehen. Wenn jetzt beispielsweise ein wöchentlich erscheinendes Magazin meine Mutter privat anruft, obwohl sie eine Geheimnummer hat, und sagt: Wie ist denn das - sie ist siebzig Jahre alt - Haben Sie Schulden? Hat Ihr Sohn Schulden? Wie ist denn ihr Verhältnis zueinander? Ich glaube, dann wird auch eine Schamgrenze überschritten, die nicht sein muss. Wer mich etwas fragt, kriegt von mir jede Antwort.

    Ensminger: Deswegen fragen wir Sie ja direkt. Sie haben angegeben, den Tipp, sich an Hunzinger zu wenden, hätten Sie von Kollegen bekommen. Grünen-Fraktionschef Schlauch hat angekündigt, die Fraktionsmitglieder würden in der nächsten Sitzung sicherlich informell befragt. Was haben wir denn da noch zu erwarten?

    Özdemir: Ich glaube nichts. Ich weiß nicht, wie Herr Schlauch sich da ausgedrückt hat, aber ich kann mir das nicht vorstellen. Ich glaube, da war ich wahrscheinlich der einzige. Dass jemand nicht Rücklagen gebildet habe, da glaube ich allerdings nicht, dass ich der einzige war, sondern da gibt es Kollegen anderer Fraktionen, denen das auch passiert ist, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass die Kollegen da klüger waren als ich, zu einer Bank gegangen sind und das Problem so gelöst haben, oder ein privates Darlehen tatsächlich auch bei einem Privatmenschen genommen haben, bei einem guten Freund oder bei einem Familienangehörigen, aber nicht bei jemanden, der sich im Nachhinein wie Herr Hunzinger mit anderen Geschäftskontakten entpuppte, was man sich sicherlich nicht wünscht.

    Ensminger: Vielen Dank für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio