Bettina Klein: Und jetzt kommt ein Zitat: "Das psychologische Verhältnis zwischen Union und Grünen ist ein Fall für den Psychiater." So diagnostiziert der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler in der "Süddeutschen Zeitung" gestern. Geißler ist ein ausdrücklicher Befürworter eines schwarz-grünen Bündnisses im Bund, und er bezieht sich auf die seiner Meinung nach völlig überholten Vorstellungen voneinander, die immer noch vorhanden sind. Das geht an beide Adressen. Aber, so schrieb er ebenfalls: "Die Krankheit ist heilbar und Heilung ist erwünscht." Wenn das zutrifft, dann dauert die Heilung doch noch möglicherweise vier Jahre länger. Die Sondierungsgespräche von Union und Grünen wurden gestern Abend in Berlin beendet, mit der Nachricht, es werden keine Koalitionsverhandlungen aufgenommen.
Am Telefon mitgehört hat der Grünen-Parteivorsitzende Cem Özdemir. Guten Morgen!
Cem Özdemir: Guten Morgen, Frau Klein.
Klein: Herr Özdemir, Sie haben aufgegeben?
Özdemir: Nein, wir haben nicht aufgegeben, sondern wir haben einfach gemeinsam festgestellt, Union und Bündnis 90/Die Grünen, dass beide Seiten sehr ernsthaft verhandelt haben, überraschend in vielen Fragen gar nicht so weit auseinander waren, wie man am Anfang das glauben konnte, aber das Trennende gibt es nach wie vor und das Trennende sind entscheidende Punkte, die dazu führen, dass wir sagen, dass es diesmal im Bund nicht reicht.
Klein: Dass es sehr ernste Gespräche waren, das haben wir jetzt mehrfach auch in den Tönen von gestern Abend, auch von Ihnen gehört. Aber die Entscheidung, nicht weiter zu verhandeln, die ging von den Grünen aus, das verstehen wir richtig?
Özdemir: Wir haben ja gemeinsam festgestellt, dass wir eine Themenliste haben. Die Themenliste haben wir abgearbeitet, gestern sind wir fertig geworden mit allen Themen, durch die wir durch sind. Das waren am Schluss zehn Punkte allein gestern. Und am Ende macht man einen Strich darunter, guckt durch alle Themen durch und stellt dann fest, reicht's oder reicht's nicht. Und das Reichen – da geht es ja jetzt nicht, ohne den Kommunen nahezutreten, um eine Kleinstadt; hier geht es um die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt, die bedeutendste in der Europäischen Union, und eine solche Regierung, die muss vier Jahre stabil halten. Und wir haben für uns bilanziert, dass es am Ende nicht reicht für eine Empfehlung, dass wir sagen können, das würde vier Jahre reichen. Aber dass wir überhaupt so weit gekommen sind, dass wir so lange verhandelt haben, spricht nicht nur dafür, dass es sehr konstruktive Gespräche waren, sondern spricht auch dafür, dass es von beiden Seiten ein ehrliches Bemühen war zu schauen, ob es nicht doch irgendeine Möglichkeit gibt. Es geht ja auch ein gewisser Reiz davon aus und auf der anderen Seite die Aussicht, jetzt eine riesengroße große Koalition zu bekommen mit einer verhältnismäßig kleinen Opposition, das will ja auch gut überlegt sein.
Klein: Ja eben, das hätten Sie verhindern können. Warum haben Sie es nicht getan?
Özdemir: Schauen Sie mal, es geht ja nicht darum, dass man einfach Ministersessel bekommt. Ich bin ja auch etwas erstaunt darüber, wie bei den Gesprächen mit CDU/CSU und SPD das Thema "wer wird Minister" so eine wichtige Rolle spielt. Das spielt bei uns nun gar keine Rolle, darüber wurde keine Sekunde diskutiert, sondern bei uns wurde ausschließlich diskutiert über wichtige Themen, ...
Klein: Herr Özdemir, bleiben wir kurz bei der grünen Partei. Entschuldigung, Sie beklagen, dass es eine winzig kleine Opposition im Deutschen Bundestag geben wird. Über die Gefahren haben wir hier vielfach auch schon gesprochen. Die Grünen hätten die Möglichkeit gehabt, möglicherweise eigene Belange zurückzustellen, um das zu verhindern. So wichtig war es ja offenbar dann nicht?
Özdemir: Für uns ist es halt wichtig, wie es mit der Energiewende weitergeht. Für uns ist es wichtig, was mit Europa passiert. Für uns ist wichtig, ob die Bundesregierung in Brüssel verhandelt, dass die CO2-Grenzwerte für Kraftfahrzeuge gesenkt werden – denken Sie an den ausgehandelten Kompromiss, den es da gibt -, oder ob die Bundesrepublik Deutschland sich dafür einsetzt, dass dieser Kompromiss kaputtgemacht wird, und so könnte ich Ihnen noch viele andere Beispiele aufzählen, in der Außenpolitik, die Frage, was passiert mit Rüstungsexporten, zahlen wir künftig mehr für Entwicklungshilfe, um solche Bilder auch zu verhindern wie in Lampedusa, dass Leute dort, wo sie leben, menschenwürdig leben können und ihr Land nicht mehr verlassen müssen, ohne, dass ich sage, dass es da kurzfristige Antworten geben würde.
Klein: Entschuldigung, Herr Özdemir. Nennen Sie doch mal einen Punkt, den Sie besser in der Opposition durchsetzen können, denn in der Regierung.
Özdemir: Schauen Sie, wenn es darum geht, dann muss man immer regieren, und zwar mit jedem. Das kann ja nicht der Maßstab sein. Jede Partei hat für sich Grundüberzeugungen, so wie die CDU/CSU und die Sozialdemokratie auch die Grünen, und am Ende misst man, bringt es uns diesen Zielen in den für uns entscheidenden, besonders entscheidenden Themen deutlich näher, oder müssen wir so Abstand nehmen von unseren Zielen, dass wir das nicht verantworten können. Und da haben wir es uns ja nun nicht leicht gemacht, das hat man gestern ja gemerkt, auch durch die Länge der Gespräche und der Verhandlungen. Wir haben ja versucht, auch Brücken zu bauen. Es stimmt übrigens jetzt nicht, wie das jetzt dargestellt wird von den Kollegen der anderen Seite, dass es vor allem die Finanzen waren. Auch da haben wir klar gesagt, wir müssen nicht unsere Sachen umsetzen, wir müssen sie vor allem nicht eins zu eins umsetzen, ...
Klein: Sondern was war der Punkt, wo Sie sagen, das geht mit uns auf gar keinen Fall ohne einen Kompromiss vonseiten der CDU?
Am Telefon mitgehört hat der Grünen-Parteivorsitzende Cem Özdemir. Guten Morgen!
Cem Özdemir: Guten Morgen, Frau Klein.
Klein: Herr Özdemir, Sie haben aufgegeben?
Özdemir: Nein, wir haben nicht aufgegeben, sondern wir haben einfach gemeinsam festgestellt, Union und Bündnis 90/Die Grünen, dass beide Seiten sehr ernsthaft verhandelt haben, überraschend in vielen Fragen gar nicht so weit auseinander waren, wie man am Anfang das glauben konnte, aber das Trennende gibt es nach wie vor und das Trennende sind entscheidende Punkte, die dazu führen, dass wir sagen, dass es diesmal im Bund nicht reicht.
Klein: Dass es sehr ernste Gespräche waren, das haben wir jetzt mehrfach auch in den Tönen von gestern Abend, auch von Ihnen gehört. Aber die Entscheidung, nicht weiter zu verhandeln, die ging von den Grünen aus, das verstehen wir richtig?
Özdemir: Wir haben ja gemeinsam festgestellt, dass wir eine Themenliste haben. Die Themenliste haben wir abgearbeitet, gestern sind wir fertig geworden mit allen Themen, durch die wir durch sind. Das waren am Schluss zehn Punkte allein gestern. Und am Ende macht man einen Strich darunter, guckt durch alle Themen durch und stellt dann fest, reicht's oder reicht's nicht. Und das Reichen – da geht es ja jetzt nicht, ohne den Kommunen nahezutreten, um eine Kleinstadt; hier geht es um die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt, die bedeutendste in der Europäischen Union, und eine solche Regierung, die muss vier Jahre stabil halten. Und wir haben für uns bilanziert, dass es am Ende nicht reicht für eine Empfehlung, dass wir sagen können, das würde vier Jahre reichen. Aber dass wir überhaupt so weit gekommen sind, dass wir so lange verhandelt haben, spricht nicht nur dafür, dass es sehr konstruktive Gespräche waren, sondern spricht auch dafür, dass es von beiden Seiten ein ehrliches Bemühen war zu schauen, ob es nicht doch irgendeine Möglichkeit gibt. Es geht ja auch ein gewisser Reiz davon aus und auf der anderen Seite die Aussicht, jetzt eine riesengroße große Koalition zu bekommen mit einer verhältnismäßig kleinen Opposition, das will ja auch gut überlegt sein.
Klein: Ja eben, das hätten Sie verhindern können. Warum haben Sie es nicht getan?
Özdemir: Schauen Sie mal, es geht ja nicht darum, dass man einfach Ministersessel bekommt. Ich bin ja auch etwas erstaunt darüber, wie bei den Gesprächen mit CDU/CSU und SPD das Thema "wer wird Minister" so eine wichtige Rolle spielt. Das spielt bei uns nun gar keine Rolle, darüber wurde keine Sekunde diskutiert, sondern bei uns wurde ausschließlich diskutiert über wichtige Themen, ...
Klein: Herr Özdemir, bleiben wir kurz bei der grünen Partei. Entschuldigung, Sie beklagen, dass es eine winzig kleine Opposition im Deutschen Bundestag geben wird. Über die Gefahren haben wir hier vielfach auch schon gesprochen. Die Grünen hätten die Möglichkeit gehabt, möglicherweise eigene Belange zurückzustellen, um das zu verhindern. So wichtig war es ja offenbar dann nicht?
Özdemir: Für uns ist es halt wichtig, wie es mit der Energiewende weitergeht. Für uns ist es wichtig, was mit Europa passiert. Für uns ist wichtig, ob die Bundesregierung in Brüssel verhandelt, dass die CO2-Grenzwerte für Kraftfahrzeuge gesenkt werden – denken Sie an den ausgehandelten Kompromiss, den es da gibt -, oder ob die Bundesrepublik Deutschland sich dafür einsetzt, dass dieser Kompromiss kaputtgemacht wird, und so könnte ich Ihnen noch viele andere Beispiele aufzählen, in der Außenpolitik, die Frage, was passiert mit Rüstungsexporten, zahlen wir künftig mehr für Entwicklungshilfe, um solche Bilder auch zu verhindern wie in Lampedusa, dass Leute dort, wo sie leben, menschenwürdig leben können und ihr Land nicht mehr verlassen müssen, ohne, dass ich sage, dass es da kurzfristige Antworten geben würde.
Klein: Entschuldigung, Herr Özdemir. Nennen Sie doch mal einen Punkt, den Sie besser in der Opposition durchsetzen können, denn in der Regierung.
Özdemir: Schauen Sie, wenn es darum geht, dann muss man immer regieren, und zwar mit jedem. Das kann ja nicht der Maßstab sein. Jede Partei hat für sich Grundüberzeugungen, so wie die CDU/CSU und die Sozialdemokratie auch die Grünen, und am Ende misst man, bringt es uns diesen Zielen in den für uns entscheidenden, besonders entscheidenden Themen deutlich näher, oder müssen wir so Abstand nehmen von unseren Zielen, dass wir das nicht verantworten können. Und da haben wir es uns ja nun nicht leicht gemacht, das hat man gestern ja gemerkt, auch durch die Länge der Gespräche und der Verhandlungen. Wir haben ja versucht, auch Brücken zu bauen. Es stimmt übrigens jetzt nicht, wie das jetzt dargestellt wird von den Kollegen der anderen Seite, dass es vor allem die Finanzen waren. Auch da haben wir klar gesagt, wir müssen nicht unsere Sachen umsetzen, wir müssen sie vor allem nicht eins zu eins umsetzen, ...
Klein: Sondern was war der Punkt, wo Sie sagen, das geht mit uns auf gar keinen Fall ohne einen Kompromiss vonseiten der CDU?
"Wir haben ja versucht, auch Brücken zu bauen"
Özdemir: Um das konkret zu sagen: Wir haben ja extra so angefangen, dass wir gesagt haben, lasst uns doch erst mal über die Ziele diskutieren. Sind wir uns denn einig, dass 15 Prozent Brücken in Deutschland, die noch in gutem bis sehr gutem Zustand sind, eigentlich nicht gehen? Sind wir uns einig darin, dass unsere Wirtschaft dringend gute Verkehrsverbindungen braucht – denken Sie an den Schwerlastverkehr, die brauchen Brücken, die funktionieren, Straßen, Schienenverbindungen. Da haben wir Einigkeit festgestellt. Und dann ist die nächste Frage: Wie finanzieren wir es, wann finanzieren wir es. Herr Kretschmann hat beispielsweise von Baden-Württemberg erzählt, dass die Straßen, die beim Bund angemeldet sind, beim jetzigen Mittelabfluss 102 Jahre brauchen, bis sie gebaut werden. So viel Zeit haben wir nicht in der Industriegesellschaft. Und auf die Frage, wie soll es finanziert werden, nur mit Wachstum zu antworten, das hat uns nicht gereicht.
Klein: Herr Özdemir, diejenigen, die sich in Ihrer Partei, in der Union, vielleicht auch sonst irgendwo in der Gesellschaft dieses Landes ein schwarz-grünes Bündnis gewünscht hätten, für die drängt sich ein bisschen der Eindruck auf, auch für die Grünen geht es eigentlich darum, erst die Partei und dann das Land, also die Frage, wie viel können wir von unseren Zielen durchsetzen, und nicht, was ist möglicherweise ein gutes Signal in die Gesellschaft.
Özdemir: Uns ist klar, dass wir von unseren 340 Seiten im Programm nicht alle umsetzen können, nicht mal die Mehrheit umsetzen können, weil die Größenverhältnisse der Parteien das ja auch gar nicht zulassen. Aber es muss klar sein, dass für die Fragen, die für uns zentral sind – nehmen Sie das Thema ökologische Modernisierung, vor allem die Energiewende, die Verkehrspolitik, nehmen Sie aber auch das Thema offene Gesellschaft, das Thema in der Außenpolitik, Entwicklungshilfe oder Rüstungsexporte -, da muss es eine klare Bewegung geben, die verlässlich ist. Da gab es Andeutungen, da gab es auch Überraschungen bei der offenen Gesellschaft, das muss man auch fair sagen. Aber es gab auch Bereiche, wo es keine Bewegung gab oder wo die Regierung, also die CDU/CSU nicht in der Lage war, auf uns zuzugehen. Am Ende muss man einen Strich machen und das bewerten, und unser Ergebnis ist, dass es weiter war, als wir in manchen Fragen gedacht haben, aber in anderen Fragen eben nicht gereicht hat.
Klein: Den Strich haben wir jetzt gemacht, Herr Özdemir. Die Bilanz des Abends ist deutlich geworden heute Morgen, glaube ich auch. Schauen wir noch mal nach vorne. Es ist ja noch nicht völlig in Stein gemeißelt, dass eine große Koalition tatsächlich zustande kommen wird. Theoretisch ist da auch noch etwas anderes denkbar. Ist denn für die Grünen komplett ausgeschlossen, dass es mit ihnen irgendwelche Art von Gesprächen in diesem Herbst noch geben wird, auch angesichts von den Brücken, von denen Sie gesprochen haben, die ja vielleicht noch nicht stabil sind für vier Jahre, aber doch vielleicht tragen könnten?
Özdemir: Das ist jetzt natürlich hoch spekulativ. Aber ich wäre doch töricht, wenn ich ausschließen würde, was passiert. Wir haben ja nun auch eine staatspolitische Verantwortung alle miteinander für dieses Land und für seine Zukunft, und jetzt muss man mal schauen, was da rauskommt mit den Sozialdemokraten. Aber am Ende, wenn eine solche Situation kommt, wie Sie sie beschrieben haben, kann es natürlich sein, dass man noch mal miteinander spricht. Übrigens gibt es ja auch gegenwärtig Gespräche auf der Landesebene in Hessen, und auch da ist natürlich klar: Der gestrige Tag hat da vieles verändert. Er hat verändert, dass der Umgang von Schwarzen mit Grünen. Nehmen Sie mal die Äußerungen von Herrn Dobrindt über uns. Das entspricht ja nicht ganz der Tonlage, wie sie im Wahlkampf zu hören war. Allein das ist ein Fortschritt, übrigens ein kultureller Fortschritt nicht nur für die beiden Kräfte, sondern insgesamt für die Republik, glaube ich.
Klein: Gut, das nehmen wir aus diesem Gespräch heute Morgen noch mal mit, im Interview mit Cem Özdemir heute Früh im Deutschlandfunk. Möglicherweise ist das allerletzte Wort in diesem Jahr noch nicht gesprochen. Ausschließen will die grüne Partei das jedenfalls nicht. – Ich danke Ihnen sehr für das Interview, Herr Özdemir.
Özdemir: Gerne! – Tschüß! – Schönen Tag!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema auf deutschlandradio.de:
Schwarz-Grün ist keine Option mehr
Klein: Herr Özdemir, diejenigen, die sich in Ihrer Partei, in der Union, vielleicht auch sonst irgendwo in der Gesellschaft dieses Landes ein schwarz-grünes Bündnis gewünscht hätten, für die drängt sich ein bisschen der Eindruck auf, auch für die Grünen geht es eigentlich darum, erst die Partei und dann das Land, also die Frage, wie viel können wir von unseren Zielen durchsetzen, und nicht, was ist möglicherweise ein gutes Signal in die Gesellschaft.
Özdemir: Uns ist klar, dass wir von unseren 340 Seiten im Programm nicht alle umsetzen können, nicht mal die Mehrheit umsetzen können, weil die Größenverhältnisse der Parteien das ja auch gar nicht zulassen. Aber es muss klar sein, dass für die Fragen, die für uns zentral sind – nehmen Sie das Thema ökologische Modernisierung, vor allem die Energiewende, die Verkehrspolitik, nehmen Sie aber auch das Thema offene Gesellschaft, das Thema in der Außenpolitik, Entwicklungshilfe oder Rüstungsexporte -, da muss es eine klare Bewegung geben, die verlässlich ist. Da gab es Andeutungen, da gab es auch Überraschungen bei der offenen Gesellschaft, das muss man auch fair sagen. Aber es gab auch Bereiche, wo es keine Bewegung gab oder wo die Regierung, also die CDU/CSU nicht in der Lage war, auf uns zuzugehen. Am Ende muss man einen Strich machen und das bewerten, und unser Ergebnis ist, dass es weiter war, als wir in manchen Fragen gedacht haben, aber in anderen Fragen eben nicht gereicht hat.
Klein: Den Strich haben wir jetzt gemacht, Herr Özdemir. Die Bilanz des Abends ist deutlich geworden heute Morgen, glaube ich auch. Schauen wir noch mal nach vorne. Es ist ja noch nicht völlig in Stein gemeißelt, dass eine große Koalition tatsächlich zustande kommen wird. Theoretisch ist da auch noch etwas anderes denkbar. Ist denn für die Grünen komplett ausgeschlossen, dass es mit ihnen irgendwelche Art von Gesprächen in diesem Herbst noch geben wird, auch angesichts von den Brücken, von denen Sie gesprochen haben, die ja vielleicht noch nicht stabil sind für vier Jahre, aber doch vielleicht tragen könnten?
Özdemir: Das ist jetzt natürlich hoch spekulativ. Aber ich wäre doch töricht, wenn ich ausschließen würde, was passiert. Wir haben ja nun auch eine staatspolitische Verantwortung alle miteinander für dieses Land und für seine Zukunft, und jetzt muss man mal schauen, was da rauskommt mit den Sozialdemokraten. Aber am Ende, wenn eine solche Situation kommt, wie Sie sie beschrieben haben, kann es natürlich sein, dass man noch mal miteinander spricht. Übrigens gibt es ja auch gegenwärtig Gespräche auf der Landesebene in Hessen, und auch da ist natürlich klar: Der gestrige Tag hat da vieles verändert. Er hat verändert, dass der Umgang von Schwarzen mit Grünen. Nehmen Sie mal die Äußerungen von Herrn Dobrindt über uns. Das entspricht ja nicht ganz der Tonlage, wie sie im Wahlkampf zu hören war. Allein das ist ein Fortschritt, übrigens ein kultureller Fortschritt nicht nur für die beiden Kräfte, sondern insgesamt für die Republik, glaube ich.
Klein: Gut, das nehmen wir aus diesem Gespräch heute Morgen noch mal mit, im Interview mit Cem Özdemir heute Früh im Deutschlandfunk. Möglicherweise ist das allerletzte Wort in diesem Jahr noch nicht gesprochen. Ausschließen will die grüne Partei das jedenfalls nicht. – Ich danke Ihnen sehr für das Interview, Herr Özdemir.
Özdemir: Gerne! – Tschüß! – Schönen Tag!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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